Suche

Sonntag, 23. März 2025

Faktenchecks unter der Lupe: Die systematischen Schwächen der Deutschen Welle und ein neues Kapitel der Baerbock-Saga

 


In einer Zeit, in der sich die Medienlandschaft zunehmend mit "Faktenchecks" schmückt, ist es höchste Zeit, auch die Faktenchecker selbst kritisch zu hinterfragen. Die Deutsche Welle (DW), die sich als Leuchtturm gegen Desinformation inszeniert, zeigt bei genauerer Betrachtung beunruhigende Muster, wie zwei aktuelle Fälle exemplarisch belegen.

Der Fall Baerbock in Syrien: Intransparente Korrekturen und unbewiesene Behauptungen

Die Berichterstattung über den ersten Syrien-Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock Anfang Januar 2025 offenbart gravierende journalistische Mängel. Zunächst berichteten mehrere deutsche Medien – darunter ntv, Bild und auch die Deutsche Welle – übereinstimmend, dass "die syrische Führung" bzw. "die HTS-Miliz" Baerbock auf offiziellen Fotos verpixelt hätte.

Doch dann folgte eine bemerkenswerte Wende: Plötzlich hieß es in einem knappen redaktionellen Hinweis, dass der betreffende Telegram-Kanal "entgegen der ursprünglichen Formulierung nicht der HTS-Miliz" gehöre. Diese Korrektur wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet:

  1. Fehlende Recherchegrundlage: Auf welcher Basis erfolgte die ursprüngliche Zuschreibung? Und was führte zur Neubewertung?
  2. Unbewiesene Kategorisierungen: Der Kanal wird nun als "lokal" und "nicht offiziell verbunden" bezeichnet – ohne jeglichen Nachweis für diese Einordnung.
  3. Widersprüchliche Darstellung: Trotz der Korrektur bleibt die Beschreibung "HTS-nah" bestehen, was eine Verbindung suggeriert, während gleichzeitig jede offizielle Zugehörigkeit dementiert wird.
  4. Mangelnde Transparenz: Keine der beteiligten Redaktionen erklärt, auf welcher Grundlage die neue Einschätzung basiert. Wurden interne Quellen befragt? Gab es eine offizielle Stellungnahme?

Besonders brisant: Diese Art der Berichterstattung erfolgte in einem "Faktencheck"-Artikel, der andere der Verbreitung von Falschinformationen bezichtigt. Die DW veröffentlichte ihren Faktencheck-Artikel am 8. Januar 2025, korrigierte ihn jedoch bereits "am gleichen Tag" nach eigenen Angaben – ein bemerkenswertes Tempo, das Fragen zur ursprünglichen Sorgfaltspflicht aufwirft.

Neues Kapitel: Der zweite Syrien-Besuch und ein erneut verpixeltes Video

Während diese Kontroverse kaum abgeklungen ist, hat Baerbock am 20. März 2025 einen zweiten Besuch in Syrien absolviert. Und wieder taucht ein verpixeltes Video auf – diesmal von einer Pressekonferenz, in dem ihr Gesicht unkenntlich gemacht wurde. Ein auf Twitter/X von @DrLuetke geteiltes Video zeigt Baerbock an verschiedenen Mikrofonen (darunter Al Jazeera), wobei ihr Gesicht komplett verpixelt ist.

 

Die Parallelen zum Januar-Vorfall sind offensichtlich. Damals behauptete die DW in ihrem nachträglichen Faktencheck, dass nicht die offizielle syrische Führung oder die HTS-Miliz, sondern ein "lokaler" Telegram-Kanal namens "Almharar" für die Verpixelung verantwortlich sei. Dieser Kanal bezeichne sich selbst als "offizieller Kanal des Nachrichtennetzwerks Freies Syrien", stehe aber angeblich "nicht in Verbindung" mit der HTS-Miliz.

Hier offenbart sich der fundamentale Widerspruch: Wie kann ein Medienkanal in einem von der HTS kontrollierten Gebiet, unter einem von der HTS-Miliz eingesetzten Übergangspräsidenten, "nicht in Verbindung" mit den Machthabern stehen? Die Vorstellung, dass in einer von Islamisten kontrollierten Region unabhängige Medien ohne Billigung der Machthaber agieren könnten, ist bestenfalls naiv, schlimmstenfalls bewusste Irreführung.

Bemerkenswert: Während die Deutsche Welle ausführlich über den zweiten Besuch berichtet, mit Schwerpunkt auf der Wiedereröffnung der deutschen Botschaft, dem erneut verweigerten Handschlag und Baerbocks Fokus auf Sicherheitsfragen – sucht man eine Erwähnung oder Erklärung des erneut auftauchenden verpixelten Videomaterials vergeblich. Die unbequeme Frage, ob es sich um denselben "lokalen Kanal" handelt oder um eine systematische Praxis unter der HTS-Herrschaft, bleibt ungestellt.

