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Donnerstag, 8. Mai 2025

Die Fabrikation des Extremismus: Warum selektive Zitatsammlungen den politischen Diskurs vergiften

 

In der politischen Arena unserer Zeit hat sich eine besonders perfide Methode etabliert: Die systematische Sammlung von Zitaten, um politische Gegner als radikal oder extremistisch zu brandmarken. Was auf den ersten Blick wie sorgfältige Dokumentation erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als klassisches Werkzeug politischer Agitation.

Die Methode des "Cherry-Picking"

Das Grundprinzip ist simpel: Man sammle über Jahre hinweg isolierte Aussagen verschiedener Personen einer politischen Gruppierung, reiße sie aus ihrem Kontext und präsentiere sie gebündelt als "Beweis" für eine extremistische Grundhaltung. Diese Methode funktioniert in alle Richtungen – egal ob links, rechts oder Mitte.

Das Perfide daran: Mit genügend Material lässt sich praktisch jede Gruppierung als radikal darstellen. Es ist ein rhetorischer Taschenspielertrick, der nicht auf inhaltliche Auseinandersetzung, sondern auf Stigmatisierung abzielt.

Beispiele gefällig? Hier eine kleine Auswahl aus dem Arsenal etablierter Politik

Schauen wir uns an, was alles gesagt wurde:

  • Peter Ramsauer (CSU): "Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein." (über Wirtschaftsflüchtlinge)
  • Helmut Schmidt (SPD): "Wir können nicht mehr Ausländer verdauen. Das gibt Mord und Totschlag."
  • Boris Palmer (Grüne): Äußerte, dass die "Hälfte der Geflüchteten nicht arbeitet und von Stütze lebt."
  • Joachim Hermann (CSU): "Straftätern mit doppelter Staatsbürgerschaft muss die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden."
  • Nancy Faeser (SPD): Forderte angeblich, "Clanmitgliedern, die selbst keine Straftaten begangen haben, muss die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden, wenn andere Familienmitglieder straffällig geworden sind."
  • Wolfgang Schäuble (CDU): "Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe."
  • Peter Ramsauer (CSU): "Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein." (Vergleicht Wirtschaftsflüchtlinge mit Ungeziefer)
  • Helmut Schmidt (SPD): "Wir können nicht mehr Ausländer verdauen. Das gibt Mord und Totschlag."
  • Professor Dr. Gunnar Heinsohn: "Man muss der Unterschicht den Hahn zudrehen, denn nur ein ungeborenes Kind aus diesem Milieu ist auch ein gutes Kind. Es schlägt auch keinem einen Baseballschläger über den Kopf."
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Verglich in "widerlicher und menschenverachtender Weise Menschen mit Schmeißfliegen."
  • Wolfgang Schäuble (CDU): "Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe." (Impliziert, dass ohne Migration "Inzucht" droht)
  • Georg Kronawitter (SPD): Warnte in den 1990er-Jahren vor einem "Volksaufstand" wegen der Asylfrage.
  • Thilo Sarrazin (ehemals SPD): "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."
  • Alexander Dobrindt (CSU): Forderte eine "Abschiebekultur" und warnte: "Asyl darf nicht missbraucht werden, um in unsere Sozialsysteme einzuwandern."

 

Würde man diese und ähnliche Aussagen in einem Dokument zusammenstellen, mit roter Schrift und dramatischen Überschriften versehen – voilà, fertig wäre die "Dokumentation extremistischer Tendenzen" bei etablierten Parteien.

Bei Franz Josef Strauß, Herbert Wehner oder Peter Gauweiler würde man noch deutlicher fündig. Eine ähnliche Sammlung ließe sich für jede Partei, jeden Verband, ja selbst für Kirchen oder Kultureinrichtungen erstellen.

Der Unterschied zwischen Analyse und Agitation

Was unterscheidet nun echte politische Analyse von solcher Agitation?

  1. Kontextualisierung: Seriöse Analyse betrachtet Aussagen in ihrem historischen und situativen Kontext.
  2. Repräsentativität: Einzelaussagen werden nicht als repräsentativ für ganze Gruppen dargestellt.
  3. Symmetrie der Bewertungsmaßstäbe: Dieselben kritischen Maßstäbe werden auf alle politischen Richtungen angewendet.
  4. Differenzierung: Unterschiedliche Positionen innerhalb einer Gruppierung werden wahrgenommen und nicht zu einem monolithischen Feindbild verschmolzen.

 

Die Vergiftung des demokratischen Diskurses: Preparatas Analyse

Der Ökonom und Philosoph Guido Giacomo Preparata analysiert in seinem wegweisenden Werk "Die Ideologie der Tyrannei: Neognostische Mythologie in der amerikanischen Politik" genau diese Mechanismen der diskursiven Machtausübung. Preparata entlarvt, wie bestimmte intellektuelle Strömungen Techniken der Stigmatisierung und Ausgrenzung entwickelt haben, die heute als standardisierte Methoden in der politischen Auseinandersetzung dienen.

Preparata zeigt auf, wie durch die Konstruktion politischer Mythologien nicht Wahrheitsfindung, sondern Machtsicherung betrieben wird. Diese Technik – die häufig aus dem akademisch-linken Milieu stammt, inzwischen aber in allen politischen Lagern Anwendung findet – nutzt pseudowissenschaftliche "Dokumentationen", um unliebsame Meinungen zu diskreditieren und deren Vertreter als gefährlich zu brandmarken.

Die vermeintlich neutralen "Dokumentationen" extremistischer Tendenzen sind in Wahrheit hochgradig selektive Konstrukte, die gezielt darauf abzielen, bestimmte Akteure aus dem legitimen politischen Diskurs auszuschließen, indem man sie als "untragbar" markiert. Dies geschieht nicht durch Widerlegung ihrer Argumente, sondern durch ihre moralische Disqualifikation als Person oder Gruppe.

Fazit: Zeit für einen aufgeklärten Diskurs

Eine lebendige Demokratie braucht sachliche Auseinandersetzung statt gegenseitiger Dämonisierung. Statt Zitatsammlungen zur Diskreditierung politischer Gegner benötigen wir eine Diskussionskultur, die auf inhaltliche Argumente setzt.

Die Methode, einzelne Aussagen aus verschiedenen Quellen und Zeiten zu sammeln und zu einem Schreckbild zu komponieren, ist keine Aufklärung – sie ist ein Symptom für den Verfall politischer Kultur. Sie funktioniert in alle Richtungen und trifft heute diese, morgen jene Partei.

Wer den demokratischen Diskurs ernst nimmt, sollte sich nicht an solchen Spielen beteiligen, sondern für eine Politik eintreten, die auf Inhalte statt auf Etikettierungen setzt.


Dieser Blogbeitrag ist ein Plädoyer für einen differenzierteren Umgang mit politischen Äußerungen und gegen die Instrumentalisierung selektiver Zitatesammlungen zur politischen Stigmatisierung – unabhängig davon, gegen welche politische Richtung sie sich richtet.


Dieser Blogbeitrag ist ein Plädoyer für einen differenzierteren Umgang mit politischen Äußerungen und gegen die Instrumentalisierung selektiver Zitatesammlungen zur politischen Stigmatisierung – unabhängig davon, gegen welche politische Richtung sie sich richtet.

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