Übersicht
In diesem Papier werden die ersten empirischen Beweise in der Geschichte des Bankwesens zu der Frage vorgelegt, ob Banken Geld aus dem Nichts schaffen können. Die Bankenkrise hat das Interesse an dieser Frage wiederbelebt, die jedoch ungeklärt geblieben war. In der Literatur sind drei Hypothesen anerkannt. Nach der Theorie der Finanzintermediation des Bankwesens sind Banken lediglich Vermittler wie andere Nicht-Bank-Finanzinstitute, die Einlagen einsammeln, die dann ausgeliehen werden. Nach der Theorie der fraktionierten Reserven im Bankwesen sind die einzelnen Banken lediglich Finanzintermediäre, die kein Geld schaffen können, aber in ihrer Gesamtheit schaffen sie Geld durch systemische Interaktion. Eine dritte Theorie behauptet, dass jede einzelne Bank die Macht hat, Geld „aus dem Nichts“ zu schaffen, und dies tut, wenn sie Kredite vergibt (die Kreditschöpfungstheorie des Bankwesens). Die Frage, welche der Theorien richtig ist, hat weitreichende Implikationen für Forschung und Politik. Erstaunlicherweise hat trotz der langjährigen Kontroverse bisher keine empirische Studie die Theorien überprüft. Dies ist der Beitrag, den die vorliegende Arbeit leistet. Es wird ein empirischer Test durchgeführt, bei dem Geld von einer kooperierenden Bank geliehen wird, während ihre internen Aufzeichnungen überwacht werden, um festzustellen, ob die Bank bei der Bereitstellung des Kredits an den Kreditnehmer diese Gelder von anderen Konten innerhalb oder außerhalb der Bank transferierte oder ob sie neu angelegt wurden. In dieser Studie wird erstmals empirisch nachgewiesen, dass Banken individuell Geld aus dem Nichts schaffen. Die Geldmenge wird als „Feenstaub“ geschaffen, der von den Banken individuell „aus dem Nichts“ erzeugt wird.
1. Einführung
„Die Wahl eines Wertmaßstabs, eines Geldsystems,
einer Währungs- und Kreditgesetzgebung –
alles liegt in den Händen der Gesellschaft, und die natürlichen Bedingungen … sind relativ unwichtig.
Hier
haben also die Entscheidungsträger der Gesellschaft die Möglichkeit,
ihre wirtschaftliche Weisheit – oder Torheit – zu testen. Die Geschichte
zeigt, dass Letzteres sich oft durchsetzte.“1
Seit der amerikanischen und europäischen Bankenkrise in den Jahren 2007/2008 hat die Rolle der Banken in der Wirtschaft innerhalb und außerhalb der Bank-, Finanz- und Wirtschaftswissenschaften zunehmend an Interesse gewonnen. Dieses Interesse ist durchaus gerechtfertigt: Dank der Krise ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass die am weitesten verbreiteten makroökonomischen Modelle und Finanztheorien entscheidende Merkmale unserer Volkswirtschaften und Finanzsysteme nicht angemessen beschrieben und vor allem die Banken nicht einbezogen haben.2 Diese „bankenlosen“ dominanten Theorien haben wahrscheinlich die Bankenaufsicht beeinflusst und könnten somit zu einer suboptimalen Bankenregulierung beigetragen haben: Systemische Probleme, die vom Bankensektor ausgehen, sind in Wirtschaftsmodellen, die keine Banken einbeziehen, oder in Finanzmodellen, die auf einzelnen, repräsentativen Finanzinstituten beruhen, ohne diese angemessen in makroökonomische Modelle einzubetten, nicht zu erkennen.3 Infolgedessen haben viele Forscher ihre Bemühungen darauf gerichtet, Banken oder Bankensektoren in Wirtschaftsmodelle einzubeziehen.4 Dies ist eine positive Entwicklung, und die Europäischen Konferenzen über das Bankwesen und die Wirtschaft (ECOBATE) tragen zu dieser Aufgabe bei, die in dieser zweiten Sonderausgabe über ECOBATE 2013 vorgestellt wird, die am 6. März 2013 in Winchester Guildhall stattfand und vom Zentrum für Bankwesen, Finanzen und nachhaltige Entwicklung der Universität Southampton organisiert wurde. Da die Arbeiten in diesem Bereich nach wie vor sehr vielfältig sind, soll dieser Artikel zu einem besseren Verständnis der entscheidenden Merkmale von Banken beitragen, was ihre angemessene Einbeziehung in Wirtschaftsmodelle erleichtern würde. Die Forscher müssen wissen, welche Aspekte der Banktätigkeit wesentlich sind – einschließlich wichtiger Merkmale, die Banken von Nicht-Bank-Finanzinstituten unterscheiden können. Mit anderen Worten: Die Forscher müssen wissen, ob Banken bezüglich wichtiger Aspekte einzigartig sind, und wenn ja, warum.
In diesem Beitrag wird die Frage nach ihrer potenziellen Fähigkeit zur Geldschöpfung untersucht, die als zentrales Unterscheidungsmerkmal in Frage kommt. Eine Überprüfung der Literatur zeigt drei verschiedene, sich gegenseitig ausschließende Ansichten zu diesem Thema, die jeweils etwa ein Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts lang vorherrschten. Die derzeitige konventionelle Sichtweise besagt, dass Banken lediglich Finanzintermediäre sind, die Ressourcen sammeln und umverteilen, genau wie andere Nicht-Bank-Finanzinstitute und ohne besondere Befugnisse. Jegliche Unterschiede zwischen Banken und Nicht-Bank-Finanzinstituten werden als regulierungsbedingt angesehen und sind in der Tat so gering, dass sie für die Modellierung oder für die politischen Entscheidungsträger unerheblich sind. Daher wird es als zulässig erachtet, die Wirtschaft zu modellieren, ohne die Banken direkt zu berücksichtigen. Diese Sichtweise wird als Theorie der Finanzintermediation des Bankwesens bezeichnet. Sie ist seit etwa Ende der 1960er Jahre die vorherrschende Ansicht.
Ungefähr zwischen den 1930er und den späten 1960er Jahren herrschte die Ansicht vor, dass das Bankensystem „einzigartig“ sei, da die Banken im Gegensatz zu anderen Finanzintermediären kollektiv Geld schaffen können, basierend auf dem Modell der Mindestreserve oder des „Geldmultiplikators“ im Bankwesen. Trotz ihrer kollektiven Macht wird jedoch jede einzelne Bank in dieser Sichtweise als bloßer Finanzintermediär betrachtet, der Einlagen sammelt und diese ausleiht, ohne die Fähigkeit zur Geldschöpfung zu haben. Diese Sichtweise wird als „fractional reserve theory of banking“ bezeichnet [Theorie des fraktionalen Reserve-Bankwesens, Anm. d. Übersetzers].
Es gibt eine dritte Theorie über die Funktionsweise des Bankensektors, die in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. Im Gegensatz zur Theorie der Finanzintermediation und in Übereinstimmung mit der Theorie der fraktionalen Reserve behauptet sie, dass das Bankensystem neues Geld schafft. Sie geht jedoch weiter als letztere und unterscheidet sich von ihr in einer Reihe von Punkten. Sie argumentiert, dass jede einzelne Bank kein Finanzintermediär ist, der bei der Kreditvergabe Einlagen oder Reserven der Zentralbank weitergibt, sondern die gesamte Kreditsumme aus dem Nichts schafft. Diese Auffassung wird als Kreditschöpfungstheorie des Bankwesens bezeichnet.
Die drei Theorien beruhen auf einer unterschiedlichen Beschreibung der Funktionsweise von Geld und Bankwesen und unterscheiden sich in ihren politischen Implikationen. Interessanterweise wurde die Kontroverse darüber, welche Theorie die richtige ist, nie beigelegt. Infolgedessen herrscht Verwirrung: Heute gibt es Zentralbanken – manchmal sogar dieselbe Zentralbank -, die unterschiedliche Theorien vertreten; im Fall der Bank of England sind Mitarbeiter der Zentralbank nachweislich gleichzeitig für jede der drei sich gegenseitig ausschließenden Theorien eingetreten, wie im Folgenden gezeigt wird.
Es kommt darauf an, welche der drei Theorien richtig ist – nicht nur für das Verständnis und die korrekte Modellierung der Rolle der Banken in der Wirtschaft, sondern auch für die Gestaltung einer angemessenen Bankenregulierung, die ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ohne Krisen zum Ziel hat. Der moderne Ansatz der Bankenregulierung, wie er zumindest seit Basel I (1988) umgesetzt wird, basiert auf der Annahme, dass die Theorie der Finanzintermediation richtig ist.5 Eine auf der Eigenkapitalausstattung basierende Bankenregulierung, selbst eine antizyklische, ist weniger geeignet, Finanzstabilität zu gewährleisten, wenn eine der beiden anderen Bankenhypothesen richtig ist.6 Der vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) verfolgte Ansatz der Kapitaladäquanzregulierung, wie er in Basel I und II zu sehen ist, hat bisher nicht dazu beigetragen, größere Bankenkrisen zu verhindern. Sollte die Theorie der Finanzintermediation die Realität nicht genau beschreiben, würde dies die Eignung von Basel III und ähnlichen nationalen Ansätzen zur Bankenregulierung, wie etwa im Vereinigten Königreich, in Frage stellen.7
Daher ist es für die Forschung und die Politik von Bedeutung, zu bestimmen, welche der drei Theorien die Realität genau beschreibt. Anhand empirischer Belege können die relativen Vorzüge der Theorien geprüft werden. Überraschenderweise ist ein solcher Test bisher nicht durchgeführt worden. Dies ist der Beitrag des vorliegenden Papiers.
Der restliche Teil des Papiers ist wie folgt aufgebaut. Abschnitt 2 gibt einen Überblick über die einschlägige Literatur, wobei die Autoren nach ihrer Zugehörigkeit zu einer der drei Bankentheorien unterschieden werden. Es wird sich zeigen, dass sich führende Wirtschaftswissenschaftler für jede der Theorien ausgesprochen haben. In Abschnitt 3 stelle ich dann einen empirischen Test vor, mit dem die Frage geklärt werden kann, ob Banken einzigartig sind und ob sie individuell Geld „aus dem Nichts“ schaffen können. Dabei geht es um die tatsächliche Bearbeitung eines „echten“ Bankkredits, den der Forscher bei einer repräsentativen Bank aufgenommen hat, die bei der Überwachung ihrer internen Aufzeichnungen und Vorgänge kooperiert und Zugang zu ihren Unterlagen und Buchhaltungssystemen gewährt. Die Ergebnisse und einige Implikationen werden in Abschnitt 4 erörtert.
2. Die Literatur zur Frage, ob Banken Geld schaffen können
Über die Rolle der Banken in der Wirtschaft ist im vergangenen Jahrhundert und darüber hinaus viel geschrieben worden. Häufig haben sich die Autoren nicht mit der Frage befasst, ob Banken Geld schaffen können, da sie oft einfach davon ausgehen, dass ihre bevorzugte Theorie wahr ist, ohne sie direkt zu erörtern, geschweige denn zu vergleichen. Diese Literaturübersicht beschränkt sich auf Autoren, die sich direkt und ausdrücklich mit der Frage befasst haben, ob Banken Kredite und Geld schaffen können. In der Zeit, in der die Banken in den Ländern der Autoren Schuldscheine (Banknoten) ausgaben, die als Papiergeld im Umlauf waren, erwähnten die Autoren oft ganz selbstverständlich, wenn auch nur am Rande, dass Banken Geld schaffen oder ausgeben. In England und Wales verbot der „Bank Charter Act“ von 1844 den Banken, sich zur Zahlung von Geld zu verpflichten, das auf Verlangen an den Inhaber zahlbar ist. Dies beendete die Ausgabe von Banknoten für die meisten Banken in England und Wales und überließ der (bis 1946 offiziell in Privatbesitz befindlichen) Bank of England das Monopol für die Ausgabe von Banknoten. In den Vereinigten Staaten wurde diese Praxis bis ins 20. Jahrhundert fortgesetzt (und mit dem zeitlich ähnlich gelagerten „New York Free Banking Act“ von 1838 sogar ausgeweitet), so dass US-Autoren die Ausgabe von Banknoten erst sehr viel später als Beweis für die Geldschöpfungsfunktion von Banken anführten.8 Der Klarheit halber interessiert uns in diesem Aufsatz vor allem die Frage, ob Banken, die keine Banknoten ausgeben, Geld und Kredit aus dem Nichts schaffen können. Daher werden frühere Autoren, die hauptsächlich über die Emission von Papiergeld geschrieben haben, hier nur am Rande erwähnt, auch wenn man sagen könnte, dass ihre Argumente auch für Banken gelten könnten, die keine Banknoten ausgeben. Dazu gehören unter anderem John Law (1705), James Steuart (1767), Adam Smith (1776), Henry Thornton (1802), Thomas Tooke (1838) und Adam Müller (1816), die entweder direkt oder indirekt feststellen, dass Banken individuell Kredit schaffen können (im Sinne der Kreditschöpfungstheorie).9
2.1. Die Kreditschöpfungstheorie des Bankwesens
Einflussreiche frühe Autoren, die argumentieren, dass nicht-emittierende Banken die Macht haben, individuell Geld und Kredit aus dem Nichts zu schaffen, schrieben hauptsächlich in englischer oder deutscher Sprache, nämlich Wicksell (1898, 1907), Withers (1909), Schumpeter (1912), Moeller (1925) und Hahn (1920).10 Der Überblick über die Befürworter der Kreditschöpfungstheorie muss mit Henry Dunning Macleod vom Trinity College, Cambridge, und Barrister at Law am Inner Temple beginnen.11 Macleod verfasste ein einflussreiches zweibändiges Werk über das Bankwesen mit dem Titel „The Theory and Practice of Banking“. Es wurde in zahlreichen Auflagen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein veröffentlicht (Macleod, 1855-6; die Zitate stammen aus der 6. Auflage von 1905). In Bezug auf die Kreditschöpfung durch die einzelnen Banken vertrat Macleod unmissverständlich die Auffassung, dass die einzelnen Banken Kredit und Geld aus dem Nichts schaffen, wann immer sie das tun, was man „Kreditvergabe“ nennt:
„In der Neuzeit haben die Privatbankiers die Ausgabe von Banknoten eingestellt und lediglich Kredite zu Gunsten ihrer Kunden geschaffen, die mit Schecks eingelöst werden können. Diese Kredite werden in der Bankensprache als Einlagen bezeichnet. Nun sind viele Menschen, die eine Banknote sehen, die nur ein auf Papier festgehaltenes Recht ist, bereit zuzugeben, dass eine Banknote Bargeld ist. Aber aus Mangel an Nachdenken haben sie ein Problem mit dem, was sie als Einlagen sehen. Sie geben zu, dass eine Banknote eine „Ausgabe“ und „Währung“ ist, aber sie sehen nicht, dass ein Bankkredit genau in demselben Sinne eine „Ausgabe“, „Währung“ und „Zirkulation“ ist.“ – [Macleod (1905, Band 2, S. 310)]
„… Sir Robert Peel irrte sich sehr, als er annahm, dass die Bankiers nur Vorschüsse aus gutgläubigem Kapital machen. Dies ist in dem Kapitel über die Theorie des Bankwesens so ausführlich dargelegt, dass wir unsere Leser nur daran zu erinnern brauchen, dass alle Bankvorschüsse in erster Linie durch die Schaffung von Krediten erfolgen“ (S. 370, Hervorhebung im Original).
In seiner Theorie des Kredits formulierte Macleod (1891) dies folgendermaßen:
„Eine Bank ist also kein Büro zum ‚Borgen‘ und ‚Verleihen‘ von Geld, sondern eine Manufaktur des Kredits.“ – [Macleod (1891: II/2, 594)]
Nach der Kreditschöpfungstheorie schaffen die Banken Kredit in Form von „Einlagen“, wie die Banker es nennen, und dieser Kredit ist Geld. Aber wie viel Kredit können sie schaffen? Wicksell (1907) beschrieb im „Economic Journal“ eine auf Kredit basierende Wirtschaft und argumentierte, dass
„Die Banken sind in ihrem Kreditgeschäft nicht nur nicht durch ihr eigenes Kapital beschränkt; sie sind nicht, zumindest nicht unmittelbar, durch irgendein Kapital beschränkt; indem sie fast alle Zahlungen in ihren Händen konzentrieren, schaffen sie selbst das erforderliche Geld….“
„In einem reinen Kreditsystem, in dem alle Zahlungen durch Überweisung in den Bankbüchern erfolgen, wären die Banken in der Lage, jederzeit Kredite in beliebiger Höhe zu jedem noch so geringen Zinssatz zu gewähren.“12 – [Wicksell (1907, 214)]
Auch Withers (1909), von 1916 bis 1921 Herausgeber des „Economist“, sah nur wenige Beschränkungen für die Geldmenge, die Banken aus dem Nichts schaffen konnten:
„… es ist ein weit verbreiteter Irrtum des Volkes – wenn man erfährt, dass die Banken des Vereinigten Königreichs über 900 Millionen an Einlagen halten – die Augen vor Erstaunen aufzureißen bei dem Gedanken an diese riesige Menge an Bargeld, die von der Gemeinschaft als Ganzes gespart und von ihr in den Händen ihrer Bankiers aufbewahrt wurde, und dies als einen ungeheuren Beweis von Reichtum zu betrachten. Aber das ist nicht ganz die richtige Sicht der Dinge. Der größte Teil des Geldes, das von der Gemeinschaft in den Banken gelagert wird, besteht aus Buchhaltungsguthaben, die ihr von ihren Bankiers geliehen wurden.“ – [Withers (1909, S. 57 ff.)]
„… Es zeigt sich also, dass der größte Teil der Einlagen der Banken nicht aus eingezahltem Bargeld, sondern aus geliehenen Krediten besteht. Denn jeder Kredit macht eine Einlage….“ – [Withers (1909, S. 63)]
„Als Banknoten die Handelswährung waren, gab eine Bank, die einen Vorschuss gewährte oder einen Wechsel diskontierte, ihrem Kunden ihre eigenen Banknoten als Erlös aus der Transaktion und schuf damit eine Verbindlichkeit für sich selbst. Heute nimmt eine Bank einen Vorschuss oder diskontiert einen Wechsel und schafft sich selbst eine Verbindlichkeit in Form eines entsprechenden Kredits in ihren Büchern.“ – [Withers (1909, S. 66)]
„… Es läuft darauf hinaus, daß, wann immer eine Bank einen Vorschuß macht oder eine Sicherheit kauft, sie jemandem das Recht gibt, einen Scheck auf sie zu ziehen, welcher Scheck entweder bei ihr oder bei einigen anderen Banken eingelöst wird, und so wird das Volumen der Bankeinlagen als Ganzes erhöht und die Barmittel der Banken als Ganzes bleiben unverändert.“ – [Withers (1916, S. 45)]
„Wenn man einmal diese Tatsache anerkennt, dass die Banken unter anderem immer noch Hersteller von Geld sind, genauso wie zu den Zeiten, als sie Geldscheine ausgaben, dann sieht man, welch wichtige Funktion die Banken in der Wirtschaftswelt ausüben, denn es ist heute allgemein anerkannt, dass die Menge des geschaffenen Geldes einen direkten und wichtigen Einfluss auf die Preise hat. Dies ergibt sich aus der sogenannten ‚Quantitätstheorie‘ des Geldes ….“ – [Withers (1916, S. 47)]
„Wenn also die Quantitätstheorie, wie ich glaube, im Großen und Ganzen zutrifft, sehen wir, wie groß die Verantwortung der Bankiers als Hersteller von Geld ist, da sie durch ihr Handeln nicht nur die Bequemlichkeit ihrer Kunden und die Gewinne ihrer Aktionäre, sondern auch das allgemeine Preisniveau beeinflussen. Wenn die Banken schneller Geld schaffen, als Waren produziert werden, wird ihr Handeln einen Preisanstieg verursachen, der sich vielleicht katastrophal auswirken wird….“13 – [Withers (1916, S. 54 ff.)]
„Und so zeigt sich, wie schon gesagt, dass die Einlagen der Banken, die der Geschäftswelt das Recht geben, Schecks zu ziehen, hauptsächlich durch die Tätigkeit der Banken selbst beim Ausleihen, Diskontieren und Anlegen entstehen“ (S. 71 ff.).
„… es zeigt sich also, dass der Kredit die Maschinerie ist, mit der ein sehr wichtiger Teil der modernen Währung geschaffen wird …“ (S. 72).
Withers argumentiert, dass das souveräne Vorrecht, die Währung der Nation herzustellen, praktisch privatisiert und den Geschäftsbanken übertragen wurde:
„Durch diese interessante Entwicklung ist die Herstellung von Geld, die jahrhundertelang in den Händen der Regierung lag, nun zu einem sehr wichtigen Teil in die Hände von Unternehmen übergegangen, die für die Bequemlichkeit ihrer Kunden und die Gewinne ihrer Aktionäre arbeiten.“ – [Withers (1916, S. 40)]
Withers war zwar ein Finanzjournalist, doch seine Schriften hatten eine hohe Auflage und trugen wahrscheinlich zur Verbreitung der Theorie der Kreditschöpfung in der von Macleod (1855-6) vorgeschlagenen Form bei. Diese Ansicht setzte sich auch in Deutschland mit der Veröffentlichung von Schumpeters (1912, englisch 1934) einflussreichem Buch „Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ durch, in dem er unmissverständlich die Ansicht vertrat, dass jede einzelne Bank die Macht hat, Geld aus dem Nichts zu schaffen.
„So etwas wie ein Zertifikat über die künftige Produktion oder die Gewährung von Kaufkraft auf der Grundlage von Versprechen des Unternehmers gibt es tatsächlich. Das ist die Dienstleistung, die der Bankier für den Unternehmer erbringt und für die sich der Unternehmer an den Bankier wendet … (Der Bankier) wäre kein Vermittler, sondern Hersteller von Krediten, d.h. er würde die Kaufkraft, die er dem Unternehmer leiht, selbst schaffen … Man könnte, ohne eine große Sünde zu begehen, sagen, dass der Bankier Geld schafft“14. – [Schumpeter (1912, S. 197, Hervorhebung im Original)]
„Kredit ist im Wesentlichen die Schaffung von Kaufkraft mit dem Ziel, sie an den Unternehmer zu übertragen, aber nicht einfach die Übertragung von vorhandener Kaufkraft. … Durch den Kredit erhalten die Unternehmer Zugang zum gesellschaftlichen Güterstrom, bevor sie den normalen Anspruch darauf erworben haben. Und diese Funktion bildet den Grundpfeiler der modernen Kreditstruktur.“ – [Schumpeter (1954, S. 107)]
„Die fiktive Zertifizierung von Produkten, die das Zahlungsmittel Kredit ursprünglich darstellte, ist zur Wahrheit geworden“15. – [Schumpeter (1912, S. 223)]
Diese Ansicht war auch jenseits des Atlantiks gut vertreten, wie die Schriften von Davenport (1913) oder Robert H. Howe (1915) zeigen. Hawtrey (1919), ein weiterer führender britischer Ökonom, der wie Keynes aus dem Finanzministerium stammte und in die Wissenschaft wechselte, vertrat eine klare Position zugunsten der Kreditschöpfungstheorie:
„… für die Fabrikanten und andere, die Geld auszahlen müssen, werden Kredite immer noch durch den Austausch von Verpflichtungen geschaffen, wobei die unmittelbare Verpflichtung des Bankiers an seinen Kunden im Austausch für die Verpflichtung des Kunden zur Rückzahlung zu einem zukünftigen Zeitpunkt gegeben wird. Wir werden diese doppelte Operation immer noch als Kreditschöpfung bezeichnen. Mit ihren Mitteln schafft der Bankier das Zahlungsmittel aus dem Nichts, während er, wenn er von seinem Kunden einen Geldsack erhält, lediglich ein Zahlungsmittel, einen Bankkredit, gegen ein anderes, eine gleiche Menge Bargeld, austauscht“ (S. 20).
Neben Schumpeter vertraten auch eine Reihe anderer deutschsprachiger Autoren die Auffassung, dass Banken Geld und Kredit individuell durch den Prozess der Kreditvergabe schaffen.16 Sehr einflussreich im akademischen Diskurs und in der öffentlichen Debatte war Dr. Albert L. Hahn (1920), Spross einer Frankfurter Bankiersdynastie (ähnlich wie Thornton, der Bankier gewesen war) und seit 1919 Direktor der großen familieneigenen Effecten- und Wechsel-Bank, Frankfurt. Wie Macleod ein ausgebildeter Jurist, wurde er 1928 Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt. Offensichtlich kannte er nicht nur die Arbeiten von Macleod, den er zitiert, sondern auch die tatsächliche Bankpraxis seines Familienunternehmens, und er vertrat die Ansicht, dass Banken tatsächlich „Geld aus dem Nichts erschaffen“:
„Jeder Kredit, der in der Wirtschaft vergeben wird, schafft eine Einlage und damit die Mittel, um sie zu finanzieren. … Die Schlussfolgerung aus dem beschriebenen Prozess lässt sich im Umkehrschluss so ausdrücken, dass … jede Einlage, die irgendwo und irgendwie in der Wirtschaft existiert, durch eine vorherige Kreditvergabe entstanden ist.“17 – [Hahn (1920, S. 28)]
„Wir behaupten also – entgegen der gesamten Bank- und Kreditliteratur -, dass das primäre Geschäft der Banken nicht das Passivgeschäft, insbesondere das Einlagengeschäft, ist, sondern dass im Allgemeinen und in jedem Fall ein Aktivgeschäft einer Bank vorausgegangen sein muss, um ein Passivgeschäft zu ermöglichen und zu verursachen: Das Passivgeschäft der Banken ist nichts anderes als ein Reflex der vorherigen Kreditvergabe. Die gegenteilige Auffassung beruht auf einer Art optischer Täuschung ….“18 – [Hahn (1920, S. 29)]
Insgesamt hat Hahn wahrscheinlich mehr als jeder andere dazu beigetragen, die Kreditschöpfungstheorie in Deutschland populär zu machen. Sein Buch wurde zu einem Bestseller und löste unter den deutschen Wirtschaftswissenschaftlern viele Kontroversen und neue Forschungen aus. In den folgenden Jahrzehnten hat es auch das Bewusstsein der Journalisten und der breiten Öffentlichkeit für dieses Thema erheblich geschärft. Die breite Wirkung seines Buches war wahrscheinlich einer der Gründe dafür, dass sich diese Theorie in Deutschland hielt, während sie im Vereinigten Königreich oder in den USA längst verworfen worden war, und zwar bis weit in die Nachkriegszeit hinein. Hahns Buch war jedoch nicht nur eine populäre Erklärung ohne wissenschaftliche Glaubwürdigkeit. Schumpeter zitierte es positiv in der zweiten (deutschen) Ausgabe seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (Schumpeter, 1926) und lobte es als eine Weiterentwicklung, die mit seinem eigenen Buch übereinstimmt, aber darüber hinausgeht. Auch in der englischen Übersetzung von Schumpeters einflussreichem Buch zitiert Schumpeter (1912 [1934]) Hahn positiv.
Man kann sagen, dass die Kreditschöpfungstheorie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in englischsprachigen und deutschsprachigen akademischen Publikationen weit verbreitet war. Um 1920 war die Kreditschöpfungstheorie so weit verbreitet, dass sie von späteren Kritikern als „derzeitige Sichtweise“, „traditionelle Theorie“ oder „von der Zeit verwitterte Theorie der Bankkredite“ bezeichnet wurde.19
Auch der frühe Keynes schien ein Anhänger dieser vorherrschenden Ansicht gewesen zu sein. In seinem Traktat über die Währungsreform (Keynes, 1924) behauptet er – offenbar ohne die Notwendigkeit, dies näher zu begründen – dass die Banken Kredit und Geld schaffen, zumindest in ihrer Gesamtheit:
„Das interne Preisniveau wird hauptsächlich durch die Höhe der von den Banken, vor allem den Big Five, geschaffenen Kredite bestimmt …“ (p. 178).
„Die so geschaffene Kreditsumme wird ihrerseits grob durch das Volumen der Einlagen der Banken gemessen, denn die Schwankungen dieser Summe müssen den Schwankungen der Summe ihrer Investitionen, Wechselbestände und Vorschüsse entsprechen“ (S. 178).
Aus Keynes‘ Beitrag vor dem Macmillan-Ausschuss (1931) wissen wir, dass Keynes damit meinte, dass jede einzelne Bank in der Lage sei, Kredit zu schaffen:
„Es ist nicht unnatürlich, sich vorzustellen, dass die Einlagen einer Bank durch das Publikum geschaffen werden, und zwar durch die Einzahlung von Bargeld, das entweder Ersparnisse oder Beträge darstellt, die zur Zeit nicht zur Deckung von Ausgaben benötigt werden. Der größte Teil der Einlagen entsteht jedoch durch die Tätigkeit der Banken selbst, denn durch die Gewährung von Krediten, die Inanspruchnahme von Überziehungskrediten oder den Kauf von Wertpapieren schafft eine Bank einen Kredit in ihren Büchern, der einer Einlage gleichkommt“ (S. 34).
Was das Bankensystem als Ganzes betrifft, so wurde angenommen, dass diese Kredit- und Einlagenschöpfung der Banken die Gesamtnachfrage und die Preisbildung beeinflusst, wie Schumpeter (1912) argumentiert hatte:
„Das Volumen der Bankkredite ist elastisch, und damit auch die Masse der Kaufkraft … Das Bankensystem bildet somit das entscheidende Bindeglied zwischen den beiden Aspekten des komplexen Gefüges, mit dem wir es zu tun haben. Es verbindet nämlich die Probleme des Preisniveaus mit den Problemen des Finanzwesens, da das Preisniveau zweifellos von der Kaufkraftmasse, die das Bankensystem schafft und kontrolliert, und von der Kreditstruktur, die es aufbaut, beeinflusst wird … So finden Fragen des Kaufkraftvolumens und Fragen der Kaufkraftverteilung einen gemeinsamen Schwerpunkt im Bankensystem“ (Macmillan Committee, 1931, S. 12 ff.).
„… wenn schließlich die Banken eine erleichterte Kreditpolitik betreiben und der Wirtschaft mehr Kredite gewähren, werden Kräfte in Gang gesetzt, die die Gewinne und die Löhne erhöhen, so dass sich die Möglichkeit zusätzlicher Ausgaben ergibt“ (S. 13).
In Bezug auf die Frage, ob die Kreditnachfrage oder das Kreditangebot wichtiger ist, wird in dem Bericht argumentiert, dass die Hauptursache die Entwicklung des Kreditangebots ist:
„Die Ausweitung oder Verringerung des vom Bankensystem zur Verfügung gestellten Kreditvolumens in anderen Bereichen wird sich über verschiedene Kanäle auf die Leichtigkeit auswirken, mit der neue Investitionsvorhaben in Angriff genommen werden können. Dies wiederum wird sich auf das Volumen und die Rentabilität der Unternehmen auswirken und somit zu gegebener Zeit auf den Umfang der von der Industrie benötigten Kreditvergabe durch das Bankensystem reagieren … Was also als Veränderung des Kreditangebots begann, endet in Form einer Veränderung der Kreditnachfrage“ (S. 99).20
Während Geld also als endogen zu Krediten gilt, wenn ein so genannter „Bankkredit“ vergeben wird, argumentierte der Ausschuss, dass Bankkredite exogen sind, soweit es um Kreditantragsteller geht:
„Es besteht kein Zweifel an der Macht des Bankensystems, das Volumen des Bankgeldes zu erhöhen oder zu verringern“ (S. 102).
„Unter normalen Bedingungen sehen wir keinen Grund, an der Fähigkeit des Bankensystems zu zweifeln, das Volumen aktiver Investitionen zu beeinflussen, indem es das Volumen erhöht und die Kosten für Bankkredite senkt. … Daher sind wir der Ansicht, dass in gewöhnlichen Zeiten die Macht des Bankensystems …, den aktiven Einsatz von Geld in Unternehmen und Investitionen zu erhöhen oder zu verringern, unbestreitbar ist“ (S. 102).
Der Macmillan-Ausschuss argumentierte auch, dass Bankkredite von der Bank of England manipuliert werden könnten, daher wurden sie in diesem Sinne ebenfalls als exogen betrachtet.
Die Kreditschöpfungstheorie blieb bis in die frühen Nachkriegsjahre einflussreich. Die Verknüpfung der Kreditschöpfung mit makroökonomischen und finanziellen Variablen wurde später in der Quantitätstheorie des Kredits (Werner, 1992, 1997, 2005, 2012) formalisiert, in der argumentiert wird, dass Kredite für (a) eine produktive Verwendung in Form von Investitionen für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen nachhaltig und nicht inflationär sind und auch weniger wahrscheinlich zu notleidenden Krediten werden, (b) eine unproduktive Verwendung in Form von Konsum zu einer Verbraucherpreisinflation führt und (c) eine unproduktive Verwendung in Form von Vermögenstransaktionen zu einer Vermögensinflation und, wenn sie groß genug ist, zu Bankenkrisen führt. Seit den 1920er Jahren wurden jedoch ernsthafte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Kreditschöpfungstheorie des Bankwesens laut. Diese Zweifel wurden zunächst von Ökonomen geäußert, die die Theorie zwar grundsätzlich befürworteten, ihre Bedeutung aber herunterspielten. Diese Gruppe von Autoren diente als Sprungbrett für die Formulierung der modernen Fraktionsreservetheorie, die in ihrer am weitesten verbreiteten (und späteren) Version jedoch behauptet, dass einzelne Banken keinen Kredit schaffen können, sondern nur das Bankensystem insgesamt. Dieser Theorie über die Banken wollen wir uns nun zuwenden.
2.2. Die Theorie der fraktionalen Reserve
Ein früher Befürworter der Theorie der fraktionalen Reserve war Alfred Marshall (1888). Er äußerte sich vor einem Regierungsausschuss über die Rolle der Banken wie folgt:
„Ich sollte überlegen, welchen Teil ihrer Einlagen eine Bank ausleihen könnte, und dann sollte ich überlegen, welcher Teil ihrer Kredite bei ihr und bei anderen Banken wieder angelegt würde und umgekehrt, welcher Teil der von anderen Banken vergebenen Kredite bei ihr als Einlagen eingehen würde. Auf diese Weise erhalte ich eine geometrische Progression. Wenn jede Bank zwei Drittel ihrer Einlagen ausleihen könnte, würde der Gesamtbetrag der Kreditvergabe der Banken das Dreifache dessen betragen, was er sonst betragen würde.“ – [Marshall (1888), zitiert von Yohe (1995, S. 530)]
Damit widersprach er den Argumenten Macleods. Allerdings war Marshalls Ansicht zu dieser Zeit noch eine Minderheitenmeinung. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vertrat eine Reihe einflussreicher Ökonomen die Auffassung, dass die „alte Theorie“ (Phillips, 1920:72) der Kreditschöpfung durch einzelne Banken falsch sei. Ihre Ansicht gewann allmählich an Einfluss. „Die Theorie der Einlagenexpansion erreichte ihren Zenit mit der Veröffentlichung von C.A. Phillips‘ Bank Credit …“ (Goodfriend, 1991, zitiert von Yohe, 1995, S. 532).
Phillips (1920) argumentierte, dass es wichtig sei, zwischen der theoretischen Möglichkeit zu unterscheiden, dass eine einzelne Bank „Geld herstellt“, indem sie Kredite über Bargeld und Reserven hinaus vergibt, und der Möglichkeit, dass das Bankensystem als Ganzes dazu in der Lage ist. Er argumentierte, dass die „alte Theorie“ (die Kreditschöpfungstheorie)
„die auf der Behauptung beruht, dass eine Bank in der Lage wäre, Kredite in Höhe eines Mehrfachen der zum Zeitpunkt der Kreditvergabe neu erworbenen und gehaltenen Barmittel zu vergeben, während eine repräsentative Bank in einem System in der Regel nur in der Lage ist, einen Betrag zu verleihen, der in etwa der Höhe dieser Barmittel entspricht“ (S. 72).21
Nach Phillips (1920) können einzelne Banken keinen Kredit oder Geld schaffen, aber das Bankensystem tut dies gemeinsam, da eine neue Reserve „in kleine Fragmente aufgeteilt und auf die Banken des Systems verteilt wird. Durch den Prozess der Streuung bildet sie die Grundlage für eine mannigfaltige Kreditausweitung“ (S. 40). Jede Bank wird hauptsächlich als Finanzvermittler betrachtet: „… der Bankier … verwaltet vor allem die Gelder anderer“ (S. 4-5). Da die Banken ein bestimmtes Verhältnis von Bargeld zu Einlagen und von Reserven zu Einlagen (wie im Geldmultiplikator angegeben) anstreben, das sie beibehalten wollen, arbeitet jede Bank effektiv als Intermediär, der so viel Geld ausleiht, wie er an neuem Geld einnehmen kann. Durch den Prozess der Streuung und Wiederholung summiert sich die Finanzvermittlungsfunktion der einzelnen Banken, ohne die Macht, Kredite zu schaffen, zu einer Ausweitung der Geldmenge insgesamt.22
Crick (1927) teilte diese Schlussfolgerung (mit einigen kleinen Vorbehalten). So argumentierte er:
„Der wichtige Punkt, der für einen Großteil der Kontroverse und die meisten Missverständnisse verantwortlich ist, besteht darin, dass eine Bank, die eine Aufstockung ihrer Barmittel erhält, zwar nicht sofort eine vollständige Aufstockung ihrer eigenen Einlagen vornehmen kann, die kumulative Wirkung der zusätzlichen Barmittel jedoch eine vollständige Aufstockung der Einlagen aller Banken insgesamt bewirkt“ (S. 196).
„Zusammenfassend ist also klar, … dass die Banken, solange sie ein stabiles Verhältnis von Bargeld zu Einlagen aufrechterhalten, lediglich passive Agenten der Politik der Bank of England sind, was das Volumen des Geldes in Form von Krediten betrifft. … Die Banken … haben sehr wenig Spielraum für die Politik, was die Ausweitung oder Schrumpfung der Einlagen angeht, wohl aber bei der Verteilung der Mittel auf Kredite, Investitionen und andere Vermögenswerte. Das heißt aber nicht, dass die Banken nicht auf der Grundlage einer Ausweitung oder Schrumpfung des Bankguthabens eine mehrfache Erhöhung oder Verringerung der Einlagen insgesamt vornehmen können und dies auch tun“ (S. 201).
Die Rolle der Banken blieb in den 1920er und 1930er Jahren umstritten, da mehrere Autoren die Kreditschöpfungstheorie kritisierten. Die Meinungen gingen nicht nur auseinander, sondern waren auch im Fluss, da mehrere Experten ihre Position offenbar allmählich änderten, wobei sich insgesamt immer mehr von der Kreditschöpfungstheorie abwandten und sich der Theorie der Mindestreserve [fraktionalen Reserve, Anm. d. Übersetzers] zuwandten.
Sir Josiah C. Stamp, ein ehemaliger Direktor der Bank of England, fasste den Stand der Debatte in seiner Rezension eines Artikels von Pigou (1927) zusammen:
„Der allgemeine wirtschaftliche Verstand befindet sich derzeit in einem Zustand ziemlicher Verwirrung über die scheinbar einfache Frage: ‚Können die Banken Kredite schaffen, und wenn ja, wie und in welcher Höhe?‘ und zwischen den Lehren von Dr. Leaf und Mr. McKenna, den Herren Keynes, Hawtrey, Cassel und Cannan und Gregory haben die Menschen noch nicht ihren Weg gefunden.“ – [Stamp (1927, S. 424)]
Beiträge zu dieser Debatte lieferte auch Dennis Robertson (1926), der von Keynes beeinflusst wurde.23 Keynes (1930) erklärt die Rolle der Reservehaltung und die Mechanismen, die das Verhalten einer Bank bestimmen, basierend auf ihrer Präferenz, Bargeld und Reserven zu halten, zusammen mit der Höhe der von der Zentralbank zur Verfügung gestellten Reserven – die ziemlich vorherbestimmten Mechanismen, die durch den Geldmultiplikator in einem fraktionalen Reservemodell postuliert werden:
„In Ländern, in denen der Prozentsatz der Reserven im Verhältnis zu den Einlagen durch Gesetz oder Gewohnheit einigermaßen starr ist, sind wir also bei der endgültigen Bestimmung von M, dem Volumen des Bankgeldes, auf die Faktoren zurückgeworfen, die die Höhe dieser Reserven bestimmen“ (S. 77).
Keynes (1930) unterstützte auch eine Schlüsselkomponente der fraktionierten Reservetheorie, nämlich dass Banken Einlagen sammeln und Teile davon bei der Zentralbank anlegen oder alternativ Geld von ihren Reserven bei der Zentralbank abheben können, um es an den Nichtbankensektor der Wirtschaft zu verleihen:
„Wenn eine Bank ein Guthaben bei der Bank of England hat, das ihren üblichen Bedarf übersteigt, kann sie einen zusätzlichen Kredit an die Handels- und Produktionswelt vergeben, und dieser zusätzliche Kredit schafft eine zusätzliche Einlage (für den Kredit des Kreditnehmers oder für diejenigen, an die er ihn übertragen möchte) auf der anderen Seite der Bilanz dieser oder einer anderen Bank“. – [Keynes (1930, Band 2, S. 218)]
Keynes argumentiert hier, dass neue Einlagen, die auf neuen Krediten beruhen, von den bei der Zentralbank gehaltenen Reserveguthaben der Banken abhängen und mit diesen verbunden sind. Diese Ansicht wird bisweilen auch von heutigen Zentralbankern vertreten, wie z. B. im Vorschlag von Paul Tucker oder der EZB, Negativzinsen auf die Reserveguthaben der Banken bei der Zentralbank einzuführen, um ihnen einen Anreiz zu geben, ihr Geld von der Zentralbank „abzuziehen“ und die Kreditvergabe zu erhöhen.24 Dennoch scheint ein Teil von Keynes (1930) und ein Großteil seines einflussreichsten Werks, der „General Theory“ (1936), eher der Theorie der Finanzintermediation zu entsprechen, wie im folgenden Abschnitt erörtert wird.
Ein repräsentatives Beispiel für die Mindestreserve-Theorie, die gleichzeitig in die Richtung der Theorie der Finanzintermediation zu weisen begann, ist die Arbeit von Lutz (1939), die in „Economica“, einem Forum für einige dieser Debatten zu jener Zeit, veröffentlicht wurde:
„Die Expansion des Wirtschaftssystems führt zu einem Anstieg des Einlagenvolumens auf einen Wert, der den Betrag des zusätzlich verwendeten Bargeldes bei weitem übersteigt, einfach deshalb, weil dasselbe Bargeld immer wieder beim Bankensystem eingezahlt wird. … Die Tatsache, dass die Bankenstatistiken ein Aggregat von Einlagen ausweisen, das weit über der Menge des Bargeldes im Bankensystem liegt, ist daher für sich genommen kein Zeichen dafür, dass die Banken die gesamte Differenz geschaffen haben müssen. Diese Schlussfolgerung ist natürlich auch in gewisser Weise implizit in der Theorie der „multiplen Expansion“ der Entstehung von Bankeinlagen (von der Phillips- oder Crick-Variante) enthalten. Diese Theorie erklärt die Entstehung von Einlagen damit, dass dasselbe Geld (in abnehmenden Beträgen) nacheinander bei verschiedenen Banken eingezahlt wird. Sie betrachtet diese Bargeldbewegung jedoch eher als eine technische Angelegenheit zwischen den Banken …, die verschwinden würde, wenn die einzelnen Banken zu einer einzigen fusioniert würden. In diesem Fall würden die Einlagen als durch reine Schöpfung entstanden betrachtet werden. In unserem Beispiel nehmen wir an, dass es durchweg nur eine Bank gibt, und dennoch wachsen die Einlagen aus der wiederholten Rückgabe desselben Geldes durch die Öffentlichkeit … Die Kraft, die wirklich Expansion schafft, ist der Handelskredit, den sich die Produzenten gegenseitig geben … Die Bank spielt die Rolle eines bloßen Vermittlers.“
… Dies scheint nicht zu einer neuen, sondern zu einer sehr alten Theorie über die Funktion der Banken zu führen: der Funktion eines bloßen Vermittlers … (S. 166 ff.).
„Die moderne Vorstellung, dass Banken in der Lage sind, Einlagen zu schaffen, schien eine verblüffende Abweichung von der Ansicht der meisten Ökonomen des neunzehnten Jahrhunderts zu sein. Wenn wir uns jedoch dieser modernen Vorstellung auf die oben beschriebene Weise nähern, stellen wir fest, dass sie sich in fast dieselben Elemente auflöst, die viele der älteren Autoren als das Wesen der Bankgeschäfte betrachteten: die Bereitstellung von Vertrauen, das die Wirtschaftssubjekte dazu veranlasst, sich gegenseitig Kredite zu gewähren, indem sie die Bank als Vermittler nutzen“ (S. 169).
Der Einfluss von Phillips war in der Tat bedeutend. Selbst 1995 argumentierte Goodfriend noch, dass
„… Phillips zeigte, dass die Summierung der Kredit- und Einlagenschöpfungsreihen über alle einzelnen Banken die multiplen Expansionsformeln für das System als Ganzes ergibt. Phillips‘ endgültige Darstellung hat die Theorie im Wesentlichen ein für alle Mal in der Form etabliert, wie sie heute in Wirtschaftslehrbüchern zu finden ist.“ – [nachgedruckt in Yohe (1995, S. 535)]
Aussagen wie diese wurden in den 1950er und 1960er Jahren zum Mainstream.25 Die Sichtweise der Mindestreserve-Theorie dominierte mit der Zeit auch die Lehrbuchbeschreibungen der Funktionsweise des Geld- und Bankensystems. Es gibt kein Lehrbuch der Nachkriegszeit, das repräsentativer und einflussreicher ist als das von Samuelson (1948). Die ursprüngliche erste Auflage ist in ihrer Beschreibung der Mindestreserve-Theorie eindeutig: Unter der Überschrift „Können Banken wirklich Geld schaffen?“ weist Samuelson zunächst „falsche Erklärungen, die immer noch weit verbreitet sind“, zurück (S. 324):
„Nach diesen falschen Erklärungen sind die Manager einer gewöhnlichen Bank in der Lage, durch den Gebrauch ihres Füllfederhalters mehrere Dollar für jeden bei ihnen hinterlegten Dollar zu leihen. Kein Wunder, dass praktische Banker rot sehen, wenn ihnen ein solches Verhalten unterstellt wird. Sie wünschten nur, sie könnten das auch. Wie jeder Bankier weiß, kann er kein Geld investieren, das er nicht hat; und jedes Geld, das er in den Kauf eines Wertpapiers oder in die Vergabe eines Kredits investiert, wird seine Bank bald verlassen“ (S. 324).
Samuelson argumentiert also, dass eine Bank zuerst die Mittel beschaffen muss, bevor sie Bankkredite vergeben kann. Dies steht nicht im Einklang mit der Kreditschöpfungstheorie. Samuelson argumentiert jedoch, dass das Bankensystem im Großen und Ganzen Geld schafft. Er veranschaulicht sein Argument mit dem Beispiel einer „kleinen Bank“, die mit einer Mindestreservepflicht von 20 % konfrontiert ist, und betrachtet die Konten der Bank (B/S). Wenn diese Bank eine neue Bareinlage von 1000 $ erhält, fragt Samuelson: „Was kann die Bank jetzt tun?“ (S. 325).
„Kann sie ihre Kredite und Investitionen um $4000 erhöhen …?“
„Die Antwort lautet eindeutig ‚Nein‘. Warum nicht? Die Gesamtaktiva entsprechen den Gesamtpassiva. Die Barreserven erfüllen die gesetzliche Vorgabe, 20 Prozent der gesamten Einlagen zu betragen. Das ist richtig. Aber wie bezahlt die Bank die von ihr gekauften Anlagen oder ertragreichen Vermögenswerte? Wie jeder andere stellt sie einen Scheck aus – an den Mann, der die Anleihe verkauft oder den Schuldschein unterschreibt. … Der Kreditnehmer gibt das Geld für Arbeit, für Material oder vielleicht für ein Auto aus. Das Geld wird also sehr bald von der Bank ausgezahlt werden müssen. … Eine Bank kann nicht von ihrem Kuchen essen und ihn auch haben. Tabelle 4b gibt also ein völlig falsches Bild von dem, was eine einzelne Bank tun kann“ (S. 325 ff.).
Stattdessen erklärt Samuelson, dass eine einzelne Bank keinen Kredit aus dem Nichts schaffen kann, da das gesamte ausgeliehene Geld die Bank verlässt:
„Was diese erste Bank betrifft, sind wir am Ende. Ihre gesetzlichen Reserven reichen gerade aus, um ihre Einlagen zu decken. Sie kann nichts mehr tun, bis die Öffentlichkeit beschließt, mehr Geld einzulegen“ (S. 326).
Andererseits unterstreicht Samuelson, dass
„Das Bankensystem als Ganzes kann leisten, was die einzelne kleine Bank nicht tun kann! (S. 324),
nämlich Geld zu schaffen. Samuelson erklärt dies anhand des iterativen Prozesses, bei dem die Kredite einer Bank (die auf früheren Einlagen beruhen) zu Einlagen einer anderen Bank werden, und so weiter. Er zeigt „diese Kette der Einlagenschöpfung“ in einer Tabelle, die zu Gesamteinlagen im Bankensystem in Höhe von 5000 $ (von 1000 $) führt, was aufgrund der Mindestreservepflicht von 20 % einen „Geldmultiplikator“ von fünfmal bedeutet (unter der Annahme, dass kein Bargeld „entweicht“).
Was Samuelson als „multiple Einlagenexpansion“ bezeichnet, wird in der fünfzehnten Auflage seines Buches (Samuelson & Nordhaus, 1995) ein halbes Jahrhundert später auf die gleiche Weise und mit bemerkenswerter Ähnlichkeit beschrieben, nur dass die als Beispiel angeführte Mindestreservepflicht auf 10 % gesenkt wurde: „Alle Banken können tun, was eine allein nicht kann“ (S. 493). Es gibt subtile, aber wichtige Unterschiede. Der diesem Thema insgesamt gewidmete Raum ist 1995 viel kleiner als 1948. Im modernen Lehrbuch heißt es, dass die von der Zentralbank geschaffenen Reserven von den Banken „als Input“ verwendet und dann „in eine viel größere Menge Bankgeld“ „umgewandelt“ werden (S. 490). Auf die Theorie der Kreditschöpfung wird weit weniger eingegangen. Stattdessen wird jede Bank eindeutig als reiner Finanzintermediär dargestellt, der Einlagen entgegennimmt und dieses Geld (abzüglich des Mindestreserve-Solls) ausleiht.26 Die Mindestreserve-Theorie [Theorie der fraktionalen Reserve, Anm. d. Übersetzers] war zum Mainstream geworden:
„Jede kleine Bank ist in ihrer Fähigkeit begrenzt, ihre Kredite und Investitionen auszuweiten. Sie kann nicht mehr verleihen oder investieren, als sie von den Einlegern erhalten hat“ (S. 496).
In der Zwischenzeit werden die Bankeinlagen vom „Finanzsystem“ in einem abstrakten Prozess „bereitgestellt“, auf den die einzelne Bank kaum Einfluss hat (S. 494). Die eindeutige Mindestreserve-Theorie scheint also in den Jahren nach den 1950er Jahren entstanden zu sein. Sie kann wie in Abb. 1 dargestellt werden.
In diesem System bewegen sich die Gelder zwischen dem Publikum, den Banken und der Zentralbank ohne jegliche Barrieren. Jede Bank ist ein Finanzintermediär, aber insgesamt wird aufgrund des Mindestreserve-Bankwesens Geld im Bankensystem geschaffen (vervielfältigt). Konkret kann jede Bank nur dann einen Kredit gewähren, wenn sie zuvor neue Reserven erhalten hat, von denen immer ein Teil bei der Zentralbank hinterlegt wird. Sie kann dann nur so viel ausleihen, wie diese überschüssigen Reserven betragen, wie in den wichtigsten Lehrbüchern deutlich gemacht wird. Mit den Worten von Stiglitz (1997):
„Es sollte klar sein, dass, wenn es viele Banken gibt, keine einzelne Bank Mehrfacheinlagen schaffen kann. Die einzelnen Banken sind sich möglicherweise nicht einmal der Rolle bewusst, die sie im Prozess der Schaffung von Mehrfacheinlagen spielen. Sie sehen nur, dass ihre Einlagen gestiegen sind und sie deshalb mehr Kredite vergeben können“ (S. 737).
In einem anderen Lehrbuch über Geld und Banken:
„In diesem Beispiel ging eine Person zu Bank 1 und zahlte einen auf eine andere Bank ausgestellten Scheck über 100.000 $ ein. Diese 100.000 Dollar wurden Teil der Reserven von Bank 1. Da diese Einzahlung sofort zu überschüssigen Reserven führte, waren weitere Kredite für Bank 1 möglich. Bank 1 verlieh die überschüssigen Reserven, um Zinsen zu erhalten. Eine Bank kann nicht mehr als ihre Überschussreserven verleihen, da sie gesetzlich verpflichtet ist, einen bestimmten Betrag an Pflichtreserven zu halten.“ – [Miller and VanHoose (1993, S. 331)]
Die Einreichung eines Schecks einer anderen Bank erhöht jedoch nicht die „Gesamtbeträge der Einlagen und Gelder“:
„Bedenken Sie aber, dass die Einlage ein Scheck war, der auf eine andere Bank ausgestellt war. Daher hat die andere Bank einen Rückgang ihrer Transaktionseinlagen und ihrer Reserven erlitten. Während die Gesamtaktiva und -passiva in Bank 1 um 100.000 $ gestiegen sind, sind sie in der anderen Bank um 100.000 $ gesunken. Die Gesamtmenge an Geld und Krediten in der Wirtschaft wird also durch den Transfer von Geldern von einem Einlageninstitut zu einem anderen nicht berührt. Jedes Einlageninstitut kann nur in dem Maße Kredite (und Einlagen) schaffen, wie es über überschüssige Reserven verfügt. Es ist zu beachten, dass keine neuen Reserven geschaffen werden, wenn auf eine Bank ausgestellte Schecks bei einer anderen Bank eingezahlt werden. Das Federal Reserve System kann jedoch neue Reserven schaffen“ (S. 331).
Im Lehrbuch von Heffernan (1996) heißt es:
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle modernen Banken als Vermittler zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern fungieren, aber sie können dies auf unterschiedliche Weise tun, von der traditionellen Funktion der Entgegennahme von Einlagen und der Vergabe eines Prozentsatzes dieser Einlagen bis hin zu gebührenpflichtigen Finanzdienstleistungen“ (S. 18).
„Für die Bank, die diese überschüssigen Mittel bündelt, ergibt sich eine Gewinnchance durch die Kreditvergabe mit Mindestreserven, d.h. durch das Ausleihen von Geld zu einem höheren Zinssatz als dem, den die Bank für die Einlage zahlt, nachdem sie das Risiko des Kredits und die Kosten der Vermittlung berücksichtigt hat“ (S. 20).
Die Fraktionalreservetheorie hat zwar viele Anhänger gefunden und ist bis heute eine wichtige und einflussreiche Theorie, aber sie ist nicht für ihre Klarheit bekannt:
„Das Problem der Art und Weise, wie das Bankensystem das Gesamtvolumen des zirkulierenden Mediums vergrößert, während gleichzeitig die Kreditvergabekraft der einzelnen Banken stark eingeschränkt ist, hat sich als eines der rätselhaftesten für die Autoren der Bankentheorie erwiesen.“ – [Mints (1945, S. 39)]
Es wurden mehrere Versuche unternommen, dieses Problem im Rahmen der Theorie des fraktionalen Reserve-Bankwesens zu lösen, so z. B. von Saving (1977), der das Angebot an Bankeinlagen zu einer Funktion des Verhaltens der Sparer machte – mit dem Argument, dass die Geldmenge endogen ist. Dadurch wurde die Intermediärfunktion von der Ebene der einzelnen Bank auf die Ebene der Volkswirtschaft verlagert, was zur Formulierung der Theorie der Finanzintermediation beitrug, der wir uns nun zuwenden.
2.3. Die Theorie der Finanzintermediation
Während die Theorie der fraktionalen Reserve des Bankwesens von den 1930er bis zu den 1960er Jahren einflussreich war, hat Keynes möglicherweise wichtige Zweifel gesät. Bereits in seiner „Abhandlung“ verwendet Keynes (1930) Anführungszeichen, um suggestiv auf „Die ‚Schöpfung‘ von Bankgeld“ (ein Abschnittstitel) zu verweisen. Dieses rhetorische Mittel, das der bereits als führender Wirtschaftswissenschaftler der Welt gepriesene Experte anwendet, impliziert Missbilligung und Spott für das Konzept, dass Banken Geld aus dem Nichts erschaffen können. Dieser Kunstgriff wurde von vielen anderen Autoren nach Keynes kopiert, die ebenfalls die Rolle der Banken als „Finanzvermittler“ betonten. In Keynes‘ Worten:
„Ein Bankier verfügt über Mittel, die er verleihen oder anlegen kann, und zwar in Höhe eines großen Teils (fast 90 %) der Einlagen seiner Einleger, die ihm angerechnet werden. Soweit es sich bei seinen Einlagen um Spareinlagen handelt, fungiert er lediglich als Vermittler für den Transfer von Kreditkapital. Soweit es sich um Bareinlagen handelt, fungiert er sowohl als Anbieter von Geld für seine Einleger als auch als Anbieter von Mitteln für seine Kreditkunden. Der moderne Bankier erbringt also zwei verschiedene Arten von Dienstleistungen. Er liefert einen Ersatz für staatliches Geld, indem er als Clearingstelle fungiert und laufende Zahlungen zwischen seinen verschiedenen Kunden mittels Bucheinträgen auf der Kredit- und Debit-Seite hin- und herbewegt. Er fungiert aber auch als Vermittler für eine bestimmte Art der Kreditvergabe, indem er Einlagen des Publikums entgegennimmt, die er für den Kauf von Wertpapieren oder für die Vergabe von Krediten an Industrie und Handel, hauptsächlich zur Deckung des Bedarfs an Betriebskapital, verwendet. Diese Doppelfunktion ist der Schlüssel zu vielen Schwierigkeiten in der modernen Geld- und Kredittheorie sowie die Quelle einiger ernsthafter Verwirrungen im Denken.“ – [Keynes (1930, Band 2, S. 213)]
Der Keynes des „Traktats“ scheint zu sagen, dass die beiden Funktionen der Banken darin bestehen, entweder als Finanzintermediär zu fungieren, der die Funktion der Abwicklung von Handelsgeschäften erfüllt, oder als Finanzintermediär zu fungieren, der Einlagen sammelt und den Großteil dieser Einlagen ausleiht. Es scheint überhaupt keine Geldschöpfung im Spiel zu sein, jedenfalls nicht auf der Ebene der einzelnen Bank. Keynes‘ einflussreichstes Werk, die „General Theory“ (Keynes, 1936), stellte seine frühere Abhandlung über das Geld in Bezug auf ihren Einfluss auf die öffentliche Debatte schnell in den Schatten. In der „General Theory“ legte Keynes keinen Wert auf die Banken, die seiner Ansicht nach nun Finanzintermediäre waren, die erst Einlagen erwerben mussten, bevor sie Kredite vergeben konnten:
„Die Vorstellung, dass die Kreditschöpfung durch das Bankensystem Investitionen ermöglicht, denen ‚keine echte Ersparnis‘ entspricht, kann nur das Ergebnis der Isolierung einer der Folgen des erhöhten Bankkredits unter Ausschluss der anderen sein … Es ist unmöglich, dass die Absicht des Unternehmers, der einen Kredit aufgenommen hat, um die Investitionen zu erhöhen, schneller wirksam werden kann (außer als Ersatz für die Investitionen anderer Unternehmer, die sonst getätigt worden wären), als die Öffentlichkeit beschließt, ihre Ersparnisse zu erhöhen. … Niemand kann gezwungen werden, das zusätzliche Geld zu besitzen, das dem neuen Bankkredit entspricht, es sei denn, er zieht es absichtlich vor, mehr Geld zu besitzen, anstatt eine andere Form von Reichtum. …. Daher ist die altmodische Ansicht, dass Sparen immer mit Investitionen einhergeht, obwohl sie unvollständig und irreführend ist, formal solider als die neumodische Ansicht, dass es Sparen ohne Investitionen oder Investitionen ohne ‚echtes‘ Sparen geben kann.“ – [Keynes (1936, S. 82 ff.)]
Schumpeter (1954) kommentierte diesen Wandel in der Sichtweise von Keynes:
Der „einlagenschaffende Bankkredit und seine Rolle bei der Finanzierung von Investitionen ohne vorheriges Ansparen der geliehenen Beträge sind im analytischen Schema der Allgemeinen Theorie praktisch verschwunden, wo wieder die sparende Öffentlichkeit die Szene beherrscht. Der orthodoxe Keynesianismus ist in der Tat zu der alten Sichtweise zurückgekehrt … Ob dies einen Fortschritt oder einen Rückschritt bedeutet, muss jeder Ökonom für sich selbst entscheiden“ (S. 1115, kursiv im Original).
In der frühen Nachkriegszeit erfuhr die Allgemeine Theorie von Keynes einen beispiellosen Einfluss, und eine keynesianische Denkschule, der es gelang, Keynes‘ frühere Schriften über die Kreditschöpfung der Banken zu ignorieren, wurde in der akademischen Welt dominant. In Anbetracht der Tatsache, dass ein früherer Hauptbefürworter sowohl der Kreditschöpfungs- als auch der Mindestreserve-Theorie des Bankwesens seinen Standpunkt auf die neue Theorie der Finanzintermediation verlagert hatte, ist es nicht überraschend, dass andere folgen würden.
Eine äußerst einflussreiche Infragestellung der fraktionierten Reservetheorie des Bankwesens wurde von Gurley und Shaw (1955, 1960) vorgenommen. Sie wiesen die Ansicht zurück, dass „Banken sich durch ihre Fähigkeit auszeichnen, kreditfähige Mittel aus der Hand zu geben, während andere Intermediäre mit der bescheidenen Vermittlungsfunktion der Weitergabe von kreditfähigen Mitteln beschäftigt sind, die irgendwie anderswo erzeugt wurden“ (1955, S. 521). Abgesehen von den üblichen rhetorischen Mitteln zur Verunglimpfung der alternativen Theorien lautete das eigentliche Argument von Gurley und Shaw, dass die Banken nicht als „besonders“ herausgestellt werden sollten, da die Finanzvermittlungsfunktion der Banken mit der anderer Finanzintermediäre identisch sei:
„Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen dem monetären System und nicht-monetären Intermediären, und die Ähnlichkeiten sind wichtiger als die Unterschiede. Beide Arten von Finanzinstituten schaffen finanzielle Forderungen, und beide können in Bezug auf eine bestimmte Klasse von Vermögenswerten, die sie halten, mehrfache Verbindlichkeiten schaffen.“ – [Gurley and Shaw (1960, S. 202)]
Banken und das Bankensystem, so heißt es, müssen wie andere Finanzintermediäre zunächst Einlagen einsammeln und sind dann in der Lage, diese auszuleihen. Nach dieser Auffassung ist jede verbleibende Sonderrolle der Banken auf überholte Vorschriften zurückzuführen, die die Banken unterschiedlich behandeln. Daher, so argumentieren sie, sollte die Federal Reserve ihre Bankenaufsicht auf die wachsende Zahl von Finanzintermediären, die keine Banken sind, ausdehnen und sie somit genauso behandeln wie die Banken.
Anfängliche Anfechtungen durch Befürworter der Theorie des fraktionalen Reserve-Bankwesens (siehe Guttentag & Lindsay, 1968) wurden in den 1960er Jahren hinweggefegt, als James Tobin, ein neuer aufstrebender Stern am Wirtschaftshimmel, klar Stellung bezog und eine andere „neue Sichtweise“ des Bankwesens verkündete, indem er die moderne Version der Theorie der Finanzintermediation des Bankwesens formulierte.
„Tobin (1963), der sich 1963 auf die Trümmer stellte, um die ’neue Sichtweise‘ des Geschäftsbankwesens darzulegen, stellt sich mit Gurley und Shaw gegen die traditionelle Sichtweise“. – [Guttentag and Lindsay (1968, S. 993)]
Wie Keynes, Alhadreff und andere vor ihm bezog sich Tobin auf die Kreditschöpfung der Banken nur in Anführungszeichen und benutzte rhetorische Mittel, um die Idee ins Lächerliche zu ziehen, dass Banken, einzeln oder gemeinsam, Geld und Kredit schaffen könnten. Tobin (1963) argumentierte:
„Weder individuell noch kollektiv verfügen die Geschäftsbanken über einen Witwenkasten“ (S. 412).
„Die Unterscheidung zwischen Geschäftsbanken und anderen Finanzintermediären wurde zu scharf getroffen. Die Unterschiede sind nur graduell, nicht artbezogen … Insbesondere haben die Unterschiede, die es gibt, wenig mit der monetären Natur der Bankverbindlichkeiten zu tun … Die Unterschiede hängen vielmehr mit den besonderen Mindestreserveanforderungen und Zinsobergrenzen zusammen, denen die Banken unterworfen sind. Jeder andere Finanzsektor, der den gleichen Vorschriften unterliegt, würde sich in etwa gleich verhalten.“ (S. 418).
Banken scheinen sich nur deshalb von anderen zu unterscheiden, weil die Regulierungsbehörden sie fälschlicherweise für eine besondere Regulierung ausgewählt haben. Nach Tobins Ansicht „sind Geschäftsbanken anders, weil sie kontrolliert werden, und nicht umgekehrt“ (Guttentag & Lindsay, 1968, S. 993). Das Portfoliomodell von Tobin und Brainard (1963) machte keinen Unterschied zwischen Banken und Nichtbanken-Finanzintermediären, ignorierte die Rolle der Banken sogar völlig und trug wesentlich zur modernen Mainstream-Ansicht von Wirtschaftsmodellen ohne Banken bei. Branson (1968) entwickelte den neuen Ansatz von Tobin weiter, der in den führenden Fachzeitschriften großen Anklang fand.
Guttentag und Lindsay (1968) schrieben im „Journal of Political Economy“, dass trotz der Herausforderung durch Gurley und Shaw (1955) „die Frage der Einzigartigkeit andererseits ungelöst bleibt“ (S. 992). Banken, so argumentierten sie, unterscheiden sich in ihrer Rolle und ihren Auswirkungen von Finanzintermediären außerhalb des Bankensektors, da „Geschäftsbanken eine größere Kapazität zur Veränderung des Gesamtkreditvolumens haben als andere Finanzintermediäre“ (S. 991). „Diese Punkte liefern eine Begründung für besondere Kontrollen von Geschäftsbanken, die über die Notwendigkeit hinausgeht, eine Finanzpanik zu verhindern. Es ist die Begründung, die von den Verteidigern der traditionellen Ansicht, dass Geschäftsbanken ‚einzigartig‘ sind, seit der Anfechtung dieser Ansicht durch Gurley-Shaw gesucht wird“ (S. 991).
Unbeeindruckt davon bekräftigt Tobin (1969) seine Ansicht in einem Artikel, in dem er seinen Portfolio-Balance-Ansatz für die Finanzmärkte begründet, der besagt, dass die Finanzmärkte ein komplexes Geflecht von Vermögenswerten und Preisen sind, in dem die Banken nur eine von vielen Arten von Intermediären sind, ohne eine besondere Rolle zu spielen.27 Dies war der erste Artikel in der ersten Ausgabe einer neuen Zeitschrift, dem „Journal of Money, Credit and Banking“. Obwohl der Name der Zeitschrift Offenheit gegenüber den verschiedenen Theorien des Bankwesens suggeriert, hat sie in der Praxis nur Artikel veröffentlicht, die die Theorie der Kreditschöpfung nicht unterstützten und hauptsächlich mit der Theorie der Finanzintermediation übereinstimmten. Dies gilt auch für die meisten anderen Zeitschriften, die als „führende Zeitschriften“ in den Wirtschaftswissenschaften eingestuft werden (z. B. unter Verwendung der mit 4 bewerteten Zeitschriften aus der Liste der „UK Association of Business Schools in Economics“). Von nun an sollte sich der Portfolio-Balance-Ansatz durchsetzen, der alle Finanzinstitute als reine Portfoliomanager behandelt. Er trug dazu bei, dass die Theorie der Finanzintermediation zum vorherrschenden Glaubensbekenntnis unter Wirtschaftswissenschaftlern weltweit wurde.
Zu den modernen Vertretern der allgegenwärtigen Theorie der Finanzintermediation gehören unter anderem Klein (1971), Monti (1972), Sealey und Lindley (1977), Diamond und Dybvig (1983), Diamond (1984, 1991, 2007), Eatwell, Milgate und Newman (1989), Gorton und Pennacchi (1990), Bencivenga und Smith (1991), Bernanke und Gertler (1995), Rajan (1998), Myers und Rajan (1998), Allen und Gale (2000, 2004a,b), Allen und Santomero (2001), Diamond und Rajan (2001), Kashyap, Rajan, und Stein (2002), Hoshi und Kashyap (2004), Matthews und Thompson (2005), Casu und Girardone (2006), Dewatripont, Rochet und Tirole (2010), Gertler und Kiyotaki (2011) und Stein (2014). Es gibt noch viele mehr: Es ist unmöglich, eine abschließende Liste zu erstellen, da die überwiegende Mehrheit der Artikel, die in den letzten dreißig bis vierzig Jahren in führenden Wirtschafts- und Finanzzeitschriften veröffentlicht wurden, auf der Theorie der Finanzintermediation als Prämisse beruht.28
Um nur einige Beispiele zu nennen: Klein (1971), Monti (1972) (später EU-Kommissar und Ministerpräsident Italiens) und andere modellieren Banken als Finanzintermediäre, die Einlagen entgegennehmen und diese Gelder ausleihen:
„Die Bank verfügt über zwei Hauptfinanzierungsquellen: das ursprünglich in das Unternehmen investierte Eigenkapital … und Fremdmittel, die durch die Ausgabe verschiedener Arten von Einlagen gesichert sind ….“ – [Klein (1971, S. 208)]
„… Es wird gezeigt, wie die Bank die Preise bestimmt, die sie für verschiedene Arten von Einlagen zu zahlen bereit ist, und wie diese Preise in Verbindung mit den Einlagenangebotsfunktionen, mit denen die Bank konfrontiert ist, den Umfang und die Zusammensetzung der Einlagenverbindlichkeiten bestimmen, die die Bank eingehen wird.“ – [Klein (1971, S. 210)]
Diamond und Dybvig (1983) werden als das bahnbrechende Werk über das Bankwesen zitiert, und sie argumentieren, dass „die Illiquidität von Vermögenswerten die Grundlage sowohl für die Existenz von Banken als auch für ihre Anfälligkeit für einen Run bildet“ (S. 403). Tatsächlich wird in ihrer Theorie jedoch nicht zwischen Banken und Nichtbanken unterschieden. Sie können daher nicht erklären, warum wir von Bank-Runs, aber nicht von „Insurance Runs“ oder „Finance Company Runs“ gehört haben, obwohl letztere ebenfalls illiquide Vermögenswerte halten und Kredite vergeben. Diamond und Dybvig können nicht feststellen, was Banken zu etwas Besonderem machen könnte, da sie davon ausgehen, dass sie es nicht sind.
Andere Theorien über Banken als Finanzintermediäre werden von Mayer (1988) und Hellwig (1977, 1991, 2000) vertreten, die ebenfalls davon ausgehen, dass Banken lediglich Finanzintermediäre sind:
„Die Analyse verwendet das ursprüngliche Modell von Diamond (1984) für Finanzkontrakte, bei denen die Überwachung delegiert wird. …. Es wird angenommen, dass die Überwachung zu teuer ist, um von den vielen Haushalten genutzt zu werden, die notwendig sind, um ein Unternehmen oder einen Vermittler zu finanzieren. Die direkte Finanzierung von Unternehmen auf der Grundlage von nicht-geldlichen Strafen kann jedoch durch eine zwischengeschaltete Finanzierung mit Überwachung der Unternehmen durch einen Vermittler dominiert werden, der seinerseits durch Verträge mit nicht-geldlichen Strafen Mittel von den Haushalten erhält.“ – [Hellwig (2000, S. 721 ff.)]
Der Bankenexperte Heffernan (1996) stellt fest:
„Die Existenz der ‚traditionellen‘ Bank, die zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber vermittelt und ihren Kunden einen Zahlungsverkehrsdienst anbietet, passt gut zur Coase-Theorie“ (S. 21).
… oder ein führendes Lehrbuch über internationale Wirtschaft und Finanzen, von Krugman und Obstfeld (2000):
„Die Banken verwenden die Gelder der Einleger, um Kredite zu vergeben und andere Vermögenswerte zu erwerben …“ (p. 659).
Ein weit verbreitetes Nachschlagewerk zum Thema Banken und Geld – das „New Palgrave Money“ (Eatwell et al., 1989) – enthält eine Reihe von Beiträgen führender Geldwirtschaftler und Bankenexperten. Darin unterstützt Baltensperger (1989) eindeutig die Theorie der Finanzintermediation:
„Die Rolle des Kredits als solcher muss klar von der wirtschaftlichen Rolle der Kreditinstitute, wie z. B. der Banken, getrennt werden, die als spezialisierte Vermittler auf dem Kreditmarkt auftreten, indem sie Kreditinstrumente (unterschiedlicher Art und Qualität) kaufen und gleichzeitig verkaufen. Da die endgültigen Kreditnehmer und Kreditgeber im Prinzip direkt miteinander Geschäfte machen können, ohne die Hilfe eines solchen Vermittlers, ist die Funktion dieser Vermittler von der des Kredits als solchem zu trennen. Es lassen sich zwei Hauptfunktionen solcher Institutionen unterscheiden. Die erste ist die Funktion der Risikokonsolidierung und -transformation. … Die zweite Hauptfunktion dieser Institute ist die eines Maklers auf den Kreditmärkten. Als solche sind sie auf die Durchführung von intertemporalen Tauschgeschäften spezialisiert und verdanken ihre Existenz ihrer Fähigkeit, Gläubiger und Schuldner zu niedrigeren Kosten zusammenzubringen, als letztere in direkten Transaktionen selbst erzielen können.“ (S. 100 ff.)
In der Tat bezeichnen fast alle Autoren in diesem Nachschlagewerk die Banken als reine Finanzintermediäre, selbst Goodhart (1989):
„‚Intermediation'“ bezieht sich im Allgemeinen auf die Einschaltung eines Finanzinstituts in den Prozess des Geldtransfers zwischen Endsparern und Endkreditnehmern. … Von Disintermediation spricht man dann, wenn ein Eingriff, in der Regel durch staatliche Stellen zur Kontrolle oder Regulierung des Wachstums von Finanzintermediären, deren Vorteile bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen schmälert und Finanztransfers und Geschäfte in andere Kanäle lenkt. … Ein Beispiel hierfür ist, wenn hohe Mindestreserveanforderungen an die Banken diese dazu veranlassen, die Marge (die Spanne) zwischen Einlagen- und Kreditzinsen zu erhöhen, um ihre Rentabilität aufrechtzuerhalten, so dass die kreditwürdigeren Kreditnehmer dazu veranlasst werden, sich kurzfristige Mittel direkt von den Sparern zu beschaffen, zum Beispiel auf dem Markt für Handelspapiere“ (S. 144).
Myers und Rajan (1998) stellen fest:
„Wir modellieren den Intermediär als eine Bank, die von einer Reihe von Einzelanlegern Kredite für ihr eigenes Kerngeschäft und zur Weitervergabe an ein Projekt aufnimmt … Auch wenn die Bank mehr von dem endgültigen Kreditnehmer erhalten kann, muss sie diese Kredite durch die Aufnahme von Krediten bei Einzelanlegern finanzieren“ (S. 755).
Allen und Santomero (2001) stellen in ihrem Papier mit dem Titel „What do financial intermediaries do?“ fest:
„In diesem Papier nutzen wir diese Beobachtungen als Ausgangspunkt für die Überlegung, was die Finanzintermediäre tun. Im Kern erfüllen Finanzsysteme natürlich die Funktion, die Ressourcen von Wirtschaftseinheiten mit überschüssigen Mitteln (Sparer) auf Wirtschaftseinheiten mit Finanzierungsbedarf (Kreditnehmer) umzuverteilen“ (S. 272).
Auch Kashyap (2002) ist der Ansicht, dass Banken reine Finanzintermediäre sind, die sich nicht wesentlich von anderen Nicht-Banken unterscheiden.29
Stein (2014) stellt, wenn auch mit einigem Zögern, fest:
„… zumindest in einigen Fällen scheint es so zu sein, dass die Größe einer Bank durch ihr Einlagengeschäft bestimmt wird, und dass, wenn man diese Einlagen als gegeben ansieht, das Problem dann darin besteht, wie man sie am besten investiert.“ (S. 5)
„Unsere Zusammenfassung dieser stilisierten Fakten lautet, dass die Banken Einlagen entgegennehmen und diese Einlagen in festverzinsliche Vermögenswerte investieren, die bestimmte, genau definierte Risiko- und Liquiditätsmerkmale aufweisen, aber entweder Kredite oder Wertpapiere sein können.“ (S. 7)
Die Theorie der Finanzintermediation umfasst die „Kreditsicht“ in der Makroökonomie, die einen „Bankkreditkanal“ für die monetäre Transmission vorschlägt (Bernanke & Blinder, 1989; Bernanke & Gertler, 1995), sowie die neoklassischen und neuen klassischen makroökonomischen Modelle (sofern sie Banken überhaupt berücksichtigen). Für diese und die meisten zeitgenössischen Autoren der Wirtschafts- und Finanzwissenschaft sind Banken Finanzintermediäre wie andere Unternehmen des Finanzsektors, die sich auf die „Umwandlung“ von Verbindlichkeiten mit bestimmten Merkmalen in Vermögenswerte mit anderen Merkmalen (z. B. in Bezug auf Laufzeit, Liquidität und Menge/Größe) konzentrieren oder die sich auf die „Überwachung“ anderer konzentrieren (Sheard, 1989, ein weiterer Anhänger der Theorie der Finanzintermediation im Bankwesen), aber weder individuell noch kollektiv Kredite schaffen. Dies gilt für viele „Post-Keynesianer“, die argumentieren, dass das Geldangebot durch die Geldnachfrage bestimmt wird. Dies gilt auch für populäre Beschreibungen wie die von Koo und Fujita (1997), die argumentieren, dass Banken lediglich Finanzvermittler sind:
„Aber die Finanzinstitute, die Geschäftspartner der Bank of Japan sind, finanzieren sich in erster Linie durch das Geld, das die Einleger bei ihnen deponiert haben. Dieses Geld können sie nicht für Konsum und Investitionen weitergeben, da sie es gegen Zinsen ausleihen müssen, um Geld zu verdienen. Mit anderen Worten: Damit dieses Geld die Wirtschaft stützen kann, müssen die Finanzinstitute es an Unternehmen und Privatpersonen verleihen. Diese Kreditnehmer müssen es dann verwenden, um Vermögenswerte wie Maschinen, Wohnungen oder Dienstleistungen zu kaufen“ (S. 31).
Ein neueres Papier von Allen, Carletti und Gale (2014) führt Geld ein – allerdings nur von der Zentralbank geschaffenes Bargeld, während Banken lediglich Finanzintermediäre sind, die weder Geld noch Kredite schaffen können.
Infolgedessen beziehen die führenden Prognosemodelle, die von politischen Entscheidungsträgern verwendet werden, auch die Banken nicht mit ein (Bank of England, 2014a). Selbst die ursprüngliche Bedeutung der Kreditschöpfung scheint in der modernen Literatur vergessen zu sein: Bernanke (1993) verwendet in seinem Artikel häufig den Ausdruck „Kreditschöpfung“, erklärt aber, dass dieses Konzept definiert ist als „der Prozess, durch den Ersparnisse einer alternativen Verwendung zugeführt werden“, d. h. die finanzielle Vermittlung von Einlagen der Sparer in Kredite:
„Diese zufällige Verbindung von Ereignissen und Ideen hat dazu beigetragen, dass die Rolle des Kredits in der Makroökonomie von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern stärker gewürdigt wird. Der Zweck dieses Papiers ist es, einige neuere Entwicklungen in unserem Verständnis der makroökonomischen Rolle des Kredits oder, genauer gesagt, des Kreditschöpfungsprozesses zu überprüfen und zu interpretieren. Unter Kreditschöpfungsprozess verstehe ich den Prozess, bei dem die Ersparnisse bestimmter Personen oder Unternehmen im Austausch gegen Papierforderungen anderen Personen oder Unternehmen zur Verfügung gestellt werden (z. B. für Kapitalinvestitionen oder einfach zum Konsum). Ich unterscheide deutlich zwischen der Kreditschöpfung, d. h. dem Prozess, bei dem Ersparnisse für andere Zwecke zur Verfügung gestellt werden, und dem Sparen selbst … In meinem weit gefassten Konzept des Kreditschöpfungsprozesses schließe ich den größten Teil der Wertschöpfung der Finanzindustrie ein, einschließlich der Informationsbeschaffung, des Screenings und der Überwachung, die erforderlich sind, um solide Kredite oder Investitionen zu tätigen, sowie einen Großteil der Dienstleistungen zur Risikoteilung, Fristentransformation und Liquiditätsbereitstellung, die Sparer anziehen und somit die grundlegenden Kredit- und Investitionsfunktionen unterstützen. In meine Definition des Kreditschöpfungsprozesses möchte ich auch Aktivitäten einbeziehen, die von potenziellen Kreditnehmern unternommen werden, um den Kreditgebern Informationen über sich selbst zu übermitteln: Bei Unternehmen umfassen diese Aktivitäten beispielsweise die Bereitstellung von Daten für die Öffentlichkeit, interne oder externe Rechnungsprüfung, Kapitalstrukturentscheidungen und einige Aspekte der Unternehmensführung. Die Effizienz des Kreditschöpfungsprozesses spiegelt sich sowohl in seiner Fähigkeit wider, die direkten Kosten der Kreditvergabe zu minimieren (z. B. die Gesamtlohnsumme der Finanzindustrie), als auch in dem Ausmaß, in dem er in der Lage ist, die Ersparnisse einer Volkswirtschaft den produktivsten Verwendungsmöglichkeiten zuzuführen. Die traditionelle makroökonomische Analyse geht davon aus, dass dieser Kreditschöpfungsprozess, durch den Gelder von den Endsparern zu den Kreditnehmern transferiert werden, relativ reibungslos funktioniert und daher in der Regel ignoriert werden kann.“ – [Bernanke (1993, S. 50 ff.)]
Wie Bernanke hervorhebt, werden in den Arbeiten, die von einer solchen Rolle der Banken als Finanzvermittler ausgehen, die Banken daher oft völlig außer Acht gelassen: Sie können in der Wirtschaft nicht besonders wichtig oder relevant sein. Viele gehen sogar so weit, dass sie jede Art von Geld weglassen (in Kiyotaki & Moore, 1997; Woodford, 2003 gibt es keine Geldaggregate). Das am häufigsten verwendete Lehrbuch für fortgeschrittene Master-Level-Volkswirtschaftslehre an führenden britischen Universitäten im Jahr 2010 war Romer (2006). Auf Seite 3 sagt uns Romer:
„Die Einbeziehung von Geld in Modelle des [Wirtschafts-]Wachstums würde die Analyse nur verschleiern“ (S. 3).
2.4. Fazit der Literaturübersicht
Seit den 1960er Jahren hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Banken nicht einzigartig und in der Lage sind, Geld zu schaffen, sondern lediglich Finanzintermediäre wie andere Finanzunternehmen sind, was der Theorie der Finanzintermediation des Bankwesens entspricht. Die Banken wurden daher aus den volkswirtschaftlichen Modellen gestrichen, und die Finanzmodelle lassen nicht vermuten, dass das Handeln der Banken signifikante makroökonomische Auswirkungen hat. Die Fragen, woher das Geld kommt und wie das Geldangebot geschaffen und verteilt wird, blieben unbeantwortet.
Bei der Durchsicht der Literatur wurde eine allmähliche Entwicklung der Ansichten von der Kreditschöpfungstheorie über die Theorie der Mindestreserve bis zur heute allgegenwärtigen Theorie der Finanzintermediation festgestellt. Die Entwicklung verlief nicht ganz reibungslos; mehrere einflussreiche Autoren haben entweder ihre Ansichten (mitunter mehrmals) geändert oder sind zwischen den Theorien hin und her gewechselt. Keynes hat als einflussreicher Wirtschaftswissenschaftler wenig zur Klarheit in dieser Debatte beigetragen, da er für jede der drei Hypothesen angeführt werden kann, die er offenbar nacheinander durchlief.30 Einige Institutionen, wie die Bank of England, schaffen es, Erklärungen zur Unterstützung aller drei Theorien abzugeben.
Aus der Literaturübersicht geht hervor, dass alle drei Theorien des Bankwesens im Laufe des 20. Jahrhunderts von führenden Persönlichkeiten der damaligen Zeit gut vertreten wurden. Die Schlussfolgerung von Sir Josiah Stamp (1927), einem Direktor der Bank of England, scheint jedoch auch heute noch Gültigkeit zu haben, nämlich dass „ein ziemliches Durcheinander … in Bezug auf die scheinbar einfache Frage besteht: ‚Können die Banken Kredite schaffen, und wenn ja, wie und in welcher Höhe?'“ Trotz etwa eines Jahrhunderts an Theorien zu diesem Thema hat es kaum Fortschritte bei der eindeutigen Feststellung von Fakten gegeben. Daher gilt heute die Schlussfolgerung von 1968, dass die Frage nicht als „geklärt“ betrachtet werden kann. Es ist möglich, dass das Pendel bald von der Theorie der Finanzintermediation zu einer der beiden anderen Theorien ausschlägt. Doch wie lässt sich vermeiden, dass sich die Geschichte lediglich wiederholt und der Berufsstand ein weiteres Jahrhundert in einer Debatte verbringt, die zu keinem eindeutigen Ergebnis führt?
Wie kann das Problem gelöst und das „Durcheinander“ beseitigt werden? Ein Grund für diesen „Schlamassel“ ist wahrscheinlich die in den Wirtschaftswissenschaften die in den Wirtschaftswissenschaften des 20. Jahrhunderts vorherrscht, nämlich die hypothetisch-deduktive Methode. Unbewiesene „Axiome“ werden „aufgestellt“ und unrealistische Annahmen hinzugefügt, um ein theoretisches Modell zu erstellen. Dies kann für alle drei Theorien durchgeführt werden, und wir wüssten nicht, welche von ihnen tatsächlich gilt. Wie kann die Frage geklärt werden? Der einzige Weg zur Klärung der Fakten ist, die Welt der deduktiven theoretischen Modelle zu verlassen und die die empirische Realität als Schiedsrichter der Wahrheit zu betrachten, wie es die induktive Methodik. Mit anderen Worten, wir müssen uns an die empirischen Beweise wenden um die Frage zu klären.
3. Der empirische Test
Das einfachste mögliche Testdesign besteht darin, die interne Buchhaltung einer Bank während des Prozesses der Kreditvergabe zu untersuchen. Wenn alle erforderlichen Bankkreditverfahren durchgeführt wurden (angefangen bei den Vorschriften zur Kundenkenntnis und zur Bekämpfung der Geldwäsche über die Kreditanalyse und die Risikobewertung bis hin zur Aushandlung der Einzelheiten des Darlehensvertrags) und die Unterschriften für das Bankdarlehen ausgetauscht wurden, wird dem Girokonto des Darlehensnehmers der Darlehensbetrag gutgeschrieben. Die entscheidende Frage ist, ob die Bank als Voraussetzung für diesen Buchungsvorgang, bei dem die Kreditsumme auf dem Bankkonto des Kreditnehmers verbucht wird, diesen Betrag tatsächlich von einem anderen Konto abhebt, was zu einer Verringerung des Saldos eines anderen Unternehmens in gleicher Höhe führt – entweder durch die Inanspruchnahme von Rücklagen (wie in der Theorie der Mindestreserve) oder durch andere Mittel (wie in der Theorie der Finanzintermediation). Sollte sich herausstellen, dass die Bank in der Lage ist, dem Konto des Kreditnehmers die Kreditsumme gutzuschreiben, ohne Geld von einem anderen internen oder externen Konto abgehoben zu haben oder ohne Geld von einer anderen internen oder externen Quelle zu transferieren, wäre dies ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Bank in der Lage war, die Kreditsumme aus dem Nichts zu schaffen. In diesem Fall würde die Kreditschöpfungstheorie gestützt und die Theorie, wonach die einzelne Bank als Vermittler fungiert, der sich zunächst Ersparnisse oder Gelder beschaffen muss, bevor er einen Kredit gewähren kann (sei es in Übereinstimmung mit der Theorie der Mindestreserve oder der Theorie der Finanzintermediation), zurückgewiesen.
3.1. Erwartete Ergebnisse
Bei einem Bankkredit in Höhe von 200.000 €, den der Forscher bei einer Bank aufgenommen hat, werden nach jeder Theorie a priori die folgenden Änderungen in den Buchungen der kreditgebenden Bank erwartet:
(a) Die Bilanzierung von Bankkrediten nach der Kreditschöpfungstheorie. Nach dieser Theorie verhalten sich Banken ganz anders als Finanzintermediäre, wie z. B. Börsenmakler, da sie die Kundengelder nicht von den Eigenmitteln trennen. Geld, das bei einer Bank „eingezahlt“ wird, wird zum rechtlichen Eigentum der Bank, und der „Einleger“ ist in Wirklichkeit ein Kreditgeber der Bank, der zu den allgemeinen Gläubigern zählt. Bei der Vergabe von Bankkrediten schaffen die Banken eine imaginäre Einlage, indem sie den Kreditbetrag auf dem Konto des Kreditnehmers verbuchen, obwohl keine neue Einlage erfolgt ist (Kreditschöpfung aus dem Nichts). Die Bilanz verlängert sich. Bargeld, Zentralbankreserven oder Guthaben bei anderen Banken werden nicht sofort benötigt, da die Reserve- und Kapitalanforderungen nur in bestimmten Messintervallen erfüllt werden müssen. Die Kontoveränderungen sind in Tabelle 1 dargestellt.
(b) Bankkreditbuchhaltung nach der Theorie der fraktionalen Reserven. Die Besonderheit dieser Theorie besteht darin, dass jede einzelne Bank keinen Kredit aus dem Nichts schaffen kann. Die Bank ist ein Finanzintermediär, der sich nicht von anderen Finanzintermediären, wie z. B. Börsenmaklern und Wertpapierfirmen, unterscheiden lässt. In einem Punkt unterscheiden sich die Banken jedoch von den anderen Finanzintermediären, nämlich bei der Regulierung: Die Regulierungsbehörden haben nur den Banken, nicht aber den anderen Finanzintermediären, strenge Vorschriften über die bei der Zentralbank zu haltenden Reserven auferlegt. Eine Bank kann sich nur dann Geld leihen, wenn sie zuvor den gleichen Betrag an Überschussreserven von einer anderen Bank, deren eigene Reserveguthaben zurückgegangen sind, oder von der Zentralbank erhalten hat (Tabelle 2).
„Eine Bank wird nicht mehr als ihre Überschussreserven verleihen, weil sie gesetzlich verpflichtet ist, einen bestimmten Betrag an erforderlichen Reserven zu halten … Jedes Einlageninstitut kann Kredite (und Einlagen) nur in dem Umfang vergeben, in dem es über Überschussreserven verfügt.“ – [Miller and VanHoose (1993, S. 331)]
In Anlehnung an die Ausführungen in Miller und VanHoose (1993, S. 330-331) stellt sich die Bilanzentwicklung im Falle eines Kredits von 200.000 € wie in Tabelle 2 dargestellt dar.
Mit anderen Worten: Damit die Bank einen Kredit vergeben kann, muss sie zunächst ihre Überschussreserven überprüfen, da dies nach dieser Theorie eine strikt verbindliche Anforderung und Beschränkung sowie ihr Unterscheidungsmerkmal ist. Die Bank kann zu keinem Zeitpunkt mehr Geld verleihen, als sie an Überschussreserven hat, und muss das Reserveguthaben für die Kreditvergabe abziehen. (Wie bereits erwähnt, besteht ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darin, dass die Bilanzausweitung durch die vorherige Zunahme einer Einlage, die die Überschussreserven erhöht hat, und nicht durch die Gewährung eines Kredits verursacht wird).
Bei der empirischen Prüfung der Kreditvergabe durch die Banken muss überprüft werden, ob die Bank vor Abschluss des Kreditvertrags oder vor Auszahlung des Kredits an den Kunden die genaue Höhe ihrer verfügbaren Überschussreserven bestätigt hat, um diesen Betrag nicht zu überschreiten. Wird festgestellt, dass die Bank ihre Reserven nicht überprüft oder nicht in Anspruch genommen hat, so stellt dies eine Ablehnung der Theorie der Mindestreserve dar.
(c) Bankkreditbuchhaltung nach der Theorie der Finanzintermediation. Nach dieser Theorie unterscheiden sich die Banken in Bezug auf Zahlungen und Konten nicht von den Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors. Die Mindestreservepflicht ist kein Thema – eine Behauptung, die durch die empirische Beobachtung gestützt wird, dass die Mindestreservepflicht in einer Reihe von großen Volkswirtschaften wie dem Vereinigten Königreich und Schweden bereits vor vielen Jahren abgeschafft wurde. Die Kundengelder von Finanzintermediären wie Wertpapierfirmen, Börsenmaklern und dergleichen sind daher nach wie vor Eigentum der Einleger und werden daher getrennt von den Eigenmitteln der Finanzinstitute aufbewahrt, so dass die Kundeneinlagen nicht als Verbindlichkeiten in der Bilanz ausgewiesen werden. Wenn Banken lediglich Finanzintermediäre sind, die sich nicht von anderen Intermediären unterscheiden, dann sind alle Bankguthaben Zentralbankgeld, das bei der Zentralbank als Reserve gehalten oder bei anderen Banken eingezahlt werden kann. Die Auswirkungen auf die Bilanz sind in Tabelle 3 dargestellt.
Nach dieser Theorie verlängert sich die Bankbilanz durch den Bankkredit nicht: Die Mittel für den Kredit werden dem Reservekonto der Bank bei der Zentralbank entnommen.
3.2. Ein empirischer Praxistest
Das Design des empirischen Tests besteht darin, dass ein Forscher einen echten Darlehensvertrag mit der Bank abschließt und die Bank ein Darlehen vergibt, während ihre relevante interne Buchhaltung offengelegt wird. Mehrere Banken im Vereinigten Königreich und in Deutschland wurden gebeten, an einer akademischen Studie über das Kreditgeschäft von Banken mitzuwirken.
Die großen Banken lehnten die Zusammenarbeit ab. Als Grund wurden in der Regel zwei Gründe angeführt: Die geforderte Offenlegung interner Buchhaltungsdaten und -verfahren würde gegen ihre Vertraulichkeits- oder IT-Sicherheitsvorschriften verstoßen; zweitens waren die Transaktionsvolumina der Banken so groß, dass der geplante Test bei der Aufnahme von vernünftig bemessenen Geldbeträgen, die nicht mit den internen Risikomanagementvorschriften der Banken kollidieren würden, sehr schwierig durchzuführen wäre. In diesem Fall wäre es nicht einfach, jede einzelne Transaktion in den IT-Systemen der Bank zu isolieren. Trotz verschiedener Gespräche mit einer Reihe von Banken lehnten diese das Projekt schließlich aus den oben genannten Gründen ab, da die Kosten für den Betrieb ihrer Systeme und die Kontrolle etwaiger anderer Transaktionen zu hoch wären.
Es wurde daher beschlossen, sich an kleinere Banken zu wenden, von denen es in Deutschland viele gibt (es gibt etwa 1700 lokale, meist kleine Banken in Deutschland). Jede von ihnen besitzt eine Vollbanklizenz und ist im Universalbankgeschäft tätig, d. h. sie bietet der breiten Öffentlichkeit alle wichtigen Bankdienstleistungen an, einschließlich Aktienhandel und Devisen. Eine lokale Bank mit einer Bilanzsumme von rund 3 Mrd. € wurde angesprochen, ebenso wie eine Bank mit einer Bilanzsumme von rund 700 Mio. €. Beide lehnten aus den gleichen Gründen wie die größeren Banken ab, aber eine Bank schlug vor, dass eine viel kleinere Bank in der Lage sein könnte, den Testbedingungen zu entsprechen, und wies auf den Vorteil hin, dass dort weniger Transaktionen während des Tages gebucht würden, was eine klarere Identifizierung der empirischen Testtransaktion ermöglichen würde. Gleichzeitig würde der empirische Informationswert nicht mit der Größe der Bank abnehmen, da alle Banken in der EU den gleichen europäischen Bankvorschriften unterliegen.
So kam es zu einer Vorstellung bei der Raiffeisenbank Wildenberg e.G., die in einer kleinen Stadt im Bezirk Niederbayern liegt. Die Bank ist eine Genossenschaftsbank im Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken-Verbund mit acht hauptamtlichen Mitarbeitern. Die beiden Mitgeschäftsführer, Herr Michael Betzenbichler und Herr Marco Rebl, erklärten sich mit der empirischen Prüfung einverstanden und erklärten sich auch bereit, alle verfügbaren internen Buchhaltungsunterlagen und Dokumentationen über ihre Verfahren zur Verfügung zu stellen. Es wurde eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet, in der bestätigt wurde, dass die geplanten Transaktionen Teil einer wissenschaftlichen empirischen Untersuchung sind und dass der Forscher nicht mit den Geldern davonmachen wird, wenn sie auf sein persönliches Konto überwiesen werden, und daß er sich verpflichtet, das Darlehen nach Abschluss der Untersuchung unverzüglich zurückzuzahlen (ergänzendes Material 1 im Online-Anhang 3). Eine Einschränkung der Buchführung, die den meisten Banken gemeinsam ist, besteht darin, dass sie die IT an ein spezialisiertes Bank-IT-Unternehmen auslagern, das seine eigenen Regeln bezüglich Datenschutz und Vertraulichkeit einhält.
Die IT-Firma bedient die Mehrheit der 1.100 Genossenschaftsbanken in Deutschland, die dieselbe Software und dieselben internen Systeme und Rechnungslegungsvorschriften verwenden, wodurch sichergestellt wird, dass der Test für mehr als 15 % der Bankeinlagen in Deutschland repräsentativ ist.
Es wurde vereinbart, dass der Forscher persönlich 200.000 € von der Bank leihen würde. Die Transaktion wurde am 7. August 2013 in den Geschäftsräumen der Bank in Wildenberg in Bayern durchgeführt. Neben den beiden (einzigen) Geschäftsführern war auch der Leiter (und einzige Mitarbeiter) der Kreditabteilung, Herr Ludwig Keil, anwesend. Herr Keil war der einzige Vertreter der Bank, der an der Bearbeitung des Kredits beteiligt war, und zwar vom Beginn der Kundenunterlagen an über die Unterzeichnung des Kreditvertrags bis hin zur Auszahlung des Kredits auf das Konto des Kreditnehmers. Der gesamte Vorgang, einschließlich der von Herrn Keil vorgenommenen manuellen Eingaben, wurde gefilmt. Auch die Bildschirme des internen IT-Terminals der Bank wurden fotografiert. Außerdem war ein Team der BBC anwesend und filmte den zentralen Teil des empirischen Bankkreditexperiments (Reporter Alistair Fee und ein Kameramann).
Die Bank legte ihr internes Standardkreditverfahren offen. Die Abfolge der wichtigsten Schritte ist in Anhang 1 dargestellt. Wie zu sehen ist, sind die letzten beiden Schritte die Unterzeichnung der „Kreditdokumente“ durch den Kreditnehmer (den Forscher) und schließlich die Auszahlung des Kredits am Valutatag.31
Die Darlehenskonditionen wurden vereinbart: Der Forscher würde sich bei der Bank 200.000 EUR zum Leitzins (dem Zinssatz für den besten Kunden) leihen. In diesem Fall verzichtete die Bank zugunsten des wissenschaftlichen Forschungsprojekts auf die tatsächlichen Zinserträge.
Als der Darlehensvertrag am 7. August 2013 sowohl von der Bank als auch vom Darlehensnehmer unterzeichnet wurde, wurde der Darlehensbetrag, wie im Darlehensvertrag vereinbart, sofort auf dem Konto des Darlehensnehmers bei der Bank gutgeschrieben. Ergänzendes Material 2 im Online-Anhang 2 zeigt die Konten und Guthaben des ursprünglichen Kreditnehmers bei der Raiffeisenbank Wildenberg. Die wichtigsten Informationen aus der Kontenübersichtstabelle werden hier in Tabelle 4 in englischer Sprache wiederholt.
Die Bank hat auch die folgende Kontenübersicht erstellt, die eine Standard-T-Rechnung der Transaktion aus der Sicht des Kreditnehmers darstellt (Tabelle 5).
Der Kreditnehmer bestätigte, dass sein neues Girokonto bei der Bank nun ein Guthaben von 200.000 EUR aufwies, das für Ausgaben zur Verfügung stand (in einer Erweiterung des Experiments, über die gesondert berichtet wird, wurde das Guthaben am folgenden Tag für eine bestimmte Transaktion außerhalb des Bankinstituts verwendet, indem die Mittel auf ein anderes Konto des Forschers bei einer anderen Bank überwiesen wurden; diese Überweisung wurde ordnungsgemäß ausgeführt, was zeigt, dass die Mittel für tatsächliche Transaktionen verwendet werden konnten).
Wir kommen nun zum empirischen Test der drei Bankentheorien. Die entscheidende Frage lautet: Woher hat die Raiffeisenbank-Wildenberg e.G. das Geld, das dem Kreditnehmer (Forscher) gutgeschrieben (und am nächsten Tag ordnungsgemäß verwendet und aus der Bank überwiesen) wurde? Auf die Frage des Fragestellers nach den Reserven der Bank im Sinne der fraktionalen Reservetheorie erklärte Direktor Marco Rebl, dass die Bank ihre Reserven bei der Zentralorganisation der Genossenschaftsbanken unterhält, die ihrerseits ein Konto bei der Zentralbank unterhält. Diese Reserven beliefen sich auf einen festen Betrag von 350.000 €, der sich während des Beobachtungszeitraums nicht veränderte. Bei der Kreditvergabe durch die Bank versuchte der Forscher, die Herkunft der zu verleihenden Mittel zu überprüfen.
Erstens bestätigte der Forscher, dass die einzigen drei an diesem Test und dieser Banktransaktion beteiligten Bankangestellten die ganze Zeit über anwesend waren, wobei zwei (die Direktoren) nur zuschauten und weder auf ein Computerterminal zugriffen noch irgendwelche Anweisungen übermittelten. Der Kundenbetreuer (Leiter der Kreditabteilung, Herr Keil) war der einzige Mitarbeiter, der an der Durchführung, Buchung und Auszahlung des Kredits beteiligt war. Seine Handlungen wurden gefilmt. Es wurde festgestellt und bestätigt, dass keiner der anwesenden Bankmitarbeiter zusätzliche Tätigkeiten ausübte, wie z. B. die Ermittlung der verfügbaren Einlagen oder Mittel innerhalb der Bank oder die Erteilung von Anweisungen zur Überweisung von Mitteln aus verschiedenen Quellen auf das Konto des Kreditnehmers (z. B. durch Kontaktaufnahme mit dem bankinternen Treasury Desk und Kontaktaufnahme mit bankexternen Interbank-Finanzierungsquellen). Es wurden auch keine Anweisungen erteilt, die Reserven bei der Zentralbank, der zentralen Genossenschaftsbank oder einer anderen Bank oder Einrichtung zu erhöhen, abzurufen oder zu leihen. Mit anderen Worten: Nach der Unterzeichnung des Darlehensvertrags durch beide Parteien wurden die Mittel sofort auf dem Konto des Darlehensnehmers gutgeschrieben, ohne dass weitere Prüfungen oder Anweisungen zur Überweisung von Mitteln vorgenommen wurden. Es gab keine Verzögerungen oder Überlegungen oder andere Buchungen. In dem Moment, in dem der Kredit ausgeführt wurde, sah der Kreditnehmer, wie sich sein Kontostand um den Kreditbetrag erhöhte. Die gesamte Kredittransaktion, von Anfang bis Ende, bis das Geld auf dem Konto des Kreditnehmers verfügbar war, dauerte etwa 35 Minuten (und wurde durch das Filmen und die häufigen Fragen des Forschers deutlich verlangsamt).
Zweitens fragte der Forscher die drei anwesenden Bankangestellten, ob sie vor oder nach der Unterzeichnung des Darlehensvertrags und vor der Gutschrift des vollen Darlehensbetrags auf dem Konto des Darlehensnehmers bei anderen Parteien intern oder extern nachgefragt, die verfügbaren Einlagenguthaben der Bank überprüft oder Buchungen oder Überweisungen jeglicher Art im Zusammenhang mit diesem Darlehensvertrag vorgenommen hätten. Sie bestätigten alle, dass sie keine derartigen Aktivitäten unternommen haben. Sie bestätigten, dass der Kredit dem Konto des Darlehensnehmers nach Unterzeichnung des Darlehensvertrags sofort und ohne derartige Schritte gutgeschrieben wurde.
Drittens erhielt der Forscher von der Bank die internen täglichen Kontoauszüge. Diese werden nur einmal täglich, nach Geschäftsschluss, erstellt. Da es sich um eine kleine Bank handelt, hoffte man, die Auswirkungen der Kredittransaktion in Höhe von 200.000 € erkennen zu können und das Buchungsmuster zu erkennen, das einer der drei Bankhypothesen entspricht.
4. Ergebnisse
Ergänzungsmaterial 3 im Online-Anhang 3 zeigt den Scan der Bilanz der Bank am Ende des 6. August 2013, dem Tag vor der Durchführung der Transaktion des empirischen Tests. Ergänzungsmaterial 4 im Online-Anhang 3 zeigt die Tagesbilanz des folgenden Tages. In Tabelle 6 sind die wichtigsten Aktivpositionen zusammengefasst und die Kontonamen übersetzt, und zwar für das Ende des Tages vor dem Kreditversuch und für das Ende des Tages, an dem der Forscher das Geld geliehen hatte. Tabelle 7 zeigt die wichtigsten Passivpositionen für dieselben Zeiträume:
Bei der Analyse der Informationen zur Passivseite (Tabelle 7) stellen wir fest, dass die Kundeneinlagen als Teil der Bilanz des Finanzinstituts betrachtet werden. Dies widerspricht der Theorie der Finanzintermediation, die davon ausgeht, dass Banken nichts Besonderes sind und sich praktisch nicht von Nicht-Bank-Finanzinstituten unterscheiden, die Kundeneinlagen nicht in der Bilanz ausweisen müssen. Tatsächlich betrachtet eine Bank die Einlagen ihrer Kunden völlig anders als Nicht-Bank-Finanzinstitute, die Kundeneinlagen außerhalb ihrer Bilanz ausweisen. Stattdessen behandelt die Bank die Kundeneinlagen als Kredit an die Bank, der unter der Rubrik „Forderungen von Kunden“ verbucht wird, die ihrerseits als Nachweis für ihre Kredite an die Bank (die als „Einlagen“ bezeichnet werden) einen so genannten „Kontoauszug“ erhalten. Dies lässt sich nur mit der Theorie der Kreditschöpfung oder der Theorie der Mindestreserve vereinbaren.
Wir stellen fest, dass ein Betrag, der nicht weit unter dem Kreditsaldo liegt (etwa 190.000 €), bei der Bank hinterlegt wurde. Dies ist nicht weit von der Erhöhung der Gesamtverbindlichkeiten (und der Aktiva) entfernt. Da die Hypothese der Mindestreserve eine solche Erhöhung der Einlagen als Voraussetzung für die Gewährung des Bankkredits verlangt, d. h. sie muss dem Bankkredit vorausgehen, ist diese Beobachtung nur schwer mit der Theorie der Mindestreserve in Einklang zu bringen. Darüber hinaus bestätigte der Forscher, dass auf seinem eigenen Bankkonto am selben Tag der Kreditsaldo von 200.000 € ausgewiesen wurde. Dies bedeutet, dass der Anstieg der Verbindlichkeiten durch den Anstieg der täglichen Verbindlichkeiten um 200.000 € bedingt war (Position 2B BA in Tabelle 7). Der Gesamtanstieg der Verbindlichkeiten kann also nicht auf einen zufälligen Anstieg der Kundeneinlagen am Tag der Kreditvergabe zurückzuführen sein. Die Informationen über die Passivseite der Konten scheinen nur bedingt mit der Kreditschöpfungstheorie übereinzustimmen.
Bei der Analyse der Aktivseite stellen wir fest, dass die Kategorie, in der wir unseren Kredit finden, die Position 4, Forderungen an Kunden, ist – glücklicherweise die einzige an diesem Tag, die eine Laufzeit von weniger als 4 Jahren hat und daher in der Bankbilanz eindeutig identifizierbar ist. Offensichtlich haben die Kunden auch kurzfristige Kredite (höchstwahrscheinlich Überziehungskredite) in Höhe von 35.071,88 € aufgenommen, was einen neuen Kreditsaldo von insgesamt 235.071,88 € ergibt. Um die Analyse so einfach wie möglich zu halten, gehen wir von der Annahme aus, dass unser Testkredit diesem Gesamtkreditbetrag (235.071,88 €) entspricht. Der Bilanzposten, der auf der Aktivseite von Interesse ist, ist also ΔA4, die Erhöhung der Kredite (Forderungen an Kunden) in Höhe von 235.071,88 €.
Wir möchten nun die Bilanz analysieren, um festzustellen, ob dieser neue Kredit in Höhe von 235.071,88 € von anderen Konten bei der Bank entnommen wurde oder wie er sonst finanziert wurde. Wir betrachten zunächst die Aktivitäten auf der Aktivseite. Wenn wir im Folgenden die Salden in Tausend angeben, können wir die Veränderungen in der Bilanz während des Beobachtungszeitraums im Rahmen der Bilanzgrenzen wie folgt zusammenfassen:
Numerisch sind diese, gerundet in Tausend Euro:
Die Theorie der Mindestreserve besagt, dass der Kreditsaldo aus Reserven bezahlt werden muss. Dies können entweder Barguthaben oder Reserven bei anderen Banken (einschließlich der Zentralbank) sein. Die Einlagen (Forderungen) bei anderen Finanzinstituten (zu denen auch die Zentralbankguthaben der Bank gehören) gingen deutlich zurück, und zwar um 219.000 €. Gleichzeitig stiegen die Barreserven deutlich an. Möglicherweise hat die Bank gesetzliche Zahlungsmittel von ihrem Konto bei der genossenschaftlichen Zentralbank abgezogen, was sowohl den Anstieg der Bargeldbestände als auch den Rückgang der Guthaben bei anderen Finanzinstituten erklärt. Da in den Theorien nicht zwischen diesen Kategorien unterschieden wird, können wir A1 und A3, d. h. die Barguthaben und die Reserven, zusammenfassen. Der Einfachheit halber aggregieren wir auch A14 (sonstige Aktiva) mit A4 (Forderungen an Kunden), um zu erhalten:
Wir stellen fest, dass die Rücklagen gesunken sind, während die Forderungen an Kunden deutlich gestiegen sind. Darüber hinaus ist auch die Bilanzsumme gestiegen, und zwar um einen Betrag, der unserem Kreditsaldo nicht unähnlich ist. Können diese Informationen mit den drei Theorien des Bankwesens in Einklang gebracht werden?
In Anbetracht der Hypothese der Finanzintermediation wäre ein Rückgang der Reserven (Konten bei anderen Finanzinstituten und Bargeld) in gleichem Maße zu erwarten wie ein Anstieg der Kundenkredite. Die Reserven gingen jedoch weit weniger zurück. Gleichzeitig weitete sich die Bilanz aus, was auf eine deutliche Zunahme der Kundenforderungen zurückzuführen ist. Wenn die Bank zur Finanzierung des Kredits Geld von anderen Banken geliehen hat (und damit ihren Saldo an Nettoforderungen gegenüber anderen Banken verringert hat), sollte sich gemäß der Theorie der Finanzintermediation im Bankwesen der Bargeldbestand im Tresor nicht erhöhen und auch die Bilanz nicht. Wir beobachten sowohl einen deutlichen Anstieg der Bargeldbestände als auch eine Ausweitung der Gesamtbilanz (Summe der Aktiva und Passiva), die sich um 178 000 € erhöht. Dies lässt sich nicht mit der Theorie der Finanzintermediation vereinbaren, die wir daher als abgelehnt betrachten müssen.
In Anbetracht der Theorie der Mindestreserve bestätigten wir auf Nachfrage bei Herrn Keil von der Kreditabteilung und den Geschäftsführern, dass keiner von ihnen vor der Unterzeichnung des Darlehensvertrags und der Bereitstellung der Mittel für den Darlehensnehmer seine Reserven oder Einlagen bei anderen Banken überprüft hat (siehe das übersetzte Schreiben in Anhang 2 und das Originalschreiben im Online-Anhang 3). Darüber hinaus scheint es keine Anzeichen dafür zu geben, dass die Rücklagen (Bargeld und Forderungen an andere Finanzinstitute) in einem Umfang abgenommen haben, der dem aufgenommenen Kredit entsprach. Schließlich lässt sich die beobachtete Bilanzausweitung auch nicht mit der Standardbeschreibung der fraktionalen Reservetheorie vereinbaren. Sie muss daher ebenfalls als abgelehnt gelten.
Damit bleibt uns die Theorie der Kreditschöpfung. Können wir die beobachteten buchhalterischen Informationen auf der Aktivseite mit ihr in Einklang bringen? Und was lernen wir aus den Informationen über die Passivseite?
Die Transaktionen sind über die buchhalterischen Identitäten der Bilanz miteinander verknüpft (Gleichungen (1), (2) und (3)), so dass wir die Frage stellen können, was mit dem Gesamtvermögen geschehen wäre, wenn wir für den Moment annehmen, dass außer dem Darlehen (235) keine weitere Transaktion stattgefunden hätte. Wir können die Veränderung jedes Aktivpostens (mit Ausnahme von ΔA4, unserem Darlehen) auf Null setzen, wenn wir denselben Betrag von der Veränderung des Gesamtvermögens abziehen. Der neue Gesamtsaldo der Aktiva wäre in diesem hypothetischen Szenario wie folgt:
oder ganz allgemein,
Mit anderen Worten: Hätten die anderen Transaktionen nicht stattgefunden, hätte sich die Bilanz der Bank um den gleichen Betrag wie die aufgenommenen Kredite verlängert. Dieses Ergebnis ist nur mit der Kreditschöpfungstheorie der Banken vereinbar.
Der Nachweis ist nicht so einfach zu interpretieren, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte, da es in der Praxis nicht möglich ist, alle anderen Banktransaktionen zu unterbinden, die von Bankkunden initiiert werden können (die heutzutage in der Lage sind, Transaktionen über das Internet-Banking auch an Feiertagen durchzuführen). Die verfügbaren Buchhaltungsdaten lassen sich jedoch nicht mit der Hypothese der Mindestreserve und der Hypothese der Finanzintermediation im Bankwesen in Einklang bringen.
5. Schlußfolgerung
Diese Arbeit sollte zwei Funktionen erfüllen. Erstens wurde die Geschichte des wirtschaftlichen Denkens im Hinblick auf die Frage untersucht, wie Banken funktionieren. Dabei wurde festgestellt, dass eine langjährige Kontroverse besteht, die empirisch noch nicht geklärt ist. Zweitens wurden empirische Tests durchgeführt, um die bestehenden und fortbestehenden Kontroversen zu klären und herauszufinden, welche der drei Theorien des Bankwesens mit den empirischen Beobachtungen übereinstimmt.
5.1. Drei Theorien, aber kein empirischer Test
Was die erste Frage betrifft, so haben wir in diesem Papier drei verschiedene Hypothesen über die Rolle der Banken aufgestellt, nämlich die Theorie der Kreditschöpfung, die Theorie der Mindestreserve und die Theorie der Finanzintermediation. Es wurde festgestellt, dass die erste Theorie bis etwa Mitte bis Ende der 1920er Jahre vorherrschend war und von führenden Vertretern wie Macleod und Schumpeter vertreten wurde. Danach wurde die zweite Theorie unter dem Einfluss von Wirtschaftswissenschaftlern wie Keynes, Crick, Phillips und Samuelson bis etwa Anfang der 1960er Jahre dominant. Ab Anfang der 1960er Jahre, zunächst unter dem Einfluss von Keynes und Tobin und dem „Journal of Money, Credit and Banking“, wurde die Theorie der Finanzintermediation dominant.
Doch trotz dieser erkennbaren Epochen der Vorherrschaft sind Zweifel an jeder Theorie geblieben. In jüngster Zeit erlebte die Kreditschöpfungstheorie eine Wiederbelebung, nachdem sie nach der japanischen Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre (Werner, 1992, 1997) und im Vorfeld und im Nachgang der europäischen und US-amerikanischen Finanzkrisen seit 2007 erneut propagiert wurde (siehe Bank of England, 2014b; Benes & Kumhof, 2012; Ryan-Collins, Greenham, Werner, & Jackson, 2011, 2012; Werner, 2003a, 2005, 2012). In den meisten Modellen und Theorien der Makroökonomie oder des Bankwesens haben solche Arbeiten jedoch noch keinen Einfluss. Daher musste der Schluss gezogen werden, dass die Kontroverse fortbesteht, ohne dass ein wissenschaftlicher Versuch unternommen wurde, sie durch empirische Belege zu lösen.
5.2. Die empirische Evidenz: Unterstützung der Kreditschöpfungstheorie
Der zweite Beitrag, den dieses Papier leistet, besteht darin, die erste empirische Studie zu liefern, in der die drei Haupthypothesen getestet werden. Sie wurden erfolgreich in einem realen Umfeld der Kreditaufnahme bei einer Bank und der Untersuchung der tatsächlichen internen Buchführung der Bank in einem unkontrollierten realen Umfeld getestet.
Es wurde untersucht, ob die Bank bei der Bereitstellung von Geld für den Kreditnehmer diese Mittel von anderen Konten (innerhalb oder außerhalb der Bank) transferiert. Bei der Bereitstellung des geliehenen Geldes auf dem Bankkonto des Kreditnehmers wurde festgestellt, dass die Bank das Geld nicht von anderen bankinternen oder -externen Konten transferiert hat, was zu einer Ablehnung sowohl der Theorie der Mindestreserve als auch der Theorie der Finanzintermediation führt. Stattdessen wurde festgestellt, dass die Bank die Mittel neu „erfunden“ hat, indem sie dem Konto des Kreditnehmers eine Einlage gutgeschrieben hat, obwohl keine solche Einlage stattgefunden hat. Dies steht im Einklang mit den Behauptungen der Kreditschöpfungstheorie.
Damit kann nun zum ersten Mal – möglicherweise in der 5000-jährigen Geschichte des Bankwesens – mit Sicherheit gesagt werden, dass empirisch nachgewiesen wurde, dass jede einzelne Bank Kredit und Geld aus dem Nichts erschafft, wenn sie einen so genannten „Bankkredit“ vergibt. Die Bank leiht kein vorhandenes Geld, sondern schafft neues Geld. Die Geldmenge wird als „Feenstaub“ von den Banken aus dem Nichts geschaffen.32 Die Auswirkungen sind weitreichend.
5.3. Was an Banken besonders ist
Von nun an müssen sich Wirtschaftswissenschaftler nicht mehr auf Behauptungen über Banken verlassen. Wir wissen jetzt aufgrund empirischer Belege, warum Banken anders, ja einzigartig sind – womit das langjährige Rätsel von Fama (1985) und anderen gelöst ist – und sich sowohl von Nicht-Bank-Finanzinstituten als auch von Unternehmen unterscheiden: weil sie individuell Geld aus dem Nichts schaffen können.
5.4 Implikationen
5.4.1. Implikationen für die Wirtschaftstheorie
Die empirischen Belege zeigen, dass von den drei Theorien des Bankwesens diejenige, die durch die empirischen Belege gestützt wird, heute den geringsten Einfluss hat und in der Literatur heruntergespielt wird. Außerdem ist es die Theorie, die Ende des 19. und in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weit verbreitet war. Es ist ernüchternd festzustellen, dass sich die Ökonomen seit den 1930er Jahren immer weiter von der Wahrheit entfernt haben, anstatt sich ihr anzunähern. Dies geschah zunächst über die Halbwahrheit der Mindestreserve-Theorie und erreichte dann die völlig falsche und irreführende Theorie der Finanzintermediation, die heute so vorherrschend ist. In dieser Abhandlung werden also Belege dafür gefunden, dass es im 20. Jahrhundert in den Wirtschafts-, Finanz- und Bankwissenschaften keine Fortschritte bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen über eine der wichtigsten und grundlegenden Tatsachen für diese Disziplinen gegeben hat. Vielmehr hat es eine rückläufige Entwicklung gegeben. Die bekannten Fakten wurden verlernt und sind unbekannt geworden. Dieses Phänomen verdient es, weiter erforscht zu werden. Vorerst kann gesagt werden, dass dieser Prozess des Verlernens der Fakten des Bankwesens unmöglich hätte stattfinden können, ohne dass die führenden Ökonomen der Zeit eine bedeutende Rolle dabei gespielt hätten. Der einflussreichste und berühmteste aller Ökonomen des 20. Jahrhunderts war, wie wir gesehen haben, nacheinander ein Anhänger aller drei Theorien, was ein überraschendes Phänomen ist. Darüber hinaus nutzte Keynes seinen beträchtlichen Einfluss, um die wissenschaftliche Analyse der Frage, ob Banken Geld schaffen können, zu verlangsamen, während er stattdessen die Anhänger der Kreditschöpfungstheorie mit persönlichen Angriffen überzog. Trotz seiner enthusiastischen frühen Unterstützung für die Kreditschöpfungstheorie (Keynes, 1924) äußerte er sich nur sechs Jahre später herablassend, wenn nicht gar ablehnend über diese Theorie und bezog sich auf die Kreditschöpfung nur in Anführungszeichen. Vielleicht war er sogar noch abweisender gegenüber den Anhängern der Kreditschöpfungstheorie, die er als Teil der „Armee von Ketzern und Verrückten, deren Anzahl und Enthusiasmus außergewöhnlich sind“ bezeichnete und die an „Magie“ und eine Art „Utopie“ zu glauben scheinen (Keynes, 1930, Bd. 2, S. 215).33
Es erübrigt sich zu erwähnen, dass eine solche Rhetorik einer wissenschaftlichen Argumentation nicht förderlich ist. Aber diese Technik wurde von anderen Ökonomen angewandt, die sich mit der Förderung der Theorie der Mindestreserve und später der Theorie der Finanzintermediation befassten. Der Mitarbeiter der US-Notenbank. Alhadeff (1954), argumentierte in ähnlicher Weise in der Zeit, als Ökonomen an der Durchsetzung der Theorie der Mindestreserve arbeiteten:
„Eine diskussionswürdige Komplikation betrifft die angebliche ‚Schöpfung‘ von Geld durch Banker. Früher wurde behauptet, dass Banker Geld schaffen können, indem sie einfach Einlagenkonten für ihre Geschäftskunden eröffnen. Inzwischen wurde hinreichend nachgewiesen, dass in einem System mit Mindestreserven nur die Gesamtheit der Banken die Einlagen auf den vollen Kehrwert des Reservesatzes ausweiten kann. [Original-Fußnote: Chester A. Phillips, Bank Credit (New York: Macmillan, 1921), Kapitel 3, für die klassische Widerlegung dieser Behauptung.] Die einzelne Bank kann normalerweise bis zu einem Betrag expandieren, der ungefähr ihren Primäreinlagen entspricht“ (S. 7).
Die Kreditschöpfung durch die Banken war in Anlehnung an Keynes (1930) zu einer „angeblichen ‚Schöpfung'“ geworden, wobei rhetorisch suggeriert wurde, dass ein solches Denken vereinfachend sei und daher unmöglich wahr sein könne. Tobin bediente sich des rhetorischen Mittels der abductio ad absurdum, um die Kreditschöpfungstheorie zu verunglimpfen, indem er fälschlicherweise unterstellte, sie postuliere einen „Witwenkrug“, ein wundersames Gefäß, das unbegrenzte Mengen wertvoller materieller Güter hervorbringt, und ihre Anhänger glaubten deshalb wohl an Wunder oder Utopien.
Die gleiche Art der rhetorischen Verunglimpfung der Kreditschöpfungstheorie und der Abkehr von ihr ist auch in der jüngsten Zeit zu beobachten. Das New Palgrave Money (Eatwell et al., 1989) beispielsweise ist ein einflussreiches 340-seitiges Nachschlagewerk, das den Anspruch erhebt, eine „ausgewogene Perspektive auf jedes Thema“ zu präsentieren (Eatwell et al., 1989, S. viii). Dennoch dominiert die Theorie der Finanzintermediation, während die Theorie der Mindestreserve nur in geringem Maße vertreten ist. Die Kreditschöpfungstheorie wird überhaupt nicht vorgestellt, nicht einmal als eine Möglichkeit. Das Buch enthält jedoch ein Kapitel mit dem Titel „Monetary cranks“. In diesem kurzen Kapitel wird Keynes‘ (1930) abfällige Behandlung von Anhängern der Kreditschöpfungstheorie für die 1990er Jahre aktualisiert, wobei die Krallen geschärft werden: Mehrere schicksalhafte Autoren, die durchdachte Analysen der Wirtschaft, des Geldsystems und der Rolle der Banken vorgelegt haben, wie der Nobelpreisträger Sir Frederick Soddy (1934) und C.H. Douglas (1924), werden mit Spott und Beleidigungen überhäuft. Sogar das bahnbrechende und einflussreiche Werk von Georg Friedrich Knapp (1905), das von Keynes (1936) immer noch gern zitiert wird, wird als von einem „Spinner“ verfasst bezeichnet. Was diese scheinbar unglücklichen Autoren gemeinsam haben und was ihr Hauptfehler zu sein scheint, der mit der Auflistung in diesem ungünstigen Kapitel bestraft wird, ist, dass sie Anhänger der Kreditschöpfungstheorie sind. Bezeichnenderweise werden ihre Beiträge jedoch heruntergespielt, ohne dass irgendwo erwähnt wird, was ihre Hauptthesen sind und dass ihre Analysen sich auf die Kreditschöpfungstheorie stützen, die ihrerseits nicht benannt und nicht näher erläutert wird. Dies ist kein kleines Kunststück und lässt den Gedanken aufkommen, dass das Werk von Eatwell et al. (1989) absichtlich so gestaltet wurde, dass es die reichhaltige Literatur, die die Kreditschöpfungstheorie unterstützt, ignoriert und davon ablenkt. Nichts verloren, so die Autoren, die die Entwicklung begrüßen, die der Tatsache geschuldet ist, daß
„durch die zunehmende Bedeutung, die die akademischen Ökonomen der Geldtheorie in den letzten Jahrzehnten beigemessen haben, die Geldverrückten weitgehend aus der öffentlichen Debatte verschwunden sind …“ (p. 214).
Das Gleiche gilt für die Theorie der Kreditschöpfung. Da die Grundzüge dieser Theorie in Eatwell et al. (1989) nicht dargelegt werden, endet das Kapitel über „Cranks“ als eine Litanei von Ad-hominem-Verunglimpfung, Diffamierung und Rufmord, wobei großzügig Bezeichnungen wie „Cranks“, „Phrasendrescher“, „Agitatoren“, „Populisten“ und sogar „Verschwörungstheoretiker“ verteilt werden, die an „Wunder“ glauben und sich mit Wunschdenken beschäftigen. Wobei sie letztlich ihre Leser täuschen, indem sie versuchen, „ihre Kollegen mit ihrem scheinbaren Verständnis von Wirtschaft zu beeindrucken, obwohl sie keine formale Ausbildung in dieser Disziplin hatten“ (S. 214). Alles, was wir über ihre tatsächlichen Theorien erfahren, ist, dass diese unglückseligen Autoren „irgendwie gegen Privatbanken und die ‚Geldmacht‘ sind, ohne dass ihre Opposition zu einer anspruchsvolleren politischen Analyse führt“ (S. 215). Eine Lektüre des hochentwickelten Soddy (1934) entlarvt solche Bezeichnungen schnell als unbegründete Verleumdungen.
Im Gegenteil, die in diesem Aufsatz vorgestellten empirischen Belege haben gezeigt, dass viele Befürworter der Theorie der Finanzintermediation und auch die Anhänger der Mindestreserve-Theorie Bewohner einer flachen Erde sind, die an etwas glauben, was empirisch erwiesenermaßen falsch ist und bei genauerer Betrachtung der Rechnungslegungsvorschriften als unmöglich hätte erkannt werden müssen. Ob die Autoren von Eatwell et al. (1989) es tatsächlich besser wussten, ist eine offene Frage, die in künftigen Untersuchungen untersucht werden sollte. Die unwissenschaftliche Behandlung der Kreditschöpfungstheorie und ihrer Befürworter durch Autoren wie Keynes, der diese Theorie nur wenige Jahre vor seinen Tiraden gegen ihre Befürworter nachdrücklich befürwortete, oder durch die Autoren von Eatwell et al. (1989) legt diese Möglichkeit jedenfalls nahe.
5.4.2. Auswirkungen auf die Regierungspolitik
Die Feststellung, dass die Banken bei der so genannten „Geldvergabe“ selbst Kredit und Geld schaffen, hat noch weitere, weitreichende Auswirkungen. Es ist leicht zu erkennen, dass diese Tatsache nicht nur für die Geldpolitik, sondern auch für die Finanzpolitik von Bedeutung ist und in den Wirtschaftstheorien berücksichtigt werden muss. Politiken zur Vermeidung von Bankenkrisen oder zur Bewältigung der Folgen von Krisen müssen anders gestaltet werden, sobald die Realität der Kreditschöpfungstheorie anerkannt wird. Sie erfordern ein völlig neues Paradigma in der monetären Ökonomie, der Makroökonomie, dem Finanzwesen und dem Bankwesen (zu Einzelheiten siehe z. B. Werner, 1997, 2005, 2012, 2013a,b), das auf der Realität der Banken als Geldschöpfungsinstanzen beruht. Es hat potenziell wichtige Auswirkungen auf andere Disziplinen wie Rechnungswesen, Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, Wirtschaftsgeografie, Politik, Soziologie und Recht.
5.4.3. Auswirkungen auf die Bankenregulierung
Die Implikationen sind weitreichend für die Bankenregulierung und die Gestaltung der staatlichen Politik. Wie in der Einleitung erwähnt, beruht die moderne nationale und internationale Bankenregulierung auf der Annahme, dass die Theorie der Finanzintermediation korrekt ist. Da die Banken in der Tat in der Lage sind, Geld aus dem Nichts zu schaffen, werden höhere Eigenkapitalanforderungen an die Banken nicht zwangsläufig dazu führen, dass Boom-Bust-Zyklen und Bankenkrisen verhindert werden, da die Banken auch bei höheren Eigenkapitalanforderungen weiterhin die Geldmenge ausweiten und damit die Preise für Vermögenswerte in die Höhe treiben könnten, wobei ein Teil dieses neu geschaffenen Geldes zur Erhöhung des Bankkapitals verwendet werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus haben sich einige Ökonomen für ein direkteres Eingreifen der Zentralbank in den Kreditmarkt ausgesprochen, z. B. über quantitative Kreditrichtlinien (Werner, 2002, 2003a, 2005).
5.4.4. Währungsreform
Die jüngste Intervention der Bank of England (2014b) hat eine öffentliche Debatte darüber ausgelöst, ob das Privileg der Banken, Geld zu schaffen, tatsächlich widerrufen werden sollte (Wolf, 2014). Die Tatsache, dass Banken die Geldmenge schaffen, wirft die Frage nach dem idealen Geldsystem auf. Von den vielen verschiedenen Geldsystemkonzepten, die in den letzten 5000 Jahren ausprobiert wurden, haben nur sehr wenige die Anforderungen an eine faire, effektive, rechenschaftspflichtige, stabile, nachhaltige und demokratische Geldschöpfung und -verteilung erfüllt. Nach Ansicht des Autors, der sich auf mehr als dreiundzwanzig Jahre Forschung zu diesem Thema stützt, ist es am sichersten, dafür zu sorgen, dass die gewaltige Macht der Geldschöpfung direkt an diejenigen zurückgegeben wird, denen sie zusteht: an die einfachen Menschen und nicht an Technokraten. Dies kann durch die Einführung eines Netzes kleiner, nicht gewinnorientierter lokaler Banken im ganzen Land gewährleistet werden. Die meisten Länder verfügen derzeit nicht über ein solches System. Es ist jedoch das Herzstück der erfolgreichen deutschen Wirtschaftsleistung in den letzten 200 Jahren. Gerade die Raiffeisen-, Volksbanken oder Sparkassen – je kleiner, desto besser -, die bei der Durchführung dieser empirischen Studie hilfreich waren, sollten als Vorbild für die künftige Politik bezüglich unseres Geldsystems dienen. Darüber hinaus kann man ein solches lokales öffentliches Bankgeld durch Geld ergänzen, das von den Kommunen ausgegeben und zur Zahlung lokaler Steuern akzeptiert wird, also ein lokales öffentliches Geld, das nicht durch Schuldenmachen entstanden ist, sondern für Leistungen an die Kommunen oder das Gemeinwesen geschaffen wird. Beide Formen der lokalen Geldschöpfung zusammen würden ein dezentralisiertes und rechenschaftspflichtigeres Geldsystem schaffen, das (basierend auf den empirischen Erkenntnissen aus Deutschland) besser funktionieren sollte als die unheilige Allianz aus Zentralbanken und Großbanken, die viel zur Entstehung nicht nachhaltiger Vermögensblasen und Bankenkrisen beigetragen haben (Werner, 2013a,b).
Anlage 1. Reihenfolge der Schritte bei der Kreditvergabe der Raiffeisenbank Wildenberg e.G.
- Verhandlungen über die Einzelheiten des Darlehens.
- Entgegennahme der KYC-Informationen und Eröffnung einer neuen Kundenakte
(Neukunde). - Eröffnung eines Girokontos (Neukunde).
- Berechnung des Kredit- und Rückzahlungsplans, Modellberechnung, europaweit erforderliche Kundeninformation, Aufzeichnung der Kundenberatung.
- Eingabe des Darlehensantrags in das IT-System der Bank.
- Prüfung der Kapitaldienst- und Rückzahlungsfähigkeit/Durchführung der Liquiditätsberechnung im Kreditantrag.
- Bonitätsprüfung des Kunden, Eintragung in die Kundenakte.
- Abfrage der Kundendaten in der Zentralbankdatenbank auf einzelne wirtschaftliche Abhängigkeiten und Eingabe der Ergebnisse in die Bank-IT.
- Empfehlung des Bankvorstandes zum Kreditantrag mit Begründung (2 Direktoren).
- Ausdruck des Darlehensvertrages, der allgemeinen Darlehensbedingungen, mit Übergabe vom Kunden quittiert.
- Ausdruck des Protokolls über den Darlehensprozess.
- Genehmigung des Kredits durch die Bankdirektoren durch Unterzeichnung des Protokolls und des Kreditvertrags.
- Anlegen des Kreditkontos im IT-System.
- Festsetzung des Kreditlimits und der Verfügbarkeit des Kredits.
- Vereinbarung eines Termins mit dem Kunden.
- Der Kunde unterzeichnet die Kreditdokumente.
- Auszahlung des Kredits zum Valutadatum, gegen Nachweis der Verwendung des Kredits entsprechend der im Kreditantrag angegebenen Verwendung.
Anhang 2. Tatsachenbestätigungsschreiben der Raiffeisenbank Wildenberg e.G. (Übersetzung; Original im Online-Anhang 3).
- Juni 2014
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Werner,
Bestätigung des Sachverhalts
Im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an Sie im August 2014 darf ich gerne bestätigen, dass weder ich als Vorstand der Raiffeisenbank Wildenberg eG, noch unsere Mitarbeiter vor oder während der Kreditvergabe an Sie geprüft haben, ob wir ausreichende Guthaben bei unserer Zentralbank, der DZ Bank AG, oder der Bundesbank unterhalten. Wir haben auch keine derartigen Geschäfte getätigt, noch haben wir Überweisungen oder Kontobuchungen vorgenommen, um das Guthaben auf Ihrem Konto zu finanzieren. Wir haben daher auch keine Prüfungen oder Transaktionen zur Liquiditätsbeschaffung vorgenommen.
Mit freundlichen Grüßen,
M. Rebl,
Direktor, Raiffeisenbank-Wildenberg e.G.
Anhang 3. Ergänzende Daten
Ergänzende Daten zu diesem Artikel können online unter http://dx.doi.org/10.1016/j.irfa.2014.07.015 abgerufen werden.
Fußnoten
Anmerkung des Übersetzers: Ich verweise Leser auf die Fußnoten, wie sie im pdf des englischen Textes von Prof. Dr. Richard Werner zu finden sind. Sie können die entsprechenden Quellen durch Klick auf die Links direkt aus dem pdf aufrufen.
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