Die doppelte Strategie: Entnazifizierung als Täuschung
Während die amerikanische Militärregierung öffentlich die Entnazifizierung Deutschlands propagierte, verfolgte die CIA eine völlig andere Strategie: Systematisch wurden ehemalige Nazis und rechtsextreme Gruppen in Machtpositionen gebracht oder als paramilitärische Einheiten aufgebaut. Diese bewusste Doppelstrategie zeigt, dass es nie wirklich um eine demokratische Erneuerung ging, sondern um die Etablierung einer pro-amerikanischen Kontrolle - notfalls auch mit den Kräften, die man öffentlich zu bekämpfen vorgab.
Der geheime Strategieplan der CIA
1952, drei Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, wurde diese Strategie in einem streng geheimen "Psychologischen Strategieplan" (Codename: "Pocketbook") festgeschrieben. Das Dokument enthielt eine für die deutsche Öffentlichkeit schockierende Einschätzung: Eine Wiedervereinigung Deutschlands sei in absehbarer Zeit nicht möglich und auch nicht erwünscht. Stattdessen sollte Westdeutschland mit allen verfügbaren Mitteln in das westliche System integriert werden.
Der Plan umfasste:
- Die systematische Kontrolle der deutschen Medienlandschaft
- Die gezielte Unterwanderung der Gewerkschaften
- Den Aufbau pro-westlicher Kulturinstitutionen
- Die finanzielle Unterstützung "genehmer" Politiker
- Die Bewaffnung paramilitärischer Gruppen gegen "unzuverlässige" Kräfte
Todeslisten und rechtsextreme Strukturen: Die "League of Young Germans"
Besonders erschreckend war die "League of Young Germans" - eine von der CIA mit monatlich 12.000 Mark finanzierte paramilitärische Organisation. Die Gruppe, die größtenteils aus ehemaligen Nazis und Rechtsextremen bestand, wurde systematisch bewaffnet. Ihre zentrale Aufgabe: Das Erstellen von Todeslisten. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Listen ausschließlich Namen von SPD-Mitgliedern und SPD-Politikern enthielten.
Offiziell sollten diese Listen der Vorbereitung auf eine sowjetische Invasion dienen. Die ausschließliche Fokussierung auf Sozialdemokraten zeigt jedoch das wahre Motiv: Die potenzielle Ausschaltung der deutschen Linken. Der damalige US-Hochkommissar John McCloy, formal für diese Operationen verantwortlich, "wusste wahrscheinlich keine Einzelheiten über jenes spezielle Programm" - eine Formulierung, die die Eigenständigkeit dieser rechtsextremen CIA-Operation unterstreicht.
Die systematische Unterwanderung der Gewerkschaften
Die Kontrolle der deutschen Gewerkschaften erfolgte über zwei schillernde Figuren: Jay Lovestone und Irving Brown. Lovestones Geschichte offenbart dabei die Skrupellosigkeit des CIA-Systems: Vom Chef der Kommunistischen Partei Amerikas wandelte er sich zum erbitterten Antikommunisten und CIA-Agenten. Als solcher verfügte er über ein eigenes Geheimdienstnetz unter dem Deckmantel der US-Gewerkschaft AFL.
Die CIA investierte massiv: Über eine Million Dollar flossen jährlich in die Gewerkschaftsoperationen. Die Kontrolle reichte bis in die höchsten Gremien: Ein dokumentierter Brief von Fritz Heine (SPD-Vorstandsmitglied) an Irving Brown vom 5. November 1956 belegt die direkten Absprachen über die Zusammensetzung des DGB-Vorstandes. Der neue DGB-Vorsitzende Willi Richter wurde mit ausdrücklicher Zustimmung der Amerikaner installiert.
Das Mediensystem: Die CIA erschafft die BILD-Zeitung
Eine der erstaunlichsten CIA-Operationen war die Gründung der BILD-Zeitung. Im völlig zerstörten Hamburg der Nachkriegszeit, wo es weder Druckereiinfrastruktur noch Papier gab, entstand plötzlich das größte Medienimperium Europas. Wie der ehemalige Bundesminister und Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission der Nachrichtendienste, Dr. Andreas von Bülow, enthüllte, stellte die CIA dafür ein Startkapital von sieben Millionen Dollar zur Verfügung.
Die Kontrolle war total: Jeder Journalist beim Springer-Verlag musste eine spezielle Klausel in seinem Arbeitsvertrag unterschreiben, die ihn zu einer positiven Berichterstattung über die USA und Israel verpflichtete. Diese Verpflichtung wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sogar noch um die explizite "Unterstützung des transatlantischen Bündnisses" erweitert.
Die Unterwanderung der Intellektuellen
Der Fall Heinrich Böll entlarvt die aggressive Infiltration der deutschen Kulturszene durch die CIA im Kalten Krieg. Der Nobelpreisträger wurde – ohne sein Wissen – zum Instrument des US-Geheimdienstes gemacht. Seine Reputation als regimekritischer, unabhängiger Intellektueller machte ihn zum idealen Werkzeug für die verdeckten Operationen der CIA.
Die Manipulation erfolgte systematisch: Bölls Verleger Joseph C. Witsch – ein ehemaliger NS-Kulturfunktionär – operierte als Kopf der Kölner Sektion des Congress for Cultural Freedom (CCF), einer CIA-Tarnorganisation. Sein Verlag Kiepenheuer & Witsch diente als Drehscheibe für CIA-finanzierte Propaganda. Die Platzierung der CIA-Agentin Carola Stern als Lektorin belegt die direkte geheimdienstliche Unterwanderung.
Böll wurde gezielt für Osteuropa-Aktivitäten instrumentalisiert. Seine Reiseberichte und Kontakte zu Dissidenten flossen direkt in CIA-Analysen ein. Seine Position als vermeintlich unabhängiger Intellektueller verschaffte ihm Zugang zu höchsten Kreisen – etwa zu Jugoslawiens Präsident Tito. Diese Gespräche wurden von deutsch-amerikanischen Geheimdienstkreisen ausgewertet.
Die CIA arbeitete mit perfider Strategie: Statt plumper Steuerung setzte sie auf ein Netz aus scheinbar harmlosen Kulturförderungen. Der CCF verteilte Gelder für Reisen, Kongresse und Publikationen. Die wahre Quelle – CIA-Gelder, verschleiert durch Tarnstiftungen – blieb im Verborgenen. Wie der Zeitzeuge René Wintzen es ausdrückte: Böll war in seiner Gutgläubigkeit "zu benutzen und zu missbrauchen."
Die Aufdeckung der CIA-Finanzierung 1966/67 erschütterte die westliche Kulturszene. Doch da war das System der Infiltration und Manipulation bereits fest etabliert. Intellektuelle wie Böll waren – wissentlich oder nicht – zu Werkzeugen im kulturellen Kalten Krieg der CIA geworden. Der Fall zeigt exemplarisch, wie der US-Geheimdienst die kulturelle Elite Deutschlands für seine Zwecke vereinnahmte und missbrauchte.
1. Die finanzielle Dimension:
Die CIA
investierte enorme Summen. Allein die Pariser Zentrale verschlang
jährlich etwa 200.000 DMark für Personalkosten, monatlich flossen
etwa 40.000 DMark nach Deutschland. Diese Größenordnung zeigt den
massiven Umfang der Operation.
2. Das internationale Netzwerk der Zeitschriften:
Es
gab ein koordiniertes System von CIA-finanzierten Publikationen:
"Der Monat" in Deutschland
"Preuves" in Frankreich
"Encounter" in England
"Tempo Presente" in Italien
Diese Zeitschriften bildeten ein systematisches Propagandanetzwerk.
3. Die Kunststeuerung:
Die CIA förderte
gezielt den abstrakten Expressionismus als "Kunst des freien
Unternehmertums" und als Gegenpol zur sowjetischen Kunstdoktrin.
Künstler wie Günter Grass, die sich diesem Diktat nicht beugten,
wurden marginalisiert.
4. Die Neruda-Kampagne:
Das Transkript
enthüllt, wie die CIA aktiv Kampagnen gegen missliebige
Intellektuelle führte. Die Aktion gegen Pablo Neruda, um seine
Nobelpreis-Chancen zu sabotieren, zeigt die aggressiven Methoden.
5. Die Nachkriegsstrategie:
Die CIA nutzte
gezielt die Marshall-Plan-Gelder ("Gegenwertfonds"), um
ihre Kulturoperationen zu finanzieren. Dies zeigt die systematische
Verquickung von Wirtschaftshilfe und geheimdienstlicher
Kultursteuerung.
6. Die Nazi-Kontinuitäten:
Bemerkenswert
ist die Einbindung ehemaliger NS-Funktionäre wie Joseph C. Witsch.
Auch die Unterstützung von Künstlern mit NS-Vergangenheit wie
Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan durch die CIA ist
bedeutsam.
7. Die Berliner Dimension:
Der CIA-Apparat
im Flughafen Tempelhof mit tausenden Mitarbeitern zeigt die massive
Präsenz des US-Geheimdienstes in der geteilten Stadt.
