Deliktart | 2014 | 2024 | Veränderung in % |
---|---|---|---|
Gesamtkriminalität | 196.033 | 176.641 | -9,9% |
Diebstahl | 84.722 | 53.021 | -37,4% |
Gewaltkriminalität | 4.178 | 5.335 | +27,7% |
Sexualdelikte | 1.439 | 2.822 | +96,1% |
Messerangriffe | 299 | 793 | +165,2% |
Wer mit Statistiken täuscht: Wie die PKS 2024 schöngerechnet wird
"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast." Dieses Bonmot gewinnt besondere Brisanz, wenn wir beobachten, wie die jüngst veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 in der öffentlichen Debatte präsentiert wird.
Werner Koller, ein Ökonom mit beachtlicher Reichweite, verbreitet aktuell eine Interpretation der PKS, die den Eindruck erweckt, wir lebten in einer kontinuierlich sicherer werdenden Gesellschaft. Seine Methode ist dabei so geschickt wie irreführend: Er vergleicht die heutigen Zahlen mit denen der frühen 1990er Jahre – einer Zeit des historischen Umbruchs mit außergewöhnlich hohen Kriminalitätsraten nach der Wiedervereinigung.
Diese Taktik ist perfide, denn sie operiert mit faktisch korrekten Zahlen, die dennoch ein verzerrtes Bild erzeugen. Es ist, als würde ein Arzt einem Patienten mit steigendem Fieber sagen: "Machen Sie sich keine Sorgen, Ihre Körpertemperatur ist immer noch niedriger als während Ihrer Malaria vor 30 Jahren."
Betrachtet man stattdessen die Entwicklung der letzten zehn Jahre seit 2014, zeichnet sich ein alarmierendes Bild: Die Gewaltkriminalität ist um fast 28% gestiegen, Sexualdelikte haben sich nahezu verdoppelt (+96%), und Messerangriffe haben dramatisch zugenommen. Diese mittelfristige Verschlechterung verschwindet in Kollers Narrativ vollständig.
Besonders beunruhigend: In Brandenburg nahmen 2024 die Fälle häuslicher Gewalt um 7,4% zu, Körperverletzungen stiegen um 2,9%, und Waffendelikte um beachtliche 11,5%. Doch statt diese besorgniserregenden Entwicklungen zu thematisieren, lenkt Koller den Blick auf den Gesamtrückgang – der hauptsächlich durch die Teillegalisierung von Cannabis und weniger Eigentumsdelikte zustande kommt.
Die Verantwortung einer seriösen Analyse besteht darin, das vollständige Bild zu zeichnen – mit Licht und Schatten. Wer hingegen statistische Tricks anwendet, um gesellschaftliche Problemfelder zu verharmlosen, leistet der notwendigen Debatte über Sicherheitspolitik einen Bärendienst.
Im folgenden Beitrag nehme ich die PKS 2024 unter die Lupe und zeige, warum eine ehrliche Betrachtung sowohl positive als auch negative Entwicklungen berücksichtigen muss.
Die kürzlich veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2024 für Brandenburg sorgt wie jedes Jahr für Diskussionen. In sozialen Medien kursieren bereits Interpretationen, die ein recht einseitiges Bild zeichnen - wie etwa der selektiv positive Aspekte hervorhebt und problematische Entwicklungen kaum thematisiert.
Was eine ehrliche Analyse zeigen muss
Eine ausgewogene Betrachtung der PKS muss sowohl positive als auch negative Entwicklungen berücksichtigen. Hier ist eine faire Bilanz der Kriminalitätsentwicklung in Brandenburg:
Positive Entwicklungen
- Allgemeiner Kriminalitätsrückgang: Die Gesamtkriminalität ging um 5,2% zurück, bei Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße sogar um 6,3%.
- Verbesserung der Aufklärungsquote: Die Aufklärungsquote stieg auf 58,4% (Vorjahr: 57,8%).
- Deutlicher Rückgang bei Eigentumsdelikten:
- Diebstähle: -9,7% (5.716 Fälle weniger)
- Wohnungseinbruchdiebstahl: -14,7%
- Diebstahl an/aus Kraftfahrzeugen: -15,0%
- Fahrraddiebstahl: -16,8%
- Rückgang bei Rauschgiftkriminalität: -37,0% (2.834 Fälle weniger), insbesondere bei Cannabis-Delikten (-57,7%)
- Rückgang bei Vermögens- und Fälschungsdelikten: -8,5% (2.132 Fälle weniger)
- Tankbetrug: -29,2%
- Warenbetrug: -12,4%
- Rückgang bei Raub und räuberischer Erpressung: -12,4% (160 Fälle weniger)
Negative Entwicklungen
- Zunahme bei ausländerrechtlichen Verstößen: +4,8% (906 Fälle mehr)
- Unerlaubte Einreise: +17,4%
- Unerlaubter Aufenthalt nach erlaubter Einreise: +33,3%
- Anstieg bei Gewaltdelikten:
- Körperverletzung: +2,9% (478 Fälle mehr)
- Gefährliche und schwere Körperverletzung: +6,5%
- Nötigung: +5,0%
- Zunahme bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit: +3,3% (322 Fälle mehr)
- Anstieg bei Bedrohungen: +1,8% (104 Fälle mehr)
- Zunahme bei Waffendelikten: +11,5% (216 Fälle mehr)
- Mehr Fälle von Sachbeschädigung auf Straßen: +28,5% (918 Fälle mehr)
- Messerangriffe: Zunahme um 113 Fälle auf 793 Fälle (+16,6%)
Was an der selektiven Darstellung problematisch ist
Der erwähnte Beitrag von Werner Koller präsentiert ein beschönigtes Bild, indem er:
- Den Cannabis-Effekt nicht klar benennt: Der Rückgang der Gesamtkriminalität wird wesentlich durch die Teillegalisierung von Cannabis beeinflusst. Ohne diesen Gesetzeseffekt wäre das Bild deutlich anders.
- Die zunehmende Gewaltkriminalität verharmlost: Während Eigentumsdelikte zurückgehen, steigen Gewaltdelikte deutlich an – ein Trend, der mehr Aufmerksamkeit verdient.
- Messerangriffe ignoriert: Der beunruhigende Anstieg von Messerangriffen um 16,6% wird komplett ausgeblendet.
- Häusliche Gewalt nicht thematisiert: Die Zunahme von häuslicher Gewalt um 7,4% auf 6.790 Fälle bleibt unerwähnt.
- Irreführende historische Vergleiche: Koller schreibt wörtlich: "Vor allen von 1990 (Beginn der gesamtdeutschen Statistik) bis 2005 gab es erheblich mehr Straftaten und auch Gewaltdelikte als derzeit." Diese Aussage ist zwar faktisch korrekt, aber statistisch irreführend:
Nach der Wiedervereinigung erlebte Deutschland einen historischen Kriminalitätsanstieg durch die gesellschaftlichen Umbrüche - ein Vergleich mit dieser Ausnahmezeit verschleiert die aktuelle Entwicklung. Es ist, als würde man sagen "Die Wirtschaft steht besser da als direkt nach dem Mauerfall" - eine wahre, aber wenig aussagekräftige Feststellung.
Betrachtet man stattdessen einen aussagekräftigeren mittelfristigen Vergleich mit 2014 (einem "normalen" Jahr ohne besondere historische Ausnahmesituation), zeigt sich ein alarmierendes Bild:
- Gewaltkriminalität: 2014: 4.178 Fälle → 2024: 5.335 Fälle (+27,7%)
- Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 2014: 1.439 Fälle → 2024: 2.822 Fälle (+96,1%)
- Messerangriffe haben sich seit 2014 mehr als verdoppelt
Fazit: Die ganze Wahrheit betrachten
Die PKS 2024 zeigt ein differenziertes Bild: Während klassische Eigentumsdelikte zurückgehen, steigt die Gewaltkriminalität in vielen Bereichen. Besonders besorgniserregend sind die Zunahmen bei Messerangriffen, Körperverletzungsdelikten und häuslicher Gewalt.
Eine verantwortungsvolle Diskussion über die Sicherheitslage sollte beide Seiten der Entwicklung berücksichtigen – die positiven Trends anerkennen, aber auch die negativen Entwicklungen ernst nehmen und nach Lösungen suchen, statt sie durch selektive Darstellung zu verharmlosen.
Die Kriminalstatistik ist kein Instrument für politische Deutungshoheit, sondern eine Datengrundlage für eine sachorientierte Sicherheitspolitik. Sie verdient eine ehrliche und vollständige Analyse.
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