Die systematische Ausbeutung Argentiniens - Eine 200-jährige Geschichte
Die dramatische Situation unter Javier Milei ist nur das jüngste Kapitel einer langen Geschichte systematischer Ausbeutung. Bereits 1824 begann mit dem ersten Kredit der Barings Bank ein Muster, das sich bis heute fortsetzt: Von der geliehenen Million Pfund erreichten nur 550.000 Pfund das Land - der Rest versickerte in "Gebühren" und "Provisionen".
Die wichtigsten Stationen der Ausbeutung:
- Die Militärdiktatur (1976-1983):
- Explosion der Auslandsschulden von 4,6 auf 25,6 Mrd. Dollar
- Systematische Zerstörung der industriellen Basis
- Einführung radikaler neoliberaler Politiken unter US-Führung
- Demontage sozialer Sicherungssysteme
- Die Menem-Ära (1990er):
- "Schocktherapie" durch Privatisierungen
- Peso-Dollar-Parität als Knebelvertrag
- Ausverkauf strategischer Staatsunternehmen
- Führte direkt in den Staatsbankrott 2001
- Die Macri-Regierung (2015-2019):
- Größter IWF-Kredit der Geschichte (57 Mrd. Dollar)
- Massive Kapitalflucht
- Verdoppelung der Armut
- Zusammenbruch der Währung
Mileis radikale "Schocktherapie" und ihre verheerenden sozialen Folgen
Die ersten Monate unter Mileis Regierung zeigen das wahre Gesicht libertärer Politik. Die Zahlen sind erschütternd:
Dramatische Verarmung:
- 54,9% der Bevölkerung leben in Armut
- Davon 20,3% in extremer Armut
- 70% der Kinder leben in armen Haushalten
- Drei von zehn Kindern leben in extremer Armut, d.h. ihre Familien können nicht einmal grundlegende Nahrungsmittel bezahlen
Wirtschaftlicher Niedergang:
- Inflationsrate von 271,5% (Juni 2024)
- Reallohnverluste von 14% im formellen Sektor
- Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 7,7%
- Rückgang des BIP um 5,1%
Brutale Rentenkürzungen und Sozialabbau:
- Reale Kürzung der Renten um 29% durch verwehrte Inflationsanpassung
- Ältere Menschen können oft grundlegende Bedürfnisse nicht mehr decken
- Drastische Reduzierung der Infrastrukturausgaben um 83%
- Streichung lebenswichtiger Subventionen für Energie und Transport
- Abschaffung zahlreicher Sozialprogramme
Explosion der Lebenshaltungskosten:
- Massive Mietpreissteigerungen nach Deregulierung des Wohnungsmarkts
- Preisexplosion bei öffentlichen Dienstleistungen (14,3% Anstieg)
- Deutliche Verteuerung von Lebensmitteln und Medikamenten nach Abschaffung der Preiskontrollen
- Einzige Ausnahme: Eine minimale Erhöhung der Kinderzulage um 13%, die aber die Inflation bei weitem nicht ausgleicht
Mileis Kahlschlag im Staatssektor:
- Massenentlassungen: bereits 25.000 Menschen bis Juni 2024 entlassen
- Halbierung der Ministerien und Zerschlagung staatlicher Strukturen
- Schließung des Nationalen Instituts für Film und audiovisuelle Künste (INCAA)
- Umwandlung der staatlichen Nachrichtenagentur TELAM in Propagandainstrument
- Drastische Budgetkürzungen für Universitäten (teilweise ohne Beleuchtung)
- Abschaffung von Arbeitsschutzgesetzen und Arbeitnehmerrechten
- Drastische Abwertung des Peso um über 50%
- Intransparente Verlagerung der Goldreserven ins Ausland
Autoritäre Tendenzen:
- Einsatz des Militärs im Inneren gegen "terroristische Bedrohungen"
- Hartes Vorgehen gegen Demonstranten
- Relativierung der Verbrechen der Militärdiktatur
- Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 13 Jahre
- Ausweitung staatlicher Eingriffsrechte in Sicherheitsfragen trotz libertärer Rhetorik
Religiöser Wahn als Politikersatz: Mileis gefährliche Selbstinszenierung in historischer Tradition
Die religiöse Selbstinszenierung Mileis steht in einer beunruhigenden Tradition politischer Führer, die ihre oft aggressive Politik mit vermeintlich göttlicher Legitimation rechtfertigen. Erinnern wir uns an George W. Bush, der seinen "Krieg gegen den Terror" und den Irak-Krieg als gottgewollte Mission darstellte. Heute sehen wir ein ähnliches Muster bei Milei, der seinen wirtschaftlichen Kreuzzug gegen den Sozialstaat mit religiösem Fundamentalismus verbrämt.
