Montag, 16. September 2024

Der KI-Hype: Wie wir uns von statistischen Modellen blenden lassen

In einer Welt, die zunehmend von Technologie geprägt ist, werden wir Zeugen eines faszinierenden Phänomens: der Vergötterung von sogenannter "Künstlicher Intelligenz" (KI). Doch während Medien, Tech-Giganten und sogar einige Wissenschaftler uns weismachen wollen, dass wir an der Schwelle zu einer neuen Ära der intelligenten Maschinen stehen, ist es an der Zeit, einen kritischen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Die große Illusion

Was wir als "KI" bezeichnen, sind in Wirklichkeit oft nichts anderes als ausgeklügelte statistische Modelle, vollgestopft mit Daten und darauf trainiert, Muster zu erkennen. Nehmen wir das Beispiel von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT. Diese Systeme werden als bahnbrechende KI gefeiert, dabei sind sie im Grunde nichts anderes als sehr fortschrittliche Textvorhersagemaschinen.

Wie Michael Mühlebach vom Max-Planck-Institut für intelligente Systeme erklärt: "Man gibt der Maschine einfach Text und versucht dann aus diesem Text den nächsten das nächste Wort oder die nächsten paar Wörter vorher zusagen." Das klingt weit weniger beeindruckend als die Science-Fiction-Vision einer denkenden Maschine, nicht wahr?

Das Moravec-Paradoxon: Ein Realitätscheck

Interessanterweise stoßen diese vermeintlich superintelligenten Systeme oft bei den einfachsten Aufgaben an ihre Grenzen. Mühlebach erwähnt das Moravec-Paradoxon: "Sachen die für uns Menschen sehr schwierig sind z.B gute Strategien beim Schach zu finden können für die Maschine sehr einfach sein aber wenn es darum geht einen Geschirrspüler auszuräumen oder den Haus aufzumachen dann ist es für uns Menschen etwas sehr alltägliches aber für die Maschine ist es extrem schwierig."

Das sollte uns zu denken geben. Wie "intelligent" ist ein System wirklich, das zwar komplexe mathematische Berechnungen durchführen, aber nicht einmal eine Tür öffnen kann?

Korrelation statt Kausalität

Ein weiteres Problem dieser Systeme ist ihre Unfähigkeit, echtes Verständnis zu entwickeln. Sie erkennen lediglich statistische Zusammenhänge in den Daten, mit denen sie gefüttert wurden. Mühlebach warnt: "Das Schwierige ist dass wenn man der Maschine einfach Text gibt aus dem ganzen Internet dann findet man natürlich sehr eloquente Texte aber vielleicht auch problematische Inhalte."

Diese Systeme können also eloquent klingende Texte produzieren, ohne die zugrunde liegenden Konzepte wirklich zu verstehen. Sie sind im Grunde hochentwickelte Papageien, die das nachplappern, was sie in ihren Trainingsdaten gesehen haben.

Die Grenzen der Anpassungsfähigkeit

Echte Intelligenz zeichnet sich durch Anpassungsfähigkeit aus. Doch genau hier stoßen unsere vermeintlich so schlauen KI-Systeme an ihre Grenzen. Mühlebach betont: "Die grundlegende Schwierigkeit ist diese Anpassungsfähigkeit." Selbst einfache Variationen in der Umgebung können diese Systeme völlig aus der Bahn werfen.

Fazit: Zeit für einen Realitätscheck

Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, uns von glänzenden Marketingversprechen und technologischem Hype blenden zu lassen. Was wir als "KI" bezeichnen, sind in Wirklichkeit oft nur hochentwickelte statistische Modelle mit erheblichen Einschränkungen.

Statt blindem Vertrauen in diese Systeme sollten wir kritisch hinterfragen, wie sie zu ihren Ergebnissen kommen. Wie Mühlebach mahnt: "Vorherzusagen ob eine Maschine die durch KI betrieben wird 100prozentig funktioniert ist im Moment noch sehr schwierig."

Lassen wir uns also nicht am Nasenring durch die Arena der vermeintlichen KI-Revolution führen. Stattdessen sollten wir einen nüchternen Blick auf die Realität werfen und die tatsächlichen Fähigkeiten und Grenzen dieser Technologien verstehen. Nur so können wir sie sinnvoll und verantwortungsvoll einsetzen, ohne unrealistische Erwartungen zu wecken oder potenzielle Risiken zu übersehen.


Nachtrag: Die unvorstellbare Zukunft der KI

Während wir uns kritisch mit den aktuellen Grenzen und Übertreibungen der KI auseinandergesetzt haben, lohnt es sich, einen Moment innezuhalten und über ein Szenario nachzudenken, das heute noch wie Science-Fiction klingen mag: Was wäre, wenn KI tatsächlich die menschliche Intelligenz nicht nur erreicht, sondern weit übertrifft?

Der unüberprüfbare Sprung

Stellen wir uns vor, wir erreichen einen Punkt, an dem KI nicht mehr nur auf statistischen Modellen und Wahrscheinlichkeiten basiert, sondern ein echtes Verständnis entwickelt, das dem menschlichen gleicht oder es sogar übertrifft. In diesem Moment stehen wir vor einem fundamentalen Problem: Wie können wir als Menschen überhaupt noch überprüfen oder verstehen, was diese superintelligente KI tut oder sagt?

Die Blackbox der Superintelligenz

In Bereichen wie der Kernphysik oder der Raumfahrt könnte eine solche KI Theorien entwickeln oder Berechnungen anstellen, die weit jenseits unseres Verständnishorizonts liegen. Stellen Sie sich vor, eine KI schlägt eine revolutionäre Methode zur Kernfusion vor, die alle unsere bisherigen Annahmen über den Haufen wirft. Wie können wir sicher sein, dass diese Methode tatsächlich funktioniert und nicht zu einer Katastrophe führt?

Szenarien am Rande des Vorstellbaren

  1. Die fehlgeleitete Weltraumexpansion: Eine superintelligente KI könnte eine Methode zur interstellaren Reise vorschlagen, die auf Prinzipien beruht, die für uns unverständlich sind. Was, wenn wir dieser KI vertrauen und massive Ressourcen in ein Projekt stecken, das am Ende scheitert oder sogar gefährlich ist?
  2. Der Quanten-Albtraum: In der Quantenphysik könnte eine KI Berechnungen anstellen, die zu Schlussfolgerungen führen, die unserer Intuition völlig widersprechen. Wenn wir diese Erkenntnisse in praktische Anwendungen umsetzen, könnten wir unbeabsichtigt die Struktur der Realität selbst gefährden.
  3. Die ökologische Fehlkalkulation: Eine KI könnte ein scheinbar brillantes System zur Bekämpfung des Klimawandels vorschlagen. Doch was, wenn dieses System auf Annahmen beruht, die wir nicht vollständig verstehen, und es stattdessen zu einer ökologischen Katastrophe führt?
  4. Der medizinische Irrweg: In der Genforschung könnte eine KI Methoden zur Genmanipulation vorschlagen, die versprechen, alle Krankheiten zu heilen. Doch ohne vollständiges Verständnis der Konsequenzen könnten wir unbeabsichtigt katastrophale Mutationen oder den Zusammenbruch ganzer Ökosysteme verursachen.

Die ethische Zwickmühle

Wir stehen vor einem Dilemma: Einerseits könnten die Erkenntnisse einer superintelligenten KI unvorstellbare Fortschritte für die Menschheit bedeuten. Andererseits besteht die Gefahr, dass wir uns blind auf etwas verlassen, das wir nicht mehr kontrollieren oder verstehen können.

Fazit: Die Notwendigkeit menschlicher Weisheit

Dieses Szenario unterstreicht die immense Bedeutung ethischer Überlegungen und menschlicher Weisheit im Umgang mit KI. Es zeigt, dass wir nicht nur die technologischen Aspekte, sondern auch die philosophischen und ethischen Implikationen der KI-Entwicklung intensiv diskutieren müssen.

Vielleicht liegt die wahre Herausforderung nicht darin, eine superintelligente KI zu erschaffen, sondern darin, unsere eigene Weisheit und unser kritisches Denken so weit zu entwickeln, dass wir auch in einer Welt der Superintelligenz nicht die Orientierung verlieren.

 


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