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Montag, 7. Oktober 2024

Der gläserne Bürger 2.0: Vom Straßenprotest zum Mausklick

Erinnert sich noch jemand an die Volkszählungsproteste der 80er Jahre? Hunderttausende auf den Straßen, wütende Bürger, die ihre Privatsphäre verteidigten, Slogans wie "Meine Daten gehören mir!" An jeder Ecke. Das waren noch Zeiten, als die Deutschen für ihre Rechte auf die Barrikaden gingen!

Und heute? Das Bundesinnenministerium plant einen "Register-Zensus", der George Orwell vor Neid erblassen lassen würde. Aber wo sind die Proteste? Wo sind die empörten Massen? Verschwunden, wie unsere Privatsphäre im digitalen Zeitalter.

Big Brother is watching you - und er hat Verstärkung

Das neue Zensusgesetz ist ein Albtraum für jeden, der noch einen Funken Wertschätzung für Privatsphäre hat. Aber lassen Sie uns einen genaueren Blick darauf werfen, wer alles seine Finger in diesem Datentopf hat:

  1. Einwohnermeldeamt - Klar, die wissen eh schon alles.
  2. Deutsche Rentenversicherung - Damit auch ja kein Rentner dem Staat durch die Lappen geht.
  3. Alterssicherung der Landwirte - Weil Bauern bekanntlich die gefährlichsten Staatsfeinde sind.
  4. Versorgungswerke - Damit auch Anwälte, Ärzte und Co. brav erfasst werden.
  5. Bundesagentur für Arbeit - Wer arbeitslos ist, hat eh nichts zu verbergen, oder?
  6. Kraftfahrtbundesamt - Natürlich mit Fahrzeug- UND Führerscheinregister. Doppelt hält besser!
  7. Beamten-, Richter- und Soldaten-Abrechnungsstellen - Der Staat muss schließlich wissen, wie viel er seinen Dienern zahlt.
  8. Gesetzliche Unfallversicherung - Weil Ihre Arbeitsunfälle definitiv von nationalem Interesse sind.
  9. Kindergeldstellen - Die lieben Kleinen dürfen natürlich nicht fehlen.
  10. Und zu guter Letzt: Das Finanzamt - Als ob die nicht schon genug über uns wüssten.

Aber das ist noch nicht alles! All diese Daten werden zentral beim Statistischen Bundesamt gesammelt. Und weil das noch nicht genug ist, wollen sie auch noch Satellitenbilder und Luftaufnahmen dazupacken. Willkommen in der schönen neuen Welt der vollautomatischen Überwachung!

Was wollen die alles wissen?

Halten Sie sich fest, denn hier kommt die Liste der Daten, die über Sie gesammelt werden:

  1. Ihr Name (mit Doktortitel, falls vorhanden - wichtig für die Statistik!)
  2. Ihre Adresse (inklusive Geokoordinate - man weiß ja nie, wann man Sie per Drohne besuchen muss)
  3. Geburtsdatum, -ort und -staat (weil das Einwohnermeldeamt das ja nicht schon wüsste)
  4. Geschlecht (binär natürlich, wir sind ja nicht fortschrittlich)
  5. Staatsangehörigkeit (damit man weiß, wen man im Zweifel abschieben kann)
  6. Familienstand (weil Single-Statistiken für die nationale Sicherheit unerlässlich sind)
  7. Sterbedatum (falls Sie sich erdreisten sollten, während der Datenerhebung abzuleben)
  8. Ihre ID-Nummer (weil Namen so 20. Jahrhundert sind)
  9. Beruf (damit die Arbeitsämter auch ja wissen, welche Jobs sie Ihnen andrehen können)
  10. Bildungsstand (inklusive Noten und Fächer - weil Ihr Mathe-Abi von '95 hochrelevant ist)
  11. Satellitenaufnahmen von ihrem Wohnort dürfen auch nicht fehlen!

Und das Beste daran? Sie werden nicht einmal gefragt! Kein lästiger Papierkram, keine Möglichkeit "Nein" zu sagen.

Vom Widerstand zur Willfährigkeit

In den 80ern reichten Bürger über 1.000 Verfassungsbeschwerden ein. Heute? Schweigen im Walde. Das Bundesverfassungsgericht musste damals eingreifen und das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" etablieren. Heute scheint dieses Recht so relevant wie ein Faxgerät.

Die Kosten der Kontrolle

Aber keine Sorge, liebe Mitbürger! Diese wunderbare neue Form der Datensammelwut kostet uns nur schlappe 201,2 Millionen Euro. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass wir dafür unsere Privatsphäre loswerden! Wer braucht schon Schulen oder Krankenhäuser, wenn wir stattdessen mehr Beamte und eine aufgerüstete IT haben können?

Das Märchen vom Statistikgeheimnis

Und für alle Zweifler hat das Innenministerium beruhigende Worte parat: "Keine Sorge, alles unterliegt dem Statistikgeheimnis!" Wie beruhigend. Weil Daten ja noch nie gehackt, missbraucht oder "versehentlich" weitergegeben wurden. Niemals.

Fazit: Der Untergang des digitalen Abendlandes?

Von den Barrikaden zum Bildschirm, vom Widerstand zur Willfährigkeit - so sieht der "Fortschritt" aus. Während wir uns über die neuesten Social-Media-Trends aufregen, wird im Hintergrund der gläserne Bürger 2.0 erschaffen.

Vielleicht ist es an der Zeit, die alten Protestschilder aus dem Keller zu holen und sie digital aufzupolieren. Denn wenn wir jetzt nicht aufwachen, könnte es bald zu spät sein. Oder ist es das bereits?


 

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