Nach Angaben des renommierten SWP-Aktuell (Nr. 43, August 2024) stilisiert sich Milei, ähnlich wie zuvor Bolsonaro, als gottgesandter Retter. Doch er geht in seiner religiösen Radikalität noch weiter: Er deutet den wirtschaftspolitischen Konflikt als apokalyptischen Kampf, in dem "göttliche Kräfte" den "Gläubigen gegen die Atheisten" beistehen würden - eine beängstigende Parallele zu Bushs manichäischem Weltbild von "Gut gegen Böse".
Besonders verstörend ist seine biblische Selbstdeutung: In größenwahnsinniger Manier vergleicht er sich und seine Schwester mit Moses und Aaron. Seine Schwester Karina sei wie Moses, er selbst wie Aaron, der göttliche Sprecher. Diese messianische Selbstüberhöhung gipfelt in der Behauptung einer direkten göttlichen Legitimation seiner Politik.
Wie tief dieser religiöse Wahn reicht, zeigt sich auch in offiziellen Dokumenten. So ließ Milei in den "Pakt vom Mai", einen wirtschaftspolitischen Kompromiss mit den Provinzgouverneuren, gleich drei religiöse Beschwörungsformeln einbauen: "im Angesicht des Ewigen", "möge Gott alle Argentinier segnen" und "mögen die Mächte des Himmels mit uns sein". Für ein staatliches Dokument in einer modernen Demokratie ist eine solche religiöse Aufladung beispiellos.
Seine religiöse Obsession zeigt sich auch in regelmäßigen Besuchen am Grab des Lubawitscher Rabbis in New York und in öffentlichen Erwägungen, zum Judentum zu konvertieren. Dies wäre seine Privatsache, würde er nicht Politik und Religion in gefährlicher Weise vermischen.
Diese mystische Überhöhung der politischen Aufgabe ist dabei kein harmloser Spleen, sondern ein wesentliches Element seines libertären Autoritarismus: Indem er Politik zur "evidenten Wahrheit" und "politisch-religiösen Offenbarung" erklärt, entzieht er sie jeder rationalen Debatte und demokratischen Kontrolle. Wer kann schon gegen einen "göttlichen Auftrag" argumentieren?
Beunruhigende Resonanz in Deutschland: Die libertäre Echokammer
Besonders alarmierend ist, wie große Teile der alternativen Medienszene Mileis radikale Politik feiern. Von YouTube-Kanälen bis zu alternativen Nachrichtenportalen wie NIUS, Tichys Einblick usw. – fast 90% der reichweitenstarken alternativen Medien verbreiten enthusiastisch libertäre Ideologie und preisen Milei als Vorbild.
Noch beunruhigender ist die Resonanz in den Kommentarspalten und sozialen Medien. Eine wachsende Zahl von Menschen ruft nach "einem deutschen Milei", nach "mehr Markus Krall" oder schwärmt von Homburgs wirtschaftspolitischen Positionen. Die bitteren sozialen Folgen in Argentinien werden dabei entweder ignoriert oder als "notwendige Härte" verharmlost.
Selbst deutsche Akademiker wie Professor Stefan Homburg bejubeln Mileis Politik und fordern öffentlich: "Deutschland braucht Milei, nicht Habeck!" - und das in voller Kenntnis der verheerenden sozialen Folgen in Argentinien.
Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen alarmierend:
- Fehlende kritische Distanz:
- Alternative Medien, die sich eigentlich als Korrektiv verstehen, versagen bei der kritischen Analyse
- Komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge werden auf simple Gut-Böse-Schemata reduziert
- Soziale Verwerfungen werden als "notwendiges Übel" akzeptiert
- Echo-Kammer-Effekt:
- Kritische Stimmen werden ausgegrenzt
- Libertäre Positionen verstärken sich gegenseitig
- Eine differenzierte Debatte findet nicht statt
- Paradoxe Wendungen:
- Menschen, die zurecht Kritik an bestehenden Missständen üben, fallen auf eine noch radikalere Ideologie herein
- Selbst Persönlichkeiten wie Professor Homburg, der bei der Corona-Aufarbeitung wichtige kritische Beiträge leistete, verbreiten nun gefährliche wirtschaftspolitische Fehleinschätzungen
- Der berechtigte Wunsch nach Veränderung wird von libertären Ideologen gekapert
Die verheerenden Konsequenzen libertärer Politik
Die Folgen dieser Politik sind in Argentinien bereits sichtbar:
- Soziale Verwerfungen:
- Explosion der Ungleichheit (Gini-Koeffizient von 0,446 auf 0,467)
- Zusammenbruch des Gesundheitssystems
- Bildungskrise durch Budgetkürzungen
- Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse
- Wirtschaftliche Destabilisierung:
- Kapitalflucht
- Deindustrialisierung
- Abhängigkeit von externen Gläubigern
- Verlust wirtschaftlicher Souveränität
- Politische Folgen:
- Schwächung demokratischer Institutionen
- Zunehmende soziale Spannungen
- Autoritäre Tendenzen
- Unterdrückung von Protest
Die wahren Profiteure
Hinter der libertären Ideologie stehen klare Interessengruppen:
- Internationale Finanzinstitutionen
- Ausländische Investoren
- Globale Konzerne
- Lokale Wirtschaftseliten
Fazit
Die argentinische Erfahrung zeigt eindrücklich: Der Libertarismus ist keine Lösung, sondern ein gefährliches Instrument zur Durchsetzung von Partikularinteressen auf Kosten der Mehrheitsgesellschaft. Wenn heute Akteure wie Homburg und Krall einen "deutschen Milei" fordern und große Teile der alternativen Medien diesem Wahnsinn applaudieren, ignorieren sie nicht nur die katastrophalen Folgen dieser Politik, sondern machen sich zu Handlangern jener Kräfte, die seit Jahrhunderten von der systematischen Ausbeutung ganzer Volkswirtschaften profitieren.
Die Alternative liegt in einer demokratisch kontrollierten, sozial ausgewogenen Wirtschaftsordnung, die den Menschen, nicht den Profit in den Mittelpunkt stellt. Dafür braucht es jedoch ein grundlegendes Umdenken und den Mut, den libertären Sirenengesängen zu widerstehen.
Warum in einem Geldsystem, in dem Geld nicht netto vorhanden ist, sondern nur über Kredite geschaffen wird, fabuliert wird, dass Schuldenmachen ein Problem sei, denen seien diese Artikel empfohlen.
Die kollektive Geisteskrankheit: Wenn Professoren dem Wahnsinn applaudieren
https://grilleau.blogspot.com/2024/11/die-kollektive-geisteskrankheit-wenn.html
Die Schuldenbremse: Deutschlands selbst auferlegter Würgegriffe
https://grilleau.blogspot.com/2024/09/die-schuldenbremse-deutschlands-selbst.html
Die organisierte Enteignung: Wie Steuer- und Geldsystem die Vermögensübertragung perfektionieren
https://grilleau.blogspot.com/2024/11/die-organisierte-enteignung-wie-steuer.htmlMarkus Krall: Goldene Mythen und ökonomische Scheuklappen
https://grilleau.blogspot.com/2024/09/markus-krall-goldene-mythen-und.html
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