Samstag, 23. Januar 2016

Die Stunde der Intriganten - GegenPohl – Eine Kolumne von Dirk Pohlmann

Die Stunde der Intriganten –
eine Groteske in 7 Akten mit 1,6 Promille

Erster Akt. In Köln kommt es an Silvester zu tätlichen Übergriffen eines Mobs von nordafrikanisch aussehenden Tätern auf weibliche Demonstranten. Das ist eine üble Sache. Einerseits an und für sich, andererseits, weil wahrheitsgemäße Berichterstattung darüber zum Karrierehindernis werden könnte. Die Regierungslinie passt einfach nicht zu den Ereignissen. Wahrscheinlich ist die Polizei beim Thema Flüchtlinge in der Breite nicht auf Regierungslinie, sondern eher auf Compact-Magazin-Kurs, aber in offenbar vorauseilendem Gehorsam gegenüber der gefühlten Regierungslinie beeilt sich die Polizeiführung, die Sachlage, wie sie Betroffene und Zeugen dargestellt haben, in Richtung der gewünschten Situation zu tunen. Alles so schön bunt an Silvester! Keine Probleme!


Zweiter Akt. Die Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, die über die Ereignisse berichten müssten, tun das erst mal nicht. Einerseits in ihrer Führungsebene wahrscheinlich aus ähnlichen Erwägungen des Karriereschutzes wie die Polizei, andererseits, weil der vorherrschende Ideologie-Konsens in den Anstalten dagegen steht. Der ist eher mitte-links-grün. Und auch die konservative Elite in ARD und ZDF, die auf dem Merkel-Ticket reist, interpretiert das Thema ähnlich wie das grüne Fußvolk. Da herrscht also ausnahmsweise Einigkeit. Nur die Spezialeinsatzkräfte der CSU in den Redaktionen haben ganz andere Ansichten. Aber sie sind in der Minderzahl. Die AfD kommt in keinem Rundfunkhaus vor, da muss niemand Angst haben oder sich Hoffnungen machen.

Die Rundfunkanstalten sind ja schließlich nicht die Lordsiegelbewahrer der Bevölkerungsmeinung, sondern die Lordsiegelbewahrer des Parteieneinflusses.

Außerdem: weil aus Erfahrung befürchtet wird, dass nach solchen Berichten Flüchtlingsunterkünfte brennen könnten, hält man sich eher zurück. So treffen Bedenken vor erwarteten Folgen auf eine starke politische Interessenlage. Ergebnis: Schweigen im Walde.

Dritter Akt. Weil Informationen sich zunehmend außerhalb der „Qualitäts“ Medien im Internet und in sozialen Netzwerken verbreiten, werden sowohl die sexuellen Massenübergriffe wie das mediale Schweigen im Walde zu Thema. Allen ist klar, dass da was schiefgelaufen ist. Nämlich: die Wahrheit kommt jetzt raus, Stück für Stück. Auch die Wahrheit, dass Polizeiberichte und Berichterstattung getunt wurden. Es gibt die Lügenpresse also wirklich? Sieht ganz so aus. Auf einmal ist Walpurgisnacht in Absurdistan. Ausgerechnet der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister Hans-Peter Friedrich bringt es so gut auf den Punkt, dass man ihn zitieren kann. Er sagt, die Aufgabe des Journalismus sei zu beschreiben, was wirklich passiere. „Und nicht zu filtern; was können wir der Bevölkerung zumuten und was nicht.“ Er hat verdammt recht.

Zur Erinnerung: das ist der gleiche Mann, dem zu Snowden und NSA-1984 nur einfiel, dass ihm „dieser Anti-Amerikanismus gehörig auf den Senkel“ gehe. Einerseits also messerscharfe Analyse, andererseits massive Realitätsverweigerung. Der Mann sollte Politiker werden. Ist er schon? Na dann…

Vierter Akt. Auf Attacken aus der Politik antworten TV-Chefredakteure gerne leicht verschnupft, so wie ARD-Chefredakteur Thomas Baumann: „Das Erste hat mehrfach unter Beweis gestellt, dass es auch aktuell mit Gesprächssendungen reagieren kann. Im konkreten Fall wäre das auch möglich gewesen, ist aber mit Bedacht nicht erfolgt und auch nicht sinnvoll – solange nicht einmal die Täter feststehen.“ Ganz genau. Sehr lobenswert. Aber stellen wir uns mal kurz experimentell vor, tausend Rechtsradikale hätten in Köln Jagd auf Ausländerinnen mit Kopftuch gemacht und ihnen in den Schritt gefasst, hätte das ZDF dann mit der gleichen rechtsstaatlichen Zurückhaltung reagiert?

