Als Mieter einer dieser 33.000 bayerischen Wohnungen, die 2013 privatisiert wurden, erlebe ich täglich die Konsequenzen eines der größten politischen Vertrauensbrüche der jüngeren Geschichte. Unsere Geschichte ist die Geschichte von Tausenden bayerischer Familien, die dreifach zur Kasse gebeten wurden.
Was in Bayern wirklich geschah
Es begann mit einer Lüge. 2013 verkündete der damalige bayerische Finanzminister Markus Söder, man müsse die GBW-Wohnungen verkaufen – die EU hätte es so angeordnet. 33.000 Wohneinheiten, darunter auch meine, wurden an private Investoren verscherbelt.
Die Wahrheit, die später ein Untersuchungsausschuss ans Licht brachte: Die EU hatte keineswegs den Verkauf an Private gefordert. Es hätte Alternativen gegeben. Doch die wurden bewusst ignoriert.
Meine Wohnung, meine Geschichte
Ich wohne in einem dieser Gebäude aus den 1960er Jahren. 20 Wohneinheiten, die jahrzehntelang genossenschaftlich organisiert waren. Wir Mieter haben diese Wohnungen längst komplett bezahlt – Kredit, Zinsen, alles. Tatsächlich waren die Gebäude bereits seit etwa 1980 vollständig finanziert und abbezahlt. Das heißt, über 30 Jahre vor dem Verkauf 2013 waren diese Wohnungen schuldenfrei und hätten zu minimalen Kosten vermietet werden können.
Stattdessen flossen unsere Mieten Jahrzehnte in andere Projekte. Die Landesregierung nutzte unser bezahltes Eigentum als Geldquelle, nahm immer neue Kredite darauf auf und zweckentfremdete die Einnahmen. Über drei Jahrzehnte haben wir also nicht nur die Wohnungen finanziert, sondern auch noch zahlreiche andere Haushaltslöcher gestopft.
Die brutale Realität hinter der Renditelüge
Wenn in Talkshows wie bei Lanz von "nur 2% Rendite" für Vermieter gefaselt wird, kann ich nur bitter lachen. Die Wahrheit sieht so aus:
- Wir Mieter haben diese Gebäude komplett bezahlt
- Die Landesregierung hat sie verkauft und den Erlös eingesteckt
- Die neuen Eigentümer lassen sie verfallen
- Und wir zahlen jetzt noch mehr als zuvor
In meinem Fall ist die Situation besonders absurd: Unser Gebäude verfällt seit mindestens 18 Jahren vor sich hin. Die Substanz wird von Jahr zu Jahr schlechter. Und trotzdem steigt die Miete.
Der Verrat am Bürger
Was mich am meisten empört: Die Landesregierung hat diese Wohnungen hinter unserem Rücken mehrfach belastet. Sie hat Kredite aufgenommen und das Geld zweckentfremdet. Und als das nicht mehr ging, hat sie unsere Wohnungen verkauft – ohne uns auch nur zu fragen.
Dabei steht die Regierung in unserem Dienst! Wir sind der Souverän, nicht umgekehrt. Diese Wohnungen gehörten uns allen. Sie wurden mit unserem Geld gebaut und bezahlt.
Der Verkauf war ein Diebstahl am Volksvermögen. Ein Diebstahl, für den wir Mieter nun vierfach bezahlen:
- Wir haben die Wohnungen bereits in den 1980er Jahren komplett bezahlt
- Jahrzehntelang haben wir mit unseren Mieten weitere Kredite getilgt, die die Landesregierung auf unsere Gebäude aufgenommen hat
- Der Verkaufserlös wurde uns vorenthalten
- Jetzt zahlen wir durch überhöhte Mieten die neuen Kredite ab, die der Investor für den Kauf unserer eigenen Wohnungen aufgenommen hat
Der Kreislauf beginnt von vorne: Wieder finanzieren wir Mieter fremde Kredite für Wohnungen, die wir bereits bezahlt haben. Die einzigen, die dabei gewinnen, sind Banken und Investoren. Wir zahlen nun zum vierten Mal für dieselben vier Wände."
Was wäre möglich gewesen
Hätte man diese Wohnungen nicht verscherbelt, könnten wir heute für einen Bruchteil der aktuellen Miete wohnen. Das Geld würde für Instandhaltung, Rücklagen und Verwaltung reichen – nicht mehr, nicht weniger.
Stattdessen sitzen wir in schlecht isolierten, verfallenden Gebäuden und zahlen überhöhte Mieten an Investoren, die das absolute Minimum in die Instandhaltung stecken.
Die Rendite der anderen
Die wahren Gewinner dieses Deals waren:
- Die Landesregierung, die kurzfristig ihre Bilanzen aufhübschen konnte
- Die Investoren, die nun monatlich Rendite aus Gebäuden ziehen, die sie nie finanziert haben
- Die Banken, die neue Kredite auf bereits bezahlte Immobilien vergeben konnten
Die Verlierer sind wir Mieter. Menschen, die oft seit Jahrzehnten in diesen Wohnungen leben und sie durch ihre Mietzahlungen längst finanziert haben.
Ein persönliches Fazit
Ich bin kein Politiker und kein Wirtschaftsexperte. Ich bin einfach ein Mieter, der erlebt, wie das System uns systematisch ausplündert.
Die Geschichte unserer Wohnungen ist die Geschichte eines dreifachen Betrugs: Erst wurden wir um die Früchte unserer Zahlungen gebracht, dann um unser gemeinschaftliches Eigentum, und schließlich werden wir durch überhöhte Mieten ein drittes Mal zur Kasse gebeten.
Wenn ich heute in meiner kaum beheizten Wohnung sitze, mit Blick auf die bröckelnde Fassade, die seit 18 Jahren auf eine Sanierung wartet, dann frage ich mich: Ist das der Rechtsstaat, auf den wir so stolz sind? Ein System, in dem das Eigentum der Bürger unter falschen Vorwänden verscherbelt wird?
Eines ist sicher: Wir wurden betrogen. Und es wird Zeit, dass wir uns dagegen wehren.
Die verpasste Chance: Was wäre möglich gewesen?
Die 33.000 GBW-Wohnungen waren seit etwa 1980 abbezahlt. Hätte Bayern sie behalten, wären aus den Mieteinnahmen der letzten 45 Jahre geschätzt 3-4 Milliarden Euro für Investitionen verfügbar gewesen - nach Abzug aller Kosten für Instandhaltung und Verwaltung.
Damit hätte man:
- Alle Wohnungen energetisch sanieren können
- Etwa 12.000 zusätzliche bezahlbare Wohnungen bauen können
- Einen Gesamtbestand von über 45.000 Wohnungen aufbauen können
Der geschätzte Wert dieses öffentlichen Wohnungsbestands läge heute bei über 11 Milliarden Euro - mehr als das Vierfache des Verkaufserlöses von 2,5 Milliarden Euro.
Das ist der wahre Skandal: Statt eines einmaligen Haushaltseffekts hätte Bayern ein dauerhaftes Instrument gegen Wohnungsnot schaffen können. Ein sich selbst finanzierender Bestand bezahlbarer Wohnungen für fast 100.000 Menschen.
Die politischen Entscheidungsträger haben nicht nur uns Mieter betrogen, sondern auch künftige Generationen um ihr Erbe gebracht.
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