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Freitag, 14. März 2025

Die selbsternannte Intelligenzija: Bildungselite oder Systemsöldner?

 

In den Salons der digitalen Welt, besonders auf Plattformen wie LinkedIn, tummelt sich eine Spezies, die sich selbst als gebildete Elite versteht – die moderne Intelligenzija. Ausgestattet mit akademischen Titeln, Fachbegriffen und einem unerschütterlichen Glauben an die eigene intellektuelle Überlegenheit blicken sie auf die "ungebildeten Massen" herab und erklären uns, warum echte Demokratie gefährlich sei.

Die "Bildung" als Systemtreue

"Direkte Demokratie scheint keine Lösung zu sein, wenn die Hälfte der Bevölkerung politisch ungebildet ist." Solche Sätze fallen mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit aus den Mündern jener, die glauben, sie selbst hätten den Durchblick. Doch was verstehen sie eigentlich unter "politischer Bildung"?

Es ist eine seltsame Form von "Bildung", die sie da predigen – eine, die vorgegebene Denkmuster reproduziert, Systemkritik als Verschwörungstheorie abtut und die bestehenden Machtverhältnisse als unveränderlich akzeptiert. Echte Bildung würde bedeuten, über den Tellerrand zu schauen, historische Muster zu erkennen und kritisches Denken zu kultivieren. Stattdessen verwechseln sie Fachkenntnis mit Weisheit und akademische Abschlüsse mit Erkenntnis.

Die Söldner aus den Wissenschaftstempeln

Jahr für Jahr entlassen unsere Universitäten – diese modernen Tempel der Konformität – neue Heerscharen von hochspezialisierten Fachidioten in die Welt. Sie haben gelernt, innerhalb enger Denksysteme zu funktionieren, komplexe Fachbegriffe zu benutzen und eine beeindruckende Menge an Detailwissen anzuhäufen. Was ihnen fehlt, ist die Fähigkeit, dieses Wissen in einen größeren Kontext zu stellen oder die Grundannahmen ihrer Disziplinen zu hinterfragen.

Die Juristen glauben, das Recht sei neutral und objektiv, während sie die Machtinteressen übersehen, die es formen. Die Ökonomen sprechen von "Marktgesetzen" wie von Naturgesetzen, ohne die politischen Entscheidungen dahinter zu benennen. Die Politikwissenschaftler diskutieren endlos über Verfahrensfragen, während sie die ökonomischen Grundlagen politischer Macht ignorieren.

Diese akademisch Ausgebildeten werden zu Söldnern eines Systems, das sie nicht durchschauen. Sie verteidigen es mit den intellektuellen Waffen, die ihnen dieses System selbst in die Hand gedrückt hat.

Die Verachtung demokratischer Grundprinzipien

Was besonders aufstößt, ist die kaum verhüllte Verachtung für echte demokratische Mitbestimmung. Die selbsternannte Intelligenzija schaudert bei dem Gedanken, dass "gewöhnliche Menschen" über wichtige Fragen abstimmen könnten. Sie haben unzählige Argumente parat, warum Volksentscheide gefährlich seien, warum Experten (wie sie selbst) besser entscheiden könnten, warum der Status quo alternativlos sei.

Diese Haltung offenbart ein tiefes Misstrauen gegenüber dem demokratischen Grundgedanken: dass die Souveränität beim Volk liegt. Stattdessen propagieren sie eine technokratische Vision, in der Experten und "Gebildete" die Entscheidungen treffen – zufälligerweise genau jene Experten, die in den bestehenden Machtstrukturen bereits privilegierte Positionen innehaben.

Die Illusion der eigenen Unabhängigkeit

Das Tragische an diesen selbsternannten Intellektuellen ist, dass sie sich für unabhängige Denker halten, während sie in Wirklichkeit nur jene Gedanken reproduzieren, die man ihnen beigebracht hat. Sie sind gefangen in einem intellektuellen Hamsterrad, das sie für eine Aussichtsplattform halten.

Wer hat ihnen beigebracht, was "politische Bildung" bedeutet? Wer definiert, welche Argumente "seriös" sind und welche nicht? Wer entscheidet, welche Themen im akademischen Diskurs überhaupt behandelt werden dürfen?

Die Antwort ist unbequem: Es sind dieselben Systeme und Institutionen, die von der bestehenden Ordnung profitieren. Die Universitäten, die von Wirtschaftsinteressen durchdrungen sind. Die Stiftungen und Think Tanks, die von denselben Geldgebern finanziert werden, deren Interessen sie angeblich kritisch untersuchen sollen. Die Karrierepfade, die Anpassung belohnen und Abweichler marginalisieren.

Die Bekämpfung echten kritischen Denkens

Wer dennoch versucht, über den Tellerrand hinauszuschauen, wer unbequeme historische Kontinuitäten aufzeigt oder Machtstrukturen benennt, die nicht im Lehrbuch stehen, wird rasch in die Schranken gewiesen. Die Methoden sind vielfältig: Diskreditierung durch Etikettierung ("Verschwörungstheoretiker", "unseriös", "unwissenschaftlich"), Ausschluss aus dem Diskurs oder schlicht Ignorieren unbequemer Fakten.

Es ist eine perfide Form der Zensur, die nicht durch offene Verbote, sondern durch die Definition dessen funktioniert, was als "seriös" und "diskussionswürdig" gilt. Die selbsternannte Intelligenzija ist dabei oft nicht Täter, sondern Werkzeug – sie hat die Spielregeln verinnerlicht und wendet sie nun auf andere an.

Die Wahrheit über "Bildung"

Goethe wusste bereits: "Man muß das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse, in Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten. Überall ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist."

Diese Erkenntnis hat heute erschreckende Aktualität. Die heutige "Bildung" ist weitgehend das, was die ökonomische Macht braucht, nicht mehr und nicht weniger. Sie formt Menschen, die komplex genug denken können, um nützlich zu sein, aber nicht kritisch genug, um gefährlich zu werden. Der Irrtum wird tatsächlich "auf Schulen und Universitäten" gepredigt und ist "überall obenauf" – von den Lehrplänen bis zu den Qualifikationskriterien für akademische Karrieren.

Wirkliche Bildung würde bedeuten, die Geheimhaltung in Frage zu stellen, die umgeschriebene Geschichte zu hinterfragen, die unzugänglichen Daten einzufordern. Sie würde bedeuten, die grundlegenden Strukturen unserer angeblichen Demokratie zu analysieren, die in Wahrheit einer Timokratie – einer Herrschaft des Geldes – weit näher kommt als einem System, in dem die Souveränität tatsächlich beim Volk liegt.

Fazit: Die Überheblichkeit der Halbgebildeten

Was wir auf LinkedIn und ähnlichen Plattformen erleben, ist nicht die Weisheit einer echten Bildungselite, sondern die Überheblichkeit der Halbgebildeten. Menschen, die genug gelernt haben, um komplexe Fachbegriffe zu benutzen, aber nicht genug, um zu erkennen, wie begrenzt ihr eigener Horizont ist. Die genugsam ausgebildet wurden, um als Werkzeuge zu funktionieren, aber nicht genug, um ihre eigene Rolle im System zu hinterfragen.

Diese selbsternannte Intelligenzija ist nicht die Lösung für unsere demokratischen Defizite – sie ist ein Teil des Problems. Ihre Verachtung für echte demokratische Mitbestimmung, ihre blinden Flecken gegenüber Machtstrukturen und ihre Unfähigkeit zur echten Systemkritik machen sie zu unfreiwilligen Komplizen jener Kräfte, die sie zu verstehen glauben.

Wären sie wenigstens in der Lage zu sagen "Ich weiß, dass ich nichts weiß" – wie es der alte Sokrates tat – wären sie schon einen entscheidenden Schritt weiter. Doch diese sokratische Demut ist genau das, was ihnen fehlt. Stattdessen verwechseln sie ihre begrenzte Fachkenntnis mit umfassender Weisheit und maßen sich an, über die "Ungebildeten" zu urteilen.

Wahre Bildung beginnt mit Demut und dem Eingeständnis der eigenen Begrenztheit. Etwas, das den selbsternannten Intellektuellen auf LinkedIn offenbar schwerfällt.


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