Diese Aspekte vervollständigen das Bild einer systematischen, großangelegten Geheimdienstoperation zur Kontrolle und Steuerung der westdeutschen Kulturszene. Sie zeigen auch, dass der Fall Böll kein Einzelfall war, sondern Teil einer umfassenden Strategie zur kulturellen Einflussnahme im Kalten Krieg. Besonders die Verbindung von vermeintlicher Kulturförderung mit aktiver Bekämpfung missliebiger Künstler und die Kontinuität von NS-Netzwerken sind dabei historisch besonders brisant.
Die kulturelle Offensive: Abstrakte Kunst als Waffe
Die CIA nutzte selbst die moderne Kunst als Waffe im Kalten Krieg. In einer großangelegten Operation wurde der abstrakte Expressionismus gefördert - als Gegenpol zum sozialistischen Realismus der Sowjetunion. Künstler wie Jackson Pollock erhielten massive Unterstützung. Die CIA finanzierte Kunstwissenschaftler, Galerien, Ausstellungsmacher und Museen, um die amerikanische Kunst als Symbol westlicher Freiheit zu etablieren.
Die Dimension dieser Kulturoperationen flog erst auf, als die US-Steuerbehörde bei einer Routineprüfung entdeckte, dass zehn verschiedene Kunststiftungen vom selben CIA-Konto finanziert wurden. Nach der Enthüllung in den 1970er Jahren wurden die Operationen sofort eingestellt - die kulturelle Prägung war da bereits erfolgt.
Die gezielte Politikerfinanzierung
Die systematische Finanzierung deutscher Politiker durch die CIA ist durch mehrere Quellen belegt. Der ehemalige CIA-Abteilungsleiter Tom Braden gab offen zu: "Ich weiß, dass Willy Brandt Geld von der CIA erhalten hat." Diese Unterstützung erhielten auch Carlo Schmidt und andere führende SPD-Politiker - während gleichzeitig ihre Parteikollegen auf den Todeslisten der "League of Young Germans" standen.
Besonders brisant war die Einflussnahme beim Schumanplan, der Grundlage der späteren Europäischen Union. Ein streng geheimer CIA-Bericht vom 1. August 1952 belegt: Politiker "in Geldnöten" erhielten finanzielle Unterstützung für ihre Ja-Stimme. So wurde nicht nur die Ratifizierung im Bundestag gesteuert, sondern auch die öffentliche Meinung zur europäischen Integration manipuliert.
Die Zahlen der Macht: Die finanzielle Dimension
Die dokumentierten Finanzströme zeigen die massive Dimension der CIA-Operationen:
Direkte Zahlungen:
- BILD-Zeitung: 7 Millionen Dollar Startkapital
- Gewerkschaftsoperationen: Über 1 Million Dollar jährlich
- Kunstförderung: Finanzierung von zehn Kunststiftungen über ein CIA-Konto
- "Der Monat": 900.000 Dollar jährlich
- "League of Young Germans": 12.000 Mark monatlich
- Systematische Zahlungen für politische Abstimmungen
- Massive Förderung ausgewählter Künstler und Intellektueller
Infrastrukturaufbau:
- Errichtung des Springer-Verlags im zerstörten Hamburg
- Finanzierung strategisch wichtiger Druckereien
- Aufbau von Gewerkschaftsmedien
- Systematische Förderung von Kulturinstitutionen
- Finanzierung von Tarnorganisationen wie dem "Congress for Cultural Freedom"
Fazit: Von der Nachkriegskontrolle zur digitalen Überwachung
Die dokumentierten CIA-Operationen offenbaren das wahre Gesicht der amerikanischen Nachkriegspolitik: Eine systematische Unterwanderung der deutschen Demokratie - von Todeslisten über Politikerbestechung bis zur Medienmanipulation. Die durch CIA-Dokumente, Briefwechsel und Zeitzeugenaussagen belegten Fakten zeichnen das Bild eines Staates, der von Anfang an unter massiver geheimdienstlicher Kontrolle stand.
Diese Kontrolle wurde bis heute nie aufgegeben - sie wurde nur modernisiert. Was in der Nachkriegszeit mit CIA-Millionen, Todeslisten und direkter Mediensteuerung begann, führt in direkter Linie zur NSA-Überwachung von Bundeskanzlerin Merkels Privathandy. Ihre fast naive Reaktion 2013 - "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht" - zeigt dabei nur die verdrängte Kontinuität der amerikanischen Kontrolle: Die Methoden wurden der Zeit angepasst, von der direkten Nachkriegssteuerung zur digitalen Totalüberwachung - die grundlegende Strategie der Unterwanderung deutscher Souveränität ist seit 1945 unverändert geblieben.
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