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Dienstag, 9. Dezember 2025

Tätowierung als Risiko : Kein Lohn bei Entzündung

Das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein hat entschieden, dass Arbeitnehmer, die sich freiwillig tätowieren lassen und dadurch arbeitsunfähig werden, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Im konkreten Fall ließ sich eine Pflegehilfskraft ein Tattoo auf dem Unterarm stechen, woraufhin sich die Haut entzündete und sie krankgeschrieben wurde. Die Arbeitgeberin verweigerte die Lohnfortzahlung, argumentierend, dass es sich hierbei um eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit handle. Das Gericht stützte sich auf diese Ansicht und stellte fest, dass das Risiko einer Entzündung nach einer Tätowierung, die laut der Betroffenen in 1 bis 5 Prozent der Fälle auftreten kann, nicht vernachlässigbar ist. Bei der Bewertung von Gesundheitsrisiken orientiert sich das Gericht an der Definition von Nebenwirkungen bei Medikamenten, die bei einer Häufigkeit von über 1Prozent als „häufig“ eingestuft werden.

Das Urteil unterstreicht, dass ein solches Verhalten als grober Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse betrachtet wird. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer, die bei freiwillig eingegangenen Gesundheitsrisiken selbst für die Folgen aufkommen müssen. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen. 

Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 22.05.2025, Aktenzeichen 2 Ca 278/24.

Mein Kommentar dazu:  

Wer morgens eine Ibuprofen einwirft und dann mit Magenkrämpfen ausfällt - kein Problem, volle Lohnfortzahlung. Wer sich ein Tattoo stechen lässt und eine Entzündung bekommt - selbst schuld, kein Geld.

So hat es das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden. Die Begründung? Ein Entzündungsrisiko von 1-5% sei "nicht vernachlässigbar". Man orientiere sich an der Definition von Medikamenten-Nebenwirkungen.

Gut, dann rechnen wir mal nach: Ibuprofen, rezeptfrei in jeder Apotheke, Nebenwirkungsrate bis zu 10%. Aspirin, Paracetamol - ähnlich. Müsste also nach dieser Logik ebenfalls zum Ausschluss der Lohnfortzahlung führen. Tut es aber nicht. Warum? Weil es absurd wäre.

Genauso absurd wie dieses Urteil.

Etwa 20% der Deutschen sind tätowiert. Es ist längst keine Subkultur mehr, sondern gesellschaftliche Normalität. Aber offenbar nicht normal genug für ein deutsches Arbeitsgericht.

Und wo endet das? Beim Skifahren? Beim Fußball am Wochenende? Beim Motorradfahren? All das birgt statistisch messbare Risiken. Sollen Arbeitnehmer künftig jeden Samstag eine Risikoanalyse durchführen, bevor sie das Haus verlassen?

Das Entgeltfortzahlungsgesetz schützt Arbeitnehmer - auch vor sich selbst. Die bisherige Rechtsprechung war aus gutem Grund großzügig: Das Privatleben geht den Arbeitgeber nichts an. Was ich in meiner Freizeit tue, ist meine Sache. Solange ich nicht grob leichtfertig handle.

Eine Tätowierung ist nicht grob leichtfertig. Sie ist eine persönliche Entscheidung, die Millionen Menschen treffen - ohne dass der Staat oder der Arbeitgeber dabei mitzureden hätten.

Das Gericht hat keine Revision zugelassen. Vermutlich ahnt es, dass das BAG diese Argumentation zerpflücken würde. So bleibt ein Urteil stehen, das Rechtsunsicherheit schafft und Arbeitgebern eine Steilvorlage liefert.

Die Botschaft ist klar: Wer arbeitet, soll funktionieren. Die Freizeit hat dem zu dienen. Und wer aus der Reihe tanzt, zahlt selbst.

Das ist nicht Rechtsprechung. Das ist Disziplinierung.

 

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