"Bahnfahren ist immer eine Grundübung in Demokratie"
Warum haben
die Deutschen so ein gestörtes Verhältnis zur Bahn? Der Psychologe
Stephan Grünewald sagt: Es liegt an ihrer Anspruchshaltung.
ZEIT ONLINE: Gibt es somit ein gefühltes Menschenrecht auf Beförderung?
Grünewald:
Zumindest ein Gewohnheitsrecht: Erst wurden wir im Mutterleib kostenlos
befördert, dann im Kinderwagen, danach hatten wir elterliche
Chauffeure. Diese Anspruchshaltung überträgt sich ganz gewiss auf die
Bahn.
Grünewald: Sicherlich. Sie wird sozusagen als staatliche
Institution angesehen und damit ist sie fast schon ein persönlicher
Besitzstand der Menschen. Unbewusst werden dann noch
Beförderungsansprüche transportiert, die wir hatten, als wir noch
nicht selbst fahren konnten. Werden diese nicht erfüllt, erleben wir
das als persönliche Zurücksetzung. Da regiert weder Vernunft noch
Verständnis: Zum Autonomieverlust gesellt sich dann das Gefühl, nicht
geliebt zu werden.
https://www.zeit.de/mobilitaet/2021-05/stephan-gruenewald-deutsche-bahn-auto-mobilitaet-demokratie-soziologie
Stephan Grünewald
ist
Psychologe und Mitbegründer des rheingold Instituts. Mit seinen
Kollegen führt er jedes Jahr mehr als 5.000 Tiefeninterviews zu
aktuellen Fragen aus Markt, Medien und Gesellschaft durch. Der
"Seelenforscher der Nation" (db mobil) schrieb Bücher wie "Deutschland
auf der Couch" oder "Wie tickt Deutschland".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen