Strukturelle Gewalt gegen Schwächste: Gericht zwingt schwerbehinderte Seniorin aus ihrer Wohnung nach 30 Jahren
Ein kürzlich ergangener Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (S 7 SO 411/25 ER vom 21.03.2025) offenbart die brutale, institutionalisierte Gewalt gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft. Die Entscheidung, die wie staatlich sanktionierte Folter wirkt, betrifft eine ältere, schwerbehinderte Frau (GdB 70), die nach 30 Jahren in derselben Wohnung nun gezwungen wird, entweder ihre Unterkunft zu verlassen oder mit drastisch reduzierten Sozialleistungen zu verelenden.
Der Fall
Die Betroffene, eine alleinstehende, schwerbehinderte Frau mit einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 70, lebt seit drei Jahrzehnten in ihrer Mietwohnung in der Stadt E. Sie bezieht aufgrund voller Erwerbsminderung eine Rente und ergänzend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Ihre schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen sind durch zahlreiche ärztliche Atteste dokumentiert.
Der zuständige Sozialhilfeträger hat entschieden, dass ihre Wohnkosten unangemessen hoch seien und nach Ablauf eines "Karenzzeitraums" von einem Jahr nur noch einen Teil der Miete zu übernehmen. Die monatliche Differenz: läppische 50,96 Euro.
Die Frau hat nachweislich während dieses Jahres regelmäßig Wohnungsanzeigen in lokalen Zeitungen durchgesehen und entsprechende Nachweise beim Amt eingereicht. Da sie, wie viele ältere Menschen, das Internet nicht nutzt und kein entsprechendes Gerät besitzt, hat sie ihre Suche auf traditionelle Medien beschränkt.
Die skandalösen Aspekte dieser Menschenrechtsverletzung
Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nichts anderes als strukturelle Gewalt in ihrer reinsten Form:
- Erbarmungslose Entwurzelung: Das Gericht hat die Dreistigkeit zu behaupten, 30 Jahre Wohndauer an einem Ort seien kein ausreichender Nachweis für eine soziale Verwurzelung. Diese absurde Forderung, dass eine 65-jährige schwerbehinderte Frau "konkrete" Nachweise für ihre soziale Verwurzelung erbringen müsse, als seien drei Jahrzehnte Lebensmittelpunkt nichts wert, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Das Gericht erwartet allen Ernstes, dass sie ihre "Freundschaften" und "gegenseitigen Unterstützungsleistungen in der Nachbarschaft" dokumentiert und nachweist - eine entwürdigende Forderung.
- Brutale Missachtung ärztlicher Warnungen: Selbst nachdem mehrere Fachärzte eindringlich vor den lebensbedrohlichen Folgen eines erzwungenen Umzugs gewarnt haben, fegt das Gericht diese Expertenmeinungen vom Tisch, als wären sie bedeutungslos. Diese bewusste Inkaufnahme einer Gefährdung von Leben und Gesundheit kommt staatlich sanktionierter Folter gleich.
- Unmenschliche Erwartungen an eine Schwerbehinderte: Das Gericht verlangt, dass eine schwerkranke Frau mit 70% Schwerbehinderungsgrad, die zwei künstliche Hüftgelenke hat, nach Schlaganfall und Hirntumor-OP, bei mindestens 15 Maklern vorsprechen und quer durch den Landkreis reisen soll. Dies ist nichts anderes als die sadistische Demütigung einer ohnehin bereits geschwächten Person.
- Ignorierte Schwerbehinderung: Eine Frau mit:
- Hirntumor-Operation (2007)
- Schlaganfall (2008)
- Zwei künstlichen Hüftgelenken
- Anstehender Knieoperation
- Polyarthrose
- Chronischem Asthma mit eingeschränkter Lungenfunktion
- Anerkanntem Schwerbehinderungsgrad von 70%
Die Perversion des "Rechtsstaats": 50 Euro vs. Milliarden
Während hier eine schwerbehinderte Seniorin um läppische 50,96 € monatlich gequält wird, fließen gleichzeitig:
- Milliarden in Bankenrettungen
- Eine Billion Euro neue Schulden werden für verschiedenste Zwecke aufgenommen
- Hunderte Milliarden in militärische Unterstützung weltweit
- Millionenvergütungen an Manager staatlich unterstützter Unternehmen
Die Relationen sind so grotesk verzerrt, dass man von einer völligen moralischen Bankrotterklärung unseres Systems sprechen muss. Es ist ein Hohn auf jegliches Gerechtigkeitsempfinden, wenn der Staat bei den Schwächsten die letzten Euros zusammenkratzt, während gleichzeitig das Geld in anderen Bereichen mit vollen Händen ausgegeben wird.
Hier wird ein Exempel statuiert - an einer wehrlosen Schwerbehinderten. Dies ist nichts anderes als die systematische Terrorisierung der Schwächsten, um die Illusion aufrechtzuerhalten, der Staat spare "verantwortungsvoll".
Die Verhöhnung des Grundgesetzes
Artikel 1 des Grundgesetzes - "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" - wird durch diesen Beschluss in sein Gegenteil verkehrt. Die Würde dieser Frau wird nicht nur angetastet, sie wird mit Füßen getreten.
Artikel 3 Absatz 3 GG - "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" - wird zur Makulatur, wenn eine Schwerbehinderte praktisch für ihre Behinderung bestraft wird, indem ihre ärztlich bescheinigten Einschränkungen ignoriert werden.
Dieses Urteil ist kein Rechtsakt - es ist ein Rechtsbruch. Es ist die juristische Legitimation staatlicher Grausamkeit gegen die Schwächsten. Es zeigt, dass unser sogenannter "Rechtsstaat" in Wahrheit ein System ist, in dem das Recht den Mächtigen dient und die Machtlosen zermalmt.
Das System der Doppelmoral
Besonders empörend erscheint dieser Fall im Kontext der gesellschaftlichen Doppelmoral. Während hier eine Frau mit multiplen schweren Erkrankungen und 30 Jahren an einem Wohnort praktisch zur Obdachlosigkeit gedrängt wird, werden in anderen Bereichen ganz andere Maßstäbe angelegt.
Die gleichen Behörden und Gerichte, die hier um 50,96 € monatlich feilschen und einer Seniorin zumuten, trotz Schwerbehinderung quer durch den Landkreis zu ziehen, stellen anderen Bevölkerungsgruppen umfassende Unterstützungssysteme, Integrationshelfer, Therapeuten und bedarfsgerechte Wohnungen zur Verfügung - und das ist auch richtig so! Aber warum gilt diese Menschlichkeit nicht für alle gleichermaßen?
Der Zynismus der Unanfechtbarkeit
Als wäre die Grausamkeit dieser Entscheidung nicht genug, setzt das Gericht noch einen zynischen Schlussakzent. Der Beschluss endet mit folgender Erklärung:
"Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar, da die Berufung in der Hauptsache nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen Unterschreitens der Mindestberufungssumme von 750,00 € nicht zulässig wäre. Die Beschwer der Antragstellerin beträgt nur 50,96 € für einen Monat; die Beschwer des Antragsgegners beträgt 50,96 € pro Monat für 5 Monate, also in Summe nur 254,80 €."
Diese Begründung ist an Zynismus kaum zu überbieten: Dieselbe Summe, die als zu geringfügig gilt, um eine Berufung zu rechtfertigen, reicht gleichzeitig aus, um eine schwerbehinderte Frau mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen aus ihrer Wohnung von 30 Jahren zu vertreiben!
Die Botschaft ist unmissverständlich: Der Rechtsstaat zieht sich zurück, wenn es um die Existenz der Schwächsten geht - ihre Not ist nicht einmal berufungswürdig. Die Betroffene wird doppelt bestraft: Erst wird sie ihrer Wohnung beraubt, und dann wird ihr auch noch der Rechtsweg abgeschnitten.
Fazit: Ein Aufruf zum Widerstand gegen die Unmenschlichkeit
Dieser Beschluss ist kein Einzelfall - er ist Symptom eines zutiefst kranken Systems. Er zeigt die strukturelle Gewalt, die tagtäglich gegen die Verletzlichsten unserer Gesellschaft ausgeübt wird, während gleichzeitig Unsummen für andere Zwecke verschwendet werden.
Es ist eine Schande für ein Land wie Deutschland, das sich seiner sozialen Errungenschaften rühmt, wenn eine schwerbehinderte ältere Frau nach 30 Jahren aus ihrer Wohnung vertrieben werden soll - für läppische 50 Euro im Monat. Dies in einem Land, das problemlos eine Billion Euro neue Schulden aufnehmen kann, wenn es politisch opportun erscheint.
Wir dürfen nicht schweigen. Dieses Urteil muss zum Fanal werden - zum Aufruf, die unmenschliche Brutalität unseres Systems gegenüber den Schwächsten zu beenden. Es muss überall bekannt werden als das, was es ist: ein Dokument der Schande, ein Zeugnis der Entmenschlichung durch Bürokratie und falsch verstandene Wirtschaftlichkeit.
Denn morgen könnte es jeden von uns treffen. Jeden, der alt wird, krank wird, hilfebedürftig wird. In einer Gesellschaft, die ihre Schwächsten so behandelt, gibt es keine Sicherheit für niemanden - außer für die wirtschaftlich Mächtigen, deren Interessen unser "Rechts"system offenbar in erster Linie schützt.
Dieses Urteil ist ein Angriff auf die Menschlichkeit selbst. Und gegen diesen Angriff müssen wir uns wehren - mit aller Entschiedenheit.
Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (S 7 SO 411/25 ER vom 21.03.2025 https://drive.google.com/file/d/1CGg5L0OxqCH5HcHv3pzYSYp7BpYQnbFy/view?usp=sharing
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