Die unerzählte Geschichte: Geopolitische Doppelmoral im Syrien-Konflikt

Die mediale Unzuverlässigkeit bei der Berichterstattung wird noch problematischer, wenn man den breiteren geopolitischen Kontext betrachtet, über den kaum berichtet wird. Was in der DW-Berichterstattung konsequent unterbelichtet bleibt:

  1. Der bemerkenswerte Imagewandel des syrischen Machthabers: Ahmed al-Scharaa (früher bekannt als Abu Mohammed al-Dscholani) – derselbe Mann, der Baerbock den Handschlag verweigerte – war bis Dezember 2024 mit einem US-Kopfgeld von 10 Millionen Dollar belegt. Innerhalb weniger Wochen wurde er vom gesuchten Terroristen zum akzeptierten Gesprächspartner und schließlich zum Übergangspräsidenten.
  2. Diplomatische Kehrtwenden: Die US-Nahostbeauftragte Barbara Leaf führte bereits am 20. Dezember 2024 "positive" Gespräche mit al-Scharaa in Damaskus – kurz bevor das Kopfgeld zurückgezogen wurde.
  3. Terroristen oder Partner? Der fundamentale Widerspruch: Hier zeigt sich eine besonders flagrante Inkonsistenz – während die von al-Scharaa geführte Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) von den USA und der EU weiterhin offiziell als Terrororganisation eingestuft wird, verhandelt man gleichzeitig mit ihrem Anführer als "pragmatischem" Politiker und legitimiert ihn als Staatsoberhaupt. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf: Wie kann der Anführer einer Organisation, die formal als terroristisch gilt, gleichzeitig ein legitimer Staatsmann sein? Die DW-Berichterstattung schweigt zu diesem offenkundigen Widerspruch, während sie über verweigerte Handschläge berichtet.
  4. EU-Terrorlisten-Taktik: Die Entscheidung, den syrischen Außenminister Asaad Hassan al-Schaibani von der EU-Terrorliste zu streichen, um seine Teilnahme an der EU-Syrien-Konferenz zu ermöglichen, wirft Fragen zur Konsistenz europäischer Werte auf. [VIDEO: An dieser Stelle finden Sie das Video, in dem die Journalistin berichtet, wie der Außenminister "kurzerhand von der Terrorliste gestrichen" wurde – ein bemerkenswerter Vorgang, der die Beliebigkeit solcher Einstufungen offenbart.] 


5. Folge dem Geld: Bei derselben Konferenz wurden 2,5 Milliarden Euro Hilfsgelder zugesagt – angeblich "nicht direkt an die syrische Regierung" – während gleichzeitig Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch syrische Sicherheitskräfte vorliegen.

Diese dramatischen Wendungen und offensichtlichen Widersprüche bleiben in der DW-Berichterstattung weitgehend unkommentiert. Die surreale Situation, in der ein Mann gleichzeitig Staatsoberhaupt und Anführer einer terroristischen Organisation sein kann, wird nicht hinterfragt. Stattdessen wird ein vereinfachtes Narrativ präsentiert, das die komplexen geopolitischen Manöver ausblendet und eine klare Trennlinie zwischen "Gut" und "Böse" suggeriert. Wem sollen wir also glauben? Den "Faktencheckern", die selektiv berichten und korrigieren? Oder dem syrischen Regime, das alles abstreitet? Beide Seiten scheinen die Wahrheit nach eigenen Interessen zu formen.

Ein Muster wird sichtbar: Der Fall Selenskyj

Dies ist kein Einzelfall. In meinem früheren Beitrag habe ich bereits aufgezeigt, wie die Deutsche Welle in einem Faktencheck zu Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den entscheidenden Teil seiner Aussage – "und sie werden sterben" – einfach wegließ. Eine selektive Übersetzung, die den Ton und die Tragweite seiner Worte fundamental veränderte.

Auch hier stellte die DW hohe Ansprüche an andere, während sie selbst grundlegende journalistische Standards verletzte.

Systematische Defizite der DW-Faktenchecks

Bei genauerer Analyse dieser Fälle zeigen sich beunruhigende systematische Probleme:

  1. Vorschnelle Behauptungen ohne ausreichende Verifizierung
    • Sofortige Zuschreibung der Baerbock-Zensur an "offizielle" syrische Stellen
    • Vereinfachte Darstellung komplexer geopolitischer Aussagen Selenskyjs
    • Unkritische Übernahme westlicher Narrative zur "Demokratieförderung" in Syrien
  2. Intransparente Korrekturen
    • Stille oder unauffällige Änderungen ohne ausführliche Erklärung
    • Keine Offenlegung der Quellen oder Methoden, die zur Korrektur führten
    • Fehlendes Eingeständnis systematischer Fehler trotz wiederholter Vorfälle
  3. Selektive Darstellung
    • Auslassung wichtiger Teile (wie "und sie werden sterben" bei Selenskyj)
    • Beschönigung von Aussagen, die bestimmten politischen Narrativen widersprechen könnten
    • Strategisches Schweigen zu problematischen Aspekten (wie das erneute Auftauchen verpixelter Videos)
    • Ausblenden offensichtlicher geopolitischer Widersprüche (wie die rasante Umwertung von "Terroristen" zu "pragmatischen Politikern")
  4. Mangelnde Quellenangaben und Verschleierung von Verbindungen
    • Behauptungen wie "der Telegram-Kanal ist nur lokal" ohne nachvollziehbare Belege, obwohl dieser Kanal mutmaßlich Verbindungen zu jener Organisation hat, deren Anführer nun Übergangspräsident ist
    • Künstliche Trennung zwischen der HTS-Miliz und den Medienkanälen in ihrem Einflussgebiet, ohne die offensichtlichen Machtstrukturen zu benennen
    • Verweis auf anonyme "Experten", deren Bewertungen unkritisch übernommen werden, während die offensichtliche Verbindung zwischen dem Übergangspräsidenten und den zensierenden Medien verschwiegen wird
  5. Doppelstandards bei Faktenchecks
    • Hohe Ansprüche an Dritte
    • Geringere Standards bei der eigenen Berichterstattung
    • Moralische Empörung über verweigerte Handschläge, aber Schweigen zu westlicher Kooperation mit formal als Terroristen eingestuften Akteuren

Die gefährlichen Folgen

Diese Praktiken sind besonders problematisch, weil Faktenchecks zunehmend als autoritative Quelle der "Wahrheit" präsentiert werden. Sie beeinflussen maßgeblich, was als legitime Information gilt und was als "Desinformation" gebrandmarkt wird. Besonders beunruhigend: Während der erste Vorfall noch korrigiert wurde (wenn auch intransparent), scheint man beim zweiten Vorfall die Strategie des völligen Schweigens zu verfolgen.

Die Kluft zwischen offizieller Berichterstattung und komplexer Realität wächst dabei stetig. Einerseits beklagt man empört den verweigerten Handschlag für eine Frau als Zeichen islamistischer Rückständigkeit, andererseits schweigt man zu den pragmatischen Deals, die mit eben diesen Islamisten geschlossen werden. Der schwindelerregende Widerspruch, dass al-Scharaa morgens als Anführer einer Terrororganisation und nachmittags als Staatsmann behandelt wird, findet kaum Erwähnung in der "faktentreuen" Berichterstattung. Wie soll der Medienkonsument diesem Doppelspiel vertrauen?

Als staatsfinanzierter Auslandssender mit gesetzlich garantierter redaktioneller Unabhängigkeit könnte die DW eine kritische Perspektive einnehmen. Stattdessen reproduziert sie unkritisch das Regierungsnarrativ eines "befreiten Syriens", in dem angeblich der Weg zur "Demokratie" beschritten wird – während gleichzeitig Massaker an Alawiten und Christen andauern, die von tausenden Toten zeugen. Man glaubt plötzlich jenen Aussagen eines Regimes, dessen Anführer gestern noch auf der Terrorliste standen, wenn sie den gewünschten Demokratisierungsprozess bestätigen.

Wie glaubwürdig ist eine "wertebasierte" Außenpolitik, wenn dieselben Akteure, die gestern noch als "Terroristen" galten, heute als legitime Gesprächspartner akzeptiert werden – und Faktenchecker diese dramatischen Positionswechsel kaum kritisch beleuchten?

Wenn ausgerechnet jene Institutionen, die sich als Wächter der Wahrheit inszenieren, selbst selektiv berichten, intransparent korrigieren und Behauptungen ohne ausreichende Belege aufstellen, untergräbt dies das Vertrauen in den gesamten Journalismus.

Besonders bei geopolitisch sensiblen Themen wie dem Ukraine-Konflikt oder der Situation in Syrien scheint die Deutsche Welle eine Tendenz zu haben, Informationen in Übereinstimmung mit dominierenden westlichen Narrativen zu präsentieren – selbst wenn dafür Fakten zurechtgebogen werden müssen.

Ein Appell für echten Qualitätsjournalismus

Was wir brauchen, ist nicht mehr, sondern bessere Faktenchecks. Faktenchecker müssen:

  • Ihre eigenen Methoden transparent machen
  • Ihre Quellen offenlegen
  • Korrekturen klar und umfassend erklären
  • Ihre eigenen Voreingenommenheiten reflektieren
  • Die gleichen Standards an sich selbst anlegen, die sie von anderen fordern
  • Geopolitische Widersprüche und Doppelstandards kritisch beleuchten, statt sie zu verschleiern

Als kritische Medienkonsumenten sollten wir weiterhin alle Informationsquellen – auch und gerade die vermeintlich vertrauenswürdigen – mit gesunder Skepsis betrachten. Wenn derselbe Medienapparat, der uns gestern erklärte, warum der syrische Machthaber ein gefährlicher Terrorist sei, uns heute ohne Erklärung mitteilt, dass er nun ein akzeptabler Verhandlungspartner ist, sollten alle Alarmglocken schrillen.

Die Wahrheit ist zu wichtig, um sie selbsternannten Wahrheitswächtern zu überlassen, die selbst selektiv mit Fakten umgehen und offensichtliche Widersprüche unkommentiert lassen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen