Donnerstag, 5. November 2015

Analyse, Deutschland, Europa, Flüchtlinge

In welchem Zus­tand befindet sich eigentlich diese Repub­lik? In ver­gan­genen Jahrzehn­ten war es seit­ens der Linken üblich, Entwick­lun­gen stets kri­tisch zu beobachten; dem Land wurde die Hand an den Puls gelegt und der Zus­tand der bürg­er­lichen Demokratie wurde genau betra­chtet. Inzwis­chen scheint das aus der Mode ger­aten zu sein, solange nur die Schlagzeile stimmt.

Manch­mal muss man vom Inhalt abstrahieren und die Form eines Ereignisses betra­chten, um zu begreifen, worauf es abzielt oder was es anzeigt. Auf den ersten Blick sin­nvoll Erscheinen­des kann auf den zweiten etwas ganz Anderes bedeuten.
Ein Beispiel dafür: bei der großen Flut in Ham­burg 1962 set­zte der dama­lige Ham­burger Innense­n­a­tor Hel­mut Schmidt die Bun­deswehr ein, um weit­ere Über­flu­tun­gen zu ver­hin­dern. Vernün­ftig, kön­nte man sagen. Es ist auch schwierig, Ein­wände gegen diese Ver­wen­dung zu finden.

Es gab aber eine andere Seite. Die Bun­deswehr war 1956 gegen erbit­terten Wider­stand großer Teile der Bevölkerung gegrün­det wor­den; die meis­ten Bun­des­bürger woll­ten ein neu­trales Land ohne Armee, schon gar nicht eine von ehe­ma­li­gen Wehrma­chtof­fizieren aufge­baute NATO-​Truppe. Eines der Mit­tel, um diesen Wider­stand zu brechen, war das Ver­bot der KPD und, schon einige Jahre zuvor, das der FDJ. Wie heftig die Auseinan­der­set­zung um die Remil­i­tarisierung war, zeigt sich schon daran, dass einer der zwei Fälle, in denen die Polizei in der BRD auf eine Demon­stra­tion geschossen hat, sich in diesem Zusam­men­hang ereignete – am 11. Mai 1952 wurde in Essen auf einer Demon­stra­tion gegen die Wieder­be­waffnung der 21-​jährige Münch­ner Philipp Müller (von hin­ten) erschossen, zwei weit­ere Demon­stran­ten wur­den schwer verletzt.

Für diese gegen den Willen der Bevölkerung gebildete Bun­deswehr war der Ein­satz bei der Ham­burger Sturm­flut, der zu diesem Zeit­punkt ohne jede geset­zliche Grund­lage erfol­gte, ein unge­heurer PR-​Erfolg. Gle­ichzeitig öffnete die darauf fol­gende Legal­isierung von Ein­sätzen im Katas­tro­phen­fall die Tür für Über­legun­gen zum Ein­satz der Bun­deswehr im Innern, die let­ztlich zu den Not­stands­ge­set­zen führten.

Die human­itäre Hand­lung hatte also poli­tisch völ­lig andere Kon­se­quen­zen (und einen anderen Hin­ter­grund; Schmidt war Ver­fechter der Remil­i­tarisierung, das waren damals nicht alle Sozialdemokraten, und er war intel­li­gent genug, dass man davon aus­ge­hen kann, dass die „Neben­wirkun­gen“ beab­sichtigt waren).

Vor diesem Hin­ter­grund muss man betra­chten, was in den let­zten Wochen geschehen ist.

Fakt ist, Angela Merkel, Bun­deskan­z­lerin, hat – ver­mut­lich – erk­lärt, das Dublin-​Abkommen gelte für Deutsch­land nicht mehr. Da das Dublin-​Abkommen ein mul­ti­lat­eraler Ver­trag ist, ist eine solche ein­seit­ige Aufhe­bung unschön, aber nicht unmöglich. Sie hätte allerd­ings bin­nen 48 Stun­den einen Kabi­netts­beschluss her­beiführen müssen, der diese Posi­tion bestätigt. Das ist, allem Anschein zufolge, nicht geschehen (ob sie es nicht ver­sucht hat oder ob sie dafür keine Mehrheit fand, bleibt unklar). Nur wenn diese Bestä­ti­gung erfolgt wäre, hätte die Umset­zung durch die Exeku­tive, in diesem Fall die Polizei an der Grenze, eine rechtliche Grund­lage. Sprich, wir haben es hier mit einem Han­deln der Ver­wal­tung ohne Rechts­grund­lage zu tun.

Jetzt mag man sagen, ist nicht so schlimm, ist ja human­itär. Nur, wie das Ham­burger Beispiel zeigt, solche Hand­lun­gen besitzen immer beide Qual­itäten, selbst wenn es sich um eine human­itär motivierte Entschei­dung han­deln sollte (was ich nicht glaube), und die Qual­ität des Rechts­bruchs entwick­elt ihre eige­nen Folgen.

For­mulieren wir es ein­mal so herum – eine Exeku­tive, die ohne Rechts­grund­lage han­delt beziehungsweise, die rechtswidrige Befehle aus­führt, tut das nicht nur in diesem einen Fall, son­dern würde das auch in anderen Fällen tun. Eine Regierung, die Entschei­dun­gen von beträchtlicher Trag­weite nicht nach ihren eige­nen Regeln trifft, ist entweder darauf aus, den Not­stand zum all­ge­meinen Zus­tand wer­den zu lassen, oder ist nicht mehr fähig, die Regierungs­geschäfte zu führen. (Wir bre­iten den Man­tel des Schweigens über ein Par­la­ment, das hier, trunken vor „Willkom­men­skul­tur“, nicht ein­mal ver­sucht, gegenzusteuern).

Wie gesagt, wir reden hier nicht vom Inhalt, wir reden von der Form. Wie beim Ham­burger Bun­deswehrein­satz muss sie in Blick genom­men werden.

Die human­itäre Absicht ist, neben­bei bemerkt, sehr fraglich. Selbst wenn man ignori­ert, dass die Kürzung der Zuwen­dun­gen an das UNHCR, das nach wie vor die Mehrzahl der Flüchtlinge aus Syrien ver­sorgt, nach wie vor nicht zurückgenom­men wur­den; dass kein­er­lei Unter­stützung für jene europäis­chen Staaten erfolgt, die schon durch die Durchreise der Flüchtlinge über­fordert sind (und das meine ich ganz materiell; die winzi­gen Split­ter­staaten, in die Jugoslaw­ien so erfol­gre­ich zer­schla­gen wurde, kön­nen nicht ein­mal Ernährung und Unterkunft für so viele Men­schen finanzieren), bleibt die Tat­sache, dass die vom Bund ver­sproch­enen Mit­tel für die Unter­bringung der in Deutsch­land eingetrof­fe­nen Flüchtlinge noch immer nicht fliessen, und die Regierung offen­bar meint, das ginge alles irgend­wie ehre­namtlich. Auch human­itäres Han­deln muss geplant sein, und die Über­legung, wie man die meis­ten Men­schen am besten ver­sor­gen kann, kommt nicht zu dem Schluss, dass das in Deutsch­land geschehen sollte. Es hat einen guten Grund, dass das UNHCR keine Groß­trans­porte von Flüchtlin­gen durch­führt, und dieser Grund ist nicht Frem­den­feindlichkeit, son­dern der wirk­same Ein­satz der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel und der Grundgedanke, dass jeder Flüchtling eigentlich lieber in seiner Heimat leben will.

Neben der außerge­set­zlichen Qual­ität der Entschei­dung Merkels finden Ver­suche statt, tief in die Sou­veränität anderer europäis­cher Län­der einzu­greifen. Wenn Merkel erk­lärt, Öster­re­ich dürfe keinen Zaun bauen, dann wäre das eine Mei­n­ungsäußerung, der ich sogar zus­tim­men kön­nte, wäre sie eine Pri­vat­per­son. Als Kan­z­lerin muss sie aber respek­tieren, dass das let­ztlich die Entschei­dung der öster­re­ichis­chen Poli­tik ist und nicht der deutschen. Gle­iches gilt für entsprechende Kom­mentare zu Ungarn (das pro­por­tional zur Bevölkerung ohne­hin bere­its weit mehr Flüchtlinge aufgenom­men hat als Deutsch­land). Schon der Akt, das Dublin-​Abkommen neben­bei aufzuheben, zeigt, welche Vorstel­lung Merkel von Europa hat. Eben dieses Abkom­men wurde von der Bun­desregierung durchge­setzt. Der Respekt vor der Sou­veränität der auf der Strecke liegen­den Län­der hätte es geboten, sich mit ihnen abzus­tim­men, ehe eine solche Aufhe­bung erfolgt. Das scheint diese Bun­desregierung nicht nötig zu haben; wenn sie heute hüh sagt und mor­gen hott, dann hat der Rest Europas schweigend lächelnd zu sprin­gen. Das „hott“ bestünde in diesem Fall in der ebenso plöt­zlichen Reak­tivierung des Dublin-​Abkommens, das den Nach­bar­län­dern die Flüchtlinge aufzwingt, die Merkel zuvor ein­ge­laden hatte.

Der Weisheit let­zter Schluss bei den europäis­chen Beratun­gen war die Entsendung von Polizeiein­heiten in Län­der wie Slowe­nien. Klar, diverse Staaten ent­lang der Fluchtroute sind so klein (und so arm), dass ihre gesamte Polizei in der Bun­desre­pub­lik ger­ade mal ein Bun­desli­gaspiel bewachen kön­nte. Aber die Entsendung von Polizeiein­heiten in andere Staaten ist ein tiefer Ein­griff in deren Sou­veränität; getarnt als Unter­stützung, ist es tat­säch­lich eine Aushe­belung einer eigen­ständi­gen Innen­poli­tik. Und der durch die sich bewe­gen­den Men­gen aus­gelöste Not­stand (der in eini­gen Regio­nen über­aus real ist) dient als Hebel, um nach der Wirtschafts– und der Außen­poli­tik, die bere­its weit­ge­hend in Berlin entsch­ieden wer­den, auch die Innen­poli­tik dem dor­ti­gen Kom­mando zu unter­w­er­fen. Weil sie der Überzeu­gung ist, schlech­ter­d­ings Alles in Europa müsse in Berlin entsch­ieden wer­den, lässt Merkel ihre Bemerkun­gen in diese Rich­tung so beiläu­fig fallen.

Man braucht nicht dreimal nachzu­denken, um zu wis­sen, wer let­ztlich dafür gesorgt hat, dass die por­tugiesis­chen Wahlen ein nut­zloses Manöver waren. In Europa wird schlicht so lange gewählt, bis das Ergeb­nis Berlin gefällt, oder die entsprechen­den Regierun­gen wer­den so eng in Zwangsverträge gepackt, dass sie ger­ade noch die Uhrzeit ansagen können.

Die Hand­lung im Lan­desin­neren und die Hand­lung in Europa fol­gen dem sel­ben Muster – es wird eine Not­lage geschaf­fen, die dann genutzt wird, um vorhan­denes Recht auszuhe­beln. Die Ver­schär­fung des Asyl­rechts, die jüngst beschlossen wurde, wäre niemals so wider­spruch­s­los ver­laufen, wenn nicht sämtliche üblichen Verdächti­gen, die anson­sten dage­gen mobil­isiert hät­ten, ger­ade bis über beide Ohren mit kar­i­ta­tiver Tätigkeit eingedeckt wären. Ähn­lich dürfte die Reak­tion auf weit­ere Ver­schär­fun­gen ausse­hen. Weil der eigentlich beste­hen­den Verpflich­tung des Bun­des, mit echter Not­fallpla­nung auf die Sit­u­a­tion zu reagieren und auch die nöti­gen Finanzen zur Ver­fü­gung zu stellen, nicht nachgekom­men wird, sind Län­der und Kom­munen, deren Finan­zlage deut­lich schlechter ist und die die entschei­de­nen Punkte wie die Kon­trolle der Grenze oder die ein­samen Beschlüsse der Kan­z­lerin, nicht in der Hand haben, weit­ge­hend aus dem Spiel. Wir reden hier von einer Ver­schiebung des gesamten poli­tis­chen Gefüges. Sprich, was Merkel getan hat, hat dur­chaus Eigen­schaften eines Putsches. Ein Putsch, der sich im Inneren, weit mehr aber noch in Europa, gegen die Reste demokratis­cher Struk­turen richtet.

Das heißt noch nicht, dass diese Ver­suche erfol­gre­ich sein müssen. Die griechis­che Regierung hat mit­tler­weile begrif­fen, dass die Erpres­sungs­masche in zwei Rich­tun­gen funk­tion­iert und droht nun damit, 25 Kilo­me­ter des Grenz­za­uns zur Türkei abzubauen, wenn keine Unter­stützung bei der Ver­sorgung der Flüchtlinge erfolgt. Sie sei nicht bereit, sich an einem Ver­brechen weiter zu beteili­gen, das täglich neue Todes­opfer fordere. Damit bezieht sie sich auf die Tausende, die bei der Über­fahrt ums Leben kom­men, die durch eben diesen Zaun erzwun­gen wird, der – auf Anweisung der EU – den Landweg versperrt. Aus Slowe­nien kam die Aus­sage, wenn die Flüchtlingskrise nicht gelöst würde, würde die EU zer­brechen. Dieses Ergeb­nis ist dur­chaus möglich. Das andere mögliche Ergeb­nis wäre die völ­lige Unter­w­er­fung unter Berliner Kommando.

Aber das dient doch alles dem Guten…

Nein, weder eine Unter­grabung der Rechts­bindung der Exeku­tive in der Bun­desre­pub­lik noch eine weit­ere Ver­ringerung der Sou­veränität unserer Nach­barstaaten dient dem Guten. Wäre der Schritt, das Dublin-​Abkommen betr­e­f­fend, das Ergeb­nis einer poli­tis­chen Bewe­gung, so rede­ten wir von einer Aufkündi­gung, nicht einer zeitweili­gen Aufhe­bung. Poli­tis­che Verän­derun­gen nehmen in einem mod­er­nen Staat nun ein­mal die Gestalt des Rechts an. Tun sie das nicht, bewegt sich die Poli­tik fort von einer rechtlichen Grund­lage, dann bewegt sich der gesamte poli­tis­che Prozess von der bürgerlich-​demokratischen Ebene fort auf jene der blanken Gewalt. Sprich, Merkel stützt ihre Idee von „wir machen mal die Gren­zen auf für alle“ nur auf eins, wie Mao es gesagt hätte, auf die Läufe der Gewehre.

Es ist keine banale Frage, auf welcher Ebene Poli­tik stat­tfindet. Und ich kann es nicht mit Begeis­terung beobachten, wenn die Berliner Repub­lik Tag für Tag mehr die Regeln der bürg­er­lichen Demokratie ver­lässt. Ich finde es zutiefst unheim­lich, wenn die Polizei des Bun­des gegen gel­tendes Recht han­delt. Nicht, weil dieses Zuwider­han­deln in diesem Falle Flüchtlinge über die Grenze lässt. Son­dern weil ein solches Zuwider­han­deln dann auch auf ganz anderen Gebi­eten möglich wäre. Ich sehe es mit Unruhe, wenn das Par­la­ment hier nicht darauf dringt, sich an das poli­tis­che Ver­fahren zu hal­ten, wenn es keine Kon­trolle über den Umgang mit den Flüchtlin­gen ausübt, den fehlen­den Pla­nungsstab moniert, schlicht, kom­plett die Klappe hält. Weil es bedeutet, dass dieses Par­la­ment in Gänze zu einer rück­grat­losen Meute verkom­men ist, die sich bei Bedarf an jed­welchem Nasen­ring durch die Manege führen lässt. Wie würde ein solches Par­la­ment auf ein Ermäch­ti­gungs­ge­setz reagieren? Genau.

Es ist die Ker­nauf­gabe eines Par­la­ments in jeder bürg­er­lichen Demokratie, Über­griffe der Exeku­tive zu ver­hin­dern. Diese Ker­nauf­gabe hat das deutsche Par­la­ment schlicht übersehen.

Das ist die Lage, noch ohne einen Blick auf das fin­stere Spiel zu wer­fen, das neben­bei noch gespielt wird – mit allen Kräften dafür zu sor­gen, dass jede Empörung sich einzig gegen die Flüchtlinge richtet (und es gibt viel Grund zur Empörung; der Chef des Arbeit­ge­berver­bands hat sich jüngst zum Vorschlag ver­stiegen, das Rentenal­ter solle eigentlich bei 85 liegen… so alt wird sta­tis­tisch nur der wohlhaben­dere Teil der Bevölkerung). Die Flüchtlinge sind nur mißbrauchtes Werkzeug; Plas­tik­sprengstoff, den man zurechtkneten kann, damit es an vorge­se­hener Stelle knallt.

Dabei wird vielfach mit gezink­ten Karten gear­beitet. Ein Beispiel dafür war die Empörung, die in den Medien über Pir­inç­cis Satz über KZs erfol­gte. Es hätte in seiner Rede viele Sätze gegeben, die Empörung recht­fer­ti­gen. Der aus­gewählte Satz wurde aber zwar so dargestellt, als hätte Pir­inçci sich KZs für die Flüchtlinge gewün­scht, er bein­hal­tete aber eine völ­lig andere Aus­sage, näm­lich die, dass es der Regierung noch nicht möglich sei, ihre Geg­ner in KZs zu sper­ren. DPA hat sich an diesem Punkt kor­rigiert, das wurde aber von keiner Zeitung aufge­grif­fen. Wer ver­sucht, diese eine Aus­sage zu über­prüfen, stellt schnell fest, dass die Darstel­lung völ­lig verz­errt ist. Das wird ihn widerum ver­leiten, auch den Rest von Pir­inç­cis Rede zu akzep­tieren, die nun wirk­lich ras­sis­tisch ist. Was an der Ober­fläche wie eine Verurteilung wirkt, lenkt gle­ichzeitig jene, die ihr nicht glauben, in erwün­schte Bah­nen. Es han­delt sich um eine Form der Pro­pa­ganda, die Rede und Gegenrede in einem umfasst und das Denken dazwis­chen auszuschal­ten ver­sucht. Genau das Gle­iche geschieht in der Poli­tik, in einem Spiel mit Pegida/​Antipegida, mit „Willkom­men­skul­tur“ und gle­ichzeit­iger Förderung ras­sis­tis­cher Posi­tio­nen. Dass es um eine sub­tile Förderung geht, zeigt sich schon bei einem Ver­gle­ich der äußerst sparsamen Berichter­stat­tung über eine Viertelmil­lion Demon­stran­ten gegen TTIP mit der über die zwanzig­tausend bei Pegida.

Dabei glaube ich nicht, dass die neueren Organ­i­sa­tio­nen, AfD oder Pegida, tat­säch­lich eine faschis­tis­che Massen­be­we­gung wer­den sollen. Das sind nur Kanäle hin­ter dem Damm, die wieder ein­fan­gen und in den Haupt­strom zurück­leiten sollen. Die wirk­lich gefährlichen Schritte fort von der bürg­er­lichen Demokratie erfol­gen auf höch­ster Ebene, durch den Auf­bau eines per­ma­nen­ten Not­stands, durch eben diese Aufwe­ichung des Rechts, wie sie Merkel praktiziert.

Man muss nur daran denken, dass die wirtschaftliche Lage bei weitem nicht so sta­bil ist, wie behauptet wird, und der näch­ste größere Schub der Krise, der sich dann nicht mehr durch Aus­plün­derung der Nach­barn ein­fan­gen lässt, sich schon abze­ich­net. Die ZEIT hat jüngst einen Text veröf­fentlicht, den man fast als Nachruf auf die Deutsche Bank lesen kann. Ähn­liches fand sich im Deutsch­land­funk. Zero Hedge kom­men­tierte die vor eini­gen Wochen erfol­gte Gewin­nwar­nung gewohnt lakonisch, so habe das bei Lehmann drei Monate vor dem Zusam­men­bruch auch geklungen.

