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Sonntag, 13. Oktober 2024

Die Arbeit tun die anderen: Über den Klassenkampf und die Priesterherrschaft der Intellektuellen

In einer Zeit, in der der Begriff des Klassenkampfes oftmals als veraltet oder irrelevant abgetan wird, drängt sich eine Frage auf: Wer führt heute eigentlich diesen Kampf, und vor allem, wer profitiert davon? Die Antwort, so scheint es, hat sich vom klassischen Proletariat hin zu einer neuen Klasse von Intellektuellen verschoben, die ihre Macht nicht durch Muskelkraft, sondern durch das Monopol auf Wissen und Deutungshoheit ausübt. Diese "Priesterherrschaft der Intellektuellen", wie ich sie nennen möchte, scheint den alten Klassenkampf umgekehrt zu haben — zu ihren Gunsten.

Die Intellektuellen von heute agieren nicht mehr als die kritischen Denker, die sie einst zu sein vorgaben, sondern vielmehr als die neuen Hohepriester einer Ideologie, die sie selbst geschaffen haben. Ihre Dogmen sind nicht länger religiöser Natur, sondern entstammen einem subtileren System: dem Glauben an die absolute Vernunft, die Überlegenheit wissenschaftlicher Methodik und die moralische Überlegenheit ihrer eigenen Werte. Sie verkünden ihre Wahrheiten von ihren Kanzeln, seien es Universitäten, Medien oder die großen Technologiekonzerne, und diktieren, was als gesellschaftlich akzeptabel gilt und was nicht.

Dabei vollzieht sich ein bemerkenswerter Wandel im Selbstverständnis dieser neuen Herrscherklasse. Sie inszenieren sich als die edlen Verwalter des Fortschritts und der Menschlichkeit, während sie in Wahrheit ein System etablieren, in dem die tatsächliche Arbeit, das physische Schaffen und die Produktion, immer mehr entwertet wird. Die wirkliche Leistung, die harte körperliche Arbeit, die einst den Stolz des Arbeiters ausmachte, wird delegitimiert und durch ein undurchdringliches Geflecht aus Bürokratie, Technokratie und Theoriebildung ersetzt.

Schelsky beschrieb diesen Prozess als einen Wechsel von der realen zur symbolischen Ordnung der Macht. Die Intellektuellen haben den Platz der traditionellen Priester eingenommen, indem sie eine Welt der Abstraktionen geschaffen haben, in der sie allein sich zurechtfinden können. Begriffe wie "soziale Gerechtigkeit", "Inklusion" und "Nachhaltigkeit" werden zu sakralen Formeln erhoben, die das Handeln rechtfertigen und die Kritik mundtot machen. Diejenigen, die diese Begriffe infrage stellen oder ihren Sinn zu durchdringen versuchen, werden als Ketzer behandelt, die es aus der Gemeinschaft auszuschließen gilt.

Was wir hier erleben, ist eine neue Form des Klassenkampfes: ein Kampf zwischen denjenigen, die die Arbeit tun, und denjenigen, die sie durch ihre intellektuelle Macht steuern und kontrollieren. Doch der Kern dieses Konflikts ist unverändert geblieben: Es geht immer noch um Macht und um die Verteilung von Ressourcen, aber jetzt sind es nicht mehr die Kapitalisten gegen das Proletariat, sondern die Wissenseliten gegen die arbeitende Bevölkerung.

Diese Priesterherrschaft der Intellektuellen bedient sich einer Sprache, die nur sie selbst vollständig verstehen, und eines Regelwerks, das für die Mehrheit der Gesellschaft ein Rätsel bleibt. Sie regulieren, diktieren und steuern das gesellschaftliche Leben aus ihren Elfenbeintürmen, weit entfernt von der Realität der Menschen, die sie eigentlich vertreten sollten. Und während sie das tun, delegieren sie die eigentliche Arbeit immer weiter nach unten, zu denen, die sich nicht durch akademische Titel oder intellektuelle Fähigkeiten auszeichnen.

Doch was ist der Ausweg aus dieser intellektuellen Vorherrschaft? Vielleicht liegt er darin, den Mythos der Unfehlbarkeit der Intellektuellen zu durchbrechen und das wahre Wesen der Machtstrukturen, die sie errichtet haben, zu entlarven. Es braucht eine neue Generation von Denkern, die bereit sind, sich dem Diktat der Wissenselite zu entziehen und eine Brücke zurück zur realen, greifbaren Welt zu schlagen — einer Welt, in der die Arbeit wieder ihren Wert hat und nicht bloß die Arbeit, die andere tun.

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