Freitag, 24. Juli 2015

Ich möchte an einige historische Eckdaten deutscher Sozialgeschichte erinnern, die beizeiten von staatlich-gesellschaftlicher Verbrechensgeschichte nicht zu trennen sind:

Ich möchte an einige historische Eckdaten deutscher Sozialgeschichte erinnern, die beizeiten von staatlich-gesellschaftlicher Verbrechensgeschichte nicht zu trennen sind:

Ab 1940/1 konnte sich jeder deutsche Betrieb beim Reichswirtschaftsverwaltungshauptamt der NSDAP 'günstige' Zwangsarbeiter aller Nationalitäten ausleihen, gegen eine Gebühr, die die SS einstrich. Zwangsarbeit im Deutschen Reichsgebiet bedeutete für die Opfer zumeist: Ausbeutung der letzten Kraftreserven unter Mißachtung humaner Mindeststandards, Inhaftierung und Lebensbedrohung - nicht selten bis zum Tod.




Heutzutage hat sich eine blühende Zeit- und Leiharbeiterbranche unter gezielter staatlicher Förderung und Bezuschussung durch die Arbeitsämter entfaltet, in der die Verwalter der billigen Arbeitskraft (das Management von Zeitarbeitsfirmen und Arbeitsämtern) profitieren, nicht aber die oft unter dem Druck der Verhältnisse zwangsweise verliehenen Arbeitskräfte, die Opfer eines neoliberalen Menschenhandels sind.

Ab 1934 war der Status des 'Juden' in Deutschland als eines zu meidenden, ausgestoßenen und entrechteten Individuums per Gesetz definiert und alltäglich behördlich durchgeführt. Über mehrere Stationen (Berufsverbot, Eheverbot, Einkommensverbot, Aufenthaltsverbot, Überwachung, Inhaftierung und Folter/straffreie Ermordung, Ghettoisierung und Aushungern, Ausraubung, Ausbeutung, Vernichtung) entfaltete sich die Radikalisierung der 'antijüdischen' Maßnahmen bis zum GENOZID.

Die NS-Propaganda hämmerte sprachlich geschickt das Bild vom schmarotzenden und parasitären 'Juden' dem 'arischen' Bürger ein, der sich selbst aufgewertet fühlen durfte, allein wegen seiner 'Rassenzugehörigkeit' als geerbtes Geburtsrecht. So ähnlich wurde, sozial gestuft, auch mit anderen Gruppen von 'Volksfeinden' verfahren (Christen, Homosexuelle, Roma & Sinti, Sozialisten und Kommunisten, 'Asoziale' und 'Arbeitsscheue' [sic!], Kranke und andere 'Lebensunwerte', Widerständige [sic!]), wenn auch anders begründet.


'Jüdniks' standen auf der NS-Werteskala der Menschengruppen ganz unten. Bis hin zur Entmenschlichung in der Gleichsetzung mit Rattenrudeln und Schädlings-Insekten, die vernichtet werden müssen. Zyklon-B war ja ein Entlausungsgift.

Heutzutage sprechen Jugendliche in Deutschland von 'hartzen', damit meinen sie: abhängen, faulenzen, schmarotzen. Damit prägen sie neue Vokabeln, die ihrer sozialen Wirklichkeit entsprechen - sie kennen keine anderen Zustände und Zeiten, wenn sie jung genug sind - und sie übernehmen als einen fortschreitenden GEWÖHNUNGSEFFEKT die Mentalität der Eltern, der Lehrer, der Peer Groups - oder schlicht: der meinungsbeherrschenden Mehrheit. Die Saat der Polit-Rhetoriker quer durch die Parteienlandschaft (und mancher Medien), die im WORDING das Bild vom schmarotzenden und überflüssigen H4-Parasiten zu Lasten der 'braven und guten' , weil 'arbeitenden' Allgemeinheit propagiert haben, ist voll und ganz aufgegangen. Dazu braucht es nur wenige Jahre, um die existenzielle Bedrohung und Entrechtung der Betroffenen zum geduldeten und allgemein akzeptierten, wenn nicht sogar gewünschten und geforderten PRINZIP, zum Gewohnheitsrecht bar jeder Verfassungsordnung zu machen.

Der Hartzer ist der 'Jude' von heute. Er dient der massenpsychologischen Aufwertung der Bürger, die (noch) Arbeit haben - und sei diese noch so bescheiden - lohnmäßig und/oder sinnhaft, nach dem Prinzip: Gottlob, ich bin kein Hartzer. Wenigstens das.

Göring sagte einmal: 'Wer Jude ist, bestimme ich.' Damit meinte er: 'Jude', also der zum Tod Verurteilte, sei eine reine Definitions-, keine Rassenfrage, an die manche Nazis nur bedingt glaubten, als massenpsychologisches Instrument erkannten und einsetzten. In der Definition der 'Juden' des Reiches durch die Machthaber zeigte sich die Willkür und Menschenverachtung der DIKTATUR. Müntefering sagte einmal: 'Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.' Dieser Logik zufolge definiert heute jeder kleine Sachbearbeiter im Jobcenter, wer seiner Meinung nach
arbeiten will oder nicht arbeiten will, d.h. ob er essen darf oder nicht. Wenn einer nichts mehr essen darf, verhungert er. Er stirbt den Hungertod - wie Hunderttausende von Juden in den Ghettos. In der Definition des 'Hartzers' durch die deutschen Behördenmitarbeiter zeigt sich die Willkür und Menschenverachtung unserer neoliberal getunten Demokratie, die damit aufhört, eine zu sein.

Eine Gesellschaft, die sozialpolitisch ihre seit Jahrzehnten immer dringlicher werdenden strukturellen Probleme der Massenarbeitslosigkeit und Ungleichverteilung von Arbeit, Profit und auch individueller Anerkennung/Sinnhaftigkeit nicht bewältigen kann oder will, verfällt allzuleicht primitiven 'Endlösungen': Überwachung, Ausgrenzung, Erniedrigung, Zwang, Ausbeutung und Entrechtung bis zur Existenzverweigerung. In einer Gesellschaft, die ohnehin auf dem Weg in die Entdemokratisierung durch die Einschränkung/Abschaffung bürgerlicher Grundrechte ist, was sich alltäglich in der Schule, am Arbeitsplatz und im Internet als Kontrollwahn und Überwachungswut in strengen Sozialhierarchien und Staatsobrigkeit immer stärker bemerkbar macht, fällt die Demütigung und Bestrafung derjenigen, die 'ganz unten' sind, kaum noch auf, bzw. wird als Kompensation eigener Frustration und Abstiegsängste freudig beklatscht.

Ich möchte daran erinnern, daß nicht alle Opfer des NS-Terrors schicksalsergeben blieben, sondern einige sich organisierten und zur Wehr setzten. Aus Notwehr und oft bis zum Tod.

Autor Sittenwächter

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