Was, wenn diese Prog­nose tat­säch­lich zutrifft? Wie wür­den die Men­schen auf eine weit­ere Runde Banken­ret­tung reagieren, oder auf radikalen Sozial­ab­bau, auf mas­sive Ein­brüche in der Wirtschaft? Nach­dem ihnen jahre­lang erk­lärt wurde, es sei mit den Banken jetzt alles in Ord­nung? Wenn sich her­ausstellt, dass diese Erk­lärun­gen gel­o­gen waren (das waren sie), und die Ver­hält­nisse hier bei uns sich in die Rich­tung entwick­eln, in die sie sich in Griechen­land, Spanien, Por­tu­gal etc. bere­its entwick­elt haben? Wenn nicht nur TTIP belegt, dass die Inter­essen der Banken und Konz­erne die einzi­gen sind, die ern­sthaft ver­folgt wer­den, son­dern ein weit­eres Mal die Staatskasse zur Banken­r­ret­tung verpfän­det wird? Wenn sich erweist, dass all das, was in den „Bad Banks“ liegt, das Papier nicht wert ist, auf das es (vielle­icht noch) gedruckt wurde?

Das kön­nte, das müsste unge­heuren Zorn auslösen.

Da dürfte es gele­gen kom­men, dass man den Not­stand schon mal vor­bere­itet hat, und dass ganz andere Dinge von diesen Ereignis­sen ablenken (und natür­lich ist der Griff nach der völ­li­gen Kon­trolle Europas nur möglich, solange eine größere Erschüt­terung der wirtschaftlichen Macht wie etwa ein Zusam­men­bruch der Deutschen Bank nicht einge­treten ist; auch hier gibt es einen gewis­sen Zeit­druck). Chaos im Umgang mit den Flüchtlin­gen wäre dann ger­adezu geboten; nur so wäre sichergestellt, dass sämtliche Teile einer möglichen Geg­n­er­schaft ander­weitig beschäftigt sind. Die deutsche Linke jeden­falls hat sich mit solcher Verve ins Kar­i­ta­tive gestürzt, dass sie min­destens für die näch­sten sechs Monate völ­lig aus dem Gefecht gezo­gen ist. Wenn es mor­gen kracht, ob bei der Deutschen Bank oder ander­swo, fände sich kaum mehr jemand, auch nur ein Flug­blatt dazu zu verteilen. Nicht ein­mal eine ern­stzunehmende Bewe­gung gegen die deutsche Poli­tik Syrien betr­e­f­fend ist zu sehen, auch wenn sie sich mor­gen ändern müsste, würde all die Energie, die in der „Willkom­men­skul­tur“ aufge­so­gen wird, darauf gewen­det, wenig­stens an diesem einen Punkt den Grund für die Flucht anzugehen.Weshalb auch Steyn­meyer ohne Hem­mungen die Wiener Gespräche damit kom­men­tieren kann, der Abgang Assads sei noch nicht geklärt.

Die Pres­se­texte zu diesen Gesprächen waren übri­gens über­aus enthül­lend; es gab wieder ein­mal einen Lieblingssatz aus irgen­deiner Agen­turmel­dung, den viele so wichtig fan­den, dass sie ihn über­nah­men: „In der nach acht­stündi­gen Beratun­gen her­aus­gegebe­nen Abschlusserk­lärung wird auf Drän­gen des Irans und Rus­s­lands aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, dass das syrische Volk – und nicht etwaige west­liche Inter­essen – über die Zukunft des Lan­des entschei­den sollten.“

Ein hüb­scher Satz übri­gens, weil er so selb­stent­lar­vend ist. Anscheinend hiel­ten es weder die west­lichen Vertreter bei diesen Gesprächen für nor­mal, dass das syrische Volk über die Zukunft seines Lan­des entschei­det, noch die Jour­nal­is­ten, die es müh­e­los schafften, diesen Satz ohne Magenkrämpfe in ihre Texte einzugliedern. Nor­mal ist eben, dass „west­liche Inter­essen“ entschei­den. Oder, wie es der por­tugiesis­che Präsi­dent Cavaco Silva kür­zlich for­mulierte, als er es ablehnte, ein linkes Bünd­nis die Regierung bilden zu lassen: „Im Rah­men meiner ver­fas­sungsmäßi­gen Befug­nisse ist es meine Pflicht, alles zu tun, damit keine falschen Sig­nale an die Finanzin­sti­tute, Inve­storen und Märkte gesandt werden.“

Ja, ver­glichen mit dieser hehren Pflicht sind Sor­gen um den Zus­tand der Demokratie natür­lich Kokolores.

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