Politische Demaskierung eines radikal-aristokratischen Philosophen: Domenico Losurdo hat mit seinem Zweibänder über Nietzsche eine Forschungsarbeit vorgelegt, die neue Maßstäbe setzt
Lob der Sklaverei
Das alles ist für Nietzsche-Kundige nicht neu. Neu ist gleichwohl der von Domenico Losurdo in seinem gewaltigen Rekonstruktionswerk geleistete Nachweis, daß es sich zum einen um eine allen (wie immer unterschiedlichen) Entwicklungsetappen des Nietzscheschen Denkens zugrunde liegende Matrix handelt, zum anderen aber – und das dürfte gravierender sein –, daß es Nietzsche todernst ist mit seiner normativ gerechtfertigten, zutiefst repressiven Weltschau.Bekannt ist sein Postulat, daß die niederen Massen (letztlich der allergrößte Teil der Gesellschaft) schuften sollen, damit eine auserwählte Herrenelite ohne Arbeit und mit Muße Kultur schaffen und herrschen kann. Weniger bekannt ist hingegen, daß er dabei der Sklaverei mit dezidierter begrifflicher Verve das Wort redete; daß er zur radikalen Eugenik, bis hin zum partiellen Genozid aufrief; daß er dabei mitnichten nur kulturell argumentierte, sondern teilweise einem kruden Biologismus verfiel, und vieles mehr, das man, selbst als erprobter Nietzsche-Leser, mit einiger Bestürzung zur Kenntnis nimmt.