Man sagt, gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens. Nach meinem jüngsten Schlagabtausch mit einem gewissen Andreas Fellmann bin ich geneigt, diesem Sprichwort uneingeschränkt zuzustimmen. Was zunächst als sachliche Diskussion über den Mindestlohn begann, entpuppte sich schnell als Paradebeispiel für die kollektive Verdunkelung des ökonomischen Verstandes, die der Neoliberalismus in den Köpfen seiner Anhänger angerichtet hat.
Die "Argumentation" des Herrn Fellmann
Herr Fellmann kommentierte meinen ausführlichen Artikel über den Mindestlohn mit folgender Perle wirtschaftlicher "Weisheit":
"Der Mindestlohn und seine ständigen Erhöhungen dient nur dem höheren Steueraufkommen und der Inflation."
Als ich diese absurde Behauptung mit Fakten widerlegte, folgte die typische Eskalation des in die Ecke getriebenen Neoliberalen:
- Zunächst unterstellte er mir mangelndes Denkvermögen
- Dann behauptete er, mein "Mantra" bestünde nur aus "mehr und höheren Steuern"
- Schließlich forderte er "Steuern runter oder weg", damit "korrupte Politiker" nicht mehr "mit dem Geld anderer rumschmeißen" könnten
- Der intellektuelle Tiefpunkt: "Viel Spaß beim wach werden"
- Und final der Rückzug: "Was soll ich mit einem Sozialisten weiter rumdiskutieren?"
Quelle: https://vk.com/grilleau?w=wall289772064_10564_r10579
Dieses Muster ist so vorhersehbar wie ermüdend: Keine Fakten, keine Argumente, keine Zahlen – dafür Unterstellungen, Beleidigungen und am Ende die ideologische Schublade "Sozialist!", in die jeder gesteckt wird, der es wagt, das neoliberale Dogma zu hinterfragen.
Die Realität hinter dem Mindestlohn-Mythos
Wie ich in meinem ausführlichen Artikel zum Mindestlohn dargelegt habe, ist die Behauptung, höhere Löhne würden automatisch zu mehr Arbeitslosigkeit führen, empirisch unhaltbar. Nach jeder Mindestlohnerhöhung wurden dieselben Horrorszenarien an die Wand gemalt – und nie sind sie eingetreten.
Die Idee, dass der Mindestlohn "nur dem Steueraufkommen" diene, ist besonders absurd:
- Wer mehr verdient, zahlt zwar mehr Steuern, behält aber auch netto mehr übrig – elementare Mathematik, die Herr Fellmann offenbar nicht beherrscht.
- Höhere Löhne bedeuten drastisch reduzierte Sozialleistungen:
- Weniger Aufstocker durch Bürgergeld
- Wegfall von Wohngeld Plus für Geringverdiener
- Reduzierung von Mietzuschüssen
- Weniger Kinderzuschlag und andere ergänzende Leistungen
- Geringere Kosten für Gesundheitsleistungen für Bedürftige
- Höhere Löhne bedeuten mehr Steuereinnahmen durch Konsum statt durch direkte Abgaben:
- Mehr Kaufkraft führt zu mehr Umsatz bei Unternehmen
- Mehr Umsatz bedeutet mehr Mehrwertsteuereinnahmen
- Steigende Unternehmensgewinne durch erhöhte Nachfrage
- Die gesamte Volkswirtschaft profitiert von höherer Kaufkraft – was wiederum zu mehr Beschäftigung und Wohlstand für alle führt.
Ja, Herr Fellmann, es gibt tatsächlich Probleme mit Steuerverschwendung und -hinterziehung. Über 100 Milliarden Euro werden jährlich allein in der EU hinterzogen. Regierungen verschwenden zweifellos Steuergelder für fragwürdige Projekte. ABER: Das hat rein gar nichts mit dem Mindestlohn zu tun!
Dies als Argument gegen angemessene Löhne anzuführen, ist ein klassisches Ablenkungsmanöver – eine Nebelkerze, um von der eigentlichen Frage abzulenken: Sollen Menschen, die Vollzeit arbeiten, von ihrer Arbeit leben können oder nicht?
Der "Inflations-Mythos" ist ebenso leicht zu widerlegen: Länder mit deutlich höheren Mindestlöhnen (Dänemark, Schweiz, Luxemburg) haben oft niedrigere Inflationsraten als Deutschland. Die aktuelle Inflation wurde primär durch Energiepreise, Lieferk
Die eigentliche Quelle der Ausbeutung
Was Herr Fellmann mit seiner dogmatischen Steuer- und Staatsfeindlichkeit verschleiert, ist die wahre Quelle der wirtschaftlichen Ausbeutung. In meinem Beitrag "Die wahre Quelle der Ausbeutung" habe ich detailliert dargelegt, wie das zinsbasierte Geldsystem systematisch Vermögen von unten nach oben umverteilt:
- Der versteckte Zinsanteil in allen Produkten und Dienstleistungen (durchschnittlich 35%) führt zu einem permanenten, unsichtbaren Vermögenstransfer.
- Dieses System belastet sowohl Arbeitnehmer als auch produktive Unternehmer zugunsten des Finanzsektors.
- Historische Beispiele wie das Brakteaten-System (1150-1450) zeigen, dass Menschen unter anderen Geldsystemen bei 4-Tage-Wochen und 6-Stunden-Tagen einen höheren Lebensstandard genossen als viele heutige Vollzeitbeschäftigte.
Die neoliberale Vernebelungsstrategie
Was Herrn Fellmann und seine Gesinnungsgenossen so gefährlich macht, ist nicht ihre ökonomische Inkompetenz – die wäre verzeihlich. Es ist ihre Funktion als unwissentliche Propagandisten eines Systems, das in Wahrheit weder frei noch fair ist.
Wie ich in "Sozialismus für die Elite - Kapitalismus für den Rest" dargelegt habe, leben wir in einem "korporativen Sozialismus", in dem:
- Konzerne und Banken ihre Gewinne privatisieren, aber Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen
- Der Mittelstand und kleine Selbstständige einem gnadenlosen "Markt" ausgesetzt werden, während die Großen durch politischen Einfluss ihre Pfründe sichern
- Die wahren "Leistungsträger" – arbeitende Menschen, die mit ihrer Kaufkraft das System am Laufen halten – systematisch ausgebeutet werden
Herr Fellmanns Argumentation entlarvt ihn als perfekten nützlichen Idioten dieses Systems: Er verteidigt mit religiösem Eifer eine Wirtschaftsordnung, die seine eigenen Interessen systematisch untergräbt – falls er nicht selbst zu den obersten 0,1% gehört.
Das kollektive Stockholm-Syndrom
Was wir hier beobachten, ist ein kollektives Stockholm-Syndrom: Die Opfer verteidigen ihre Täter. Menschen, die jeden Tag unter einem ausbeuterischen System leiden, verteidigen es mit einer Inbrunst, die an religiösen Fundamentalismus erinnert.
Sie wiederholen unreflektiert die Phrasen, die ihnen von professoralen Hohepriestern des Neoliberalismus eingetrichtert wurden. "Steuern runter!" "Korrupte Politiker!" "Sozialismus!" – primitive Reflexe, die jede differenzierte Diskussion im Keim ersticken sollen.
Diese Menschen sind nicht dumm – sie sind systematisch fehlinformiert und ideologisch verblendet. Die wahren Profiteure des Systems – die Konzernlenker, die Finanzmagnaten, die Vermögensverwalter – lachen sich ins Fäustchen. Ihre größte Errungenschaft ist es, ihre Opfer zu willigen Verteidigern ihrer eigenen Ausbeutung gemacht zu haben.
Ein Appell an die Vernunft
Lieber Herr Fellmann, falls Sie dies lesen: Ich fordere Sie nicht auf, Ihre Grundüberzeugungen über Bord zu werfen. Ich fordere Sie lediglich auf, sich mit den empirischen Fakten auseinanderzusetzen:
- Mit der historisch belegten Prosperität unter dem Brakteaten-System
- Mit den erfolgreichen Hochlohnländern wie Dänemark, Schweden oder der Schweiz
- Mit dem "Wunder von Wörgl", das bewies, wie alternative Geldsysteme funktionieren können
- Mit der systematischen Umverteilung durch das Zinssystem, die in jedem Produkt versteckt ist
Die wahre Freiheit beginnt mit dem Hinterfragen dessen, was uns als alternativlos verkauft wird. Und sie setzt sich fort mit der Bereitschaft, auch unbequemen Wahrheiten ins Auge zu blicken.
Bis dahin bleiben Sie leider ein perfektes Beispiel für das, was der Neoliberalismus aus denkenden Menschen macht: unreflektierte Sprachrohre einer Ideologie, die in Wahrheit nur den Interessen einer kleinen Elite dient – während sie die breite Bevölkerung, zu der höchstwahrscheinlich auch Sie gehören, systematisch ausbeutet.
Fazit: Sich nicht vom Unsinn ablenken lassen
Diskussionen mit Menschen wie Herrn Fellmann sind letztlich Zeitverschwendung. Sie bringen keine neuen Erkenntnisse, keine sachlichen Argumente, keine Bereitschaft zur echten Auseinandersetzung. Sie sind das intellektuelle Äquivalent eines Hamsterrads: Man bewegt sich, kommt aber nicht vom Fleck.
Die wirklich wichtige Arbeit liegt woanders: in der Aufklärung über die wahren Mechanismen unseres Wirtschaftssystems, in der Entwicklung praktischer Alternativen, in der Wiederentdeckung historischer Erfolgsmodelle wie des Brakteaten-Systems.
Statt uns von den Fellmanns dieser Welt ablenken zu lassen, sollten wir daran arbeiten, echte wirtschaftliche Alternativen zu entwickeln und zu verbreiten. Die Geschichte hat bewiesen, dass bessere Systeme möglich sind – und die Gegenwart schreit danach, dass wir sie wiederbeleben.
PS: Die ultimative Ketzerei
Wenn ich Herrn