Devot entschuldigte sich das ZDF in Gestalt seines stellvertretenden Chefredakteurs und NSA-BND-CIA-BKA-Experten Elmar Theveßen für das „Versäumnis der Heute-Redaktion“. Theveßen, dem keinesfalls eine Neigung zu investigativem Journalismus oder ausgeprägter Distanz zu Dreibuchstabenorganisationen vorgeworfen werden kann, sagte außerdem: „Es ist das Recht des Fernsehrates und seiner Mitglieder, das zu thematisieren.“ Wobei der Fernsehrat sicher keine Genehmigung von Theveßen braucht, eher umgekehrt.

Und die weitere Karriere des Fernsehrates ist sicher nicht von Elmar Theveßen abhängig, eher umgekehrt.

Fünfter Akt. Eine freie Journalistin des WDR redet im holländischen Rundfunk herum, als ob man als Journalist einfach so ungestraft die Wahrheit sagen könne und dürfe. „Wir sind ein öffentlich-rechtlicher Sender, das bedeutet, dass wir auf eine eher positive Art probieren, das Problem zu behandeln“ Auf die Frage, ob es Anweisungen gebe, wie zu berichten sei, antwortete sie: „Im Prinzip nicht, aber wir sind natürlich ein öffentlich-rechtlicher Sender, das heißt, es gibt verschiedene Kommissionen, die bestimmen, wie unser Programm aussehen muss. Und wir sind natürlich sehr wohl angewiesen, ein bisschen pro Regierung zu berichten.“ Und zu Merkels Regierungslinie: „Jetzt ist das gekippt, deshalb gibt es mehr kritische Stimmen zu hören, sowohl aus den öffentlich-rechtlichen Sendern, als auch aus der Politik.“

Eieieiei! So geht das natürlich nicht. Nach etwas Waterboarding, einem Aufenthalt im Nagelstudio (mit Kombizange) und etwas „enhanced contemplating“ ihrer Verdienstsituation mit Schlafentzug in ungeheizten Räumen, war die Kollegin dann schließlich bereit, öffentlich abzuschwören.

Es wird ihr nichts nützen, auch bei anderen stalinistischen Schauprozessen haben die Angeklagten immer gestanden – und wurden dann doch erschossen. Während also im Hintergrund der Live-Übertragung Experten der Glaubenskongregation des WDR ihre öffentliche Erniedrigung, Auspeitschung und anschließende Verbrennung auf dem Scheiterhaufen vorbereiten, um wenigstens die Seele der Kollegin vor dem Fegefeuer zu retten, sagt sie: „Ich habe an dieser Stelle Unsinn geredet. Unter dem Druck der Live-Situation in der Talkrunde habe ich totalen Quatsch verzapft. Mir ist das ungeheuer peinlich. Denn ich bin niemals als freie Journalistin aufgefordert worden, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen.“

Sechster Akt. Die AfD steht in Umfragen bei 10%. Das ist nicht schön. Überhaupt nicht. Gefällt mir auch nicht. Und außerdem widerspricht es der Regierungslinie! Was macht man da als öffentlich-rechtlicher Sender? Man sorgt dafür, dass niemand mit den Schmuddelkindern spricht. Man lädt sie aus der Elefantenrunde aus. Die FDP und die Linken dürfen auch nicht kommen. Nur die Harten kommen in den Fernsehgarten! Und so was fällt der SPD ein, der Partei Willy Brandts, den ich verehre – und wird unterstützt von einer grünen Partei, deren Mitglied ich einmal war. Die in den 80ern selbst das Schmuddelkind der Republik war, die mit den Nazis, mit Stalin, Pol Pot und was nicht alles vergleichen wurde, die im Zentralorgan des realexistierenden Wilhelminismus, der FAZ, als Untergang des Abendlandes dargestellt wurde.

Schon Henry Kissinger hatte ja anlässlich des Wahlsieges von Salvador Allende in Chile öffentlich darüber räsoniert, dass man nicht zusehen dürfe, wie unverantwortliche Wähler ein Land dem Kommunismus überantworteten. Er hat das Problem dann mit Pinochet, Folter, Leichenhaufen und einem Staatsstreich geregelt. (Wobei Sie aufpassen sollten, dass Sie sich beim Nachdenken darüber nicht den Zorn von „Friedrich dem Großen“, dem ehemaligen Innenminister zuziehen, wegen Anti-Amerikanismus und so.)

Das Verfassungsschutzorgan SWR/ARD mit seinem Erziehungsauftrag gegenüber der Bevölkerung sorgt jetzt also dafür, dass die unmündige Bevölkerung vor bösen und falschen Meinungen geschützt wird. Sonst wird die Anzahl der Falsch-Wähler vielleicht noch größer! Und weil ja das Staatsfernsehen den Auftrag hat, für eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung zu sorgen… – nein, sorry, das war ja der Auftrag des sowjetischen Staatsrundfunks, ich bringe da was durcheinander. Ist ja auch überhaupt nicht vergleichbar. Die Sowjets haben die Manipulation ja eher plump und mit brutaler Offenheit geregelt. Kein Vergleich mit dem Westen! Hier ist das viel geschickter, bunter, gefälliger in der Außenansicht, sozusagen ein verchromter Scheißhaufen statt eines stinkenden Scheißhaufens. So was kann man nicht vergleichen! Aber man könnte darüber nachdenken, ob Wähler, die falsch wählen, überhaupt wählen können dürfen sollten? Wenn sich doch einerseits die Qualitätsjournalisten des SWR, die Verfassungsschützer von SPD und die heiligen Grünen einig sind; wenn andererseits Gefahr im Verzug ist, dass ein/e potentieller RechtsterroristIn AfD wählen will, dann sollte man nicht warten, bis das Desaster eingetreten ist! „Wahlrecht nur für verantwortungsbewusste Wähler“, muss die Devise heißen!

Siebter Akt. Die CDU kündigt heute an, gerade eben, bei der SWR-Elefantenrunde nicht mitzumachen. Weil durch die skandalöse Einflussnahme des SWR die Staatsfreiheit des Rundfunks in Gefahr sei.

Ich bin den Tränen nahe. Das ich das noch erleben darf! Die CDU! Ausgerechnet! Hält aufrecht die Demokratie hoch! Rudert gegen den Strom! Gegen ihr eigenes Interesse, um der Sache willen! Beweist Rückgrat und Charakter, angesichts eines Mediensystems, dass sich in Sachen Berufsethik nur unwesentlich von einer Straßenprostituierten unterscheidet, die freiwillig für die Stasi als Denunziant arbeitet!

Wer hätte das gedacht… Brüder! Schwestern! Freunde! Wie konnte ich Euch nur so falsch einschätzen! Lasst uns gemeinsam die Marseillaise singen, die 3. Strophe des Deutschlandliedes und „Freude schöner Götterfunken“! Lasst Euch umarmen! Aus lauter Sentimentalität lege ich jetzt mal „Was wollen wir trinken, sieben Tage lang“ auf…

Aber was muss ich da als Begründung lesen? „In so einer Sendung ein Dreiparteienparlament abzubilden, käme zwar den Grünen entgegen, widerspräche aber den Realitäten jüngster Umfragen, die der SWR vorab ja selbst zum Maßstab der Auswahl erklärt habe. Aus unserer Sicht gehört die FDP ganz selbstverständlich in eine solche Sendung und wir stehen hier an der Seite unseres Wunschkoalitionspartners!“

Es ist schwer, keine Satire zu schreiben, hieß es im alten Rom. Mir ist es auch nicht gelungen, am Ende des Textes war der Drang übermächtig, die Satire-Inkontinenz war einfach nicht mehr aufzuhalten.

Wenn mich jemand sprechen will, ich bin auf dem Klo, kotzen. Nicht etwa, weil ich zu viel getrunken hätte. Das kommt erst, wenn ich mit dem Kotzen fertig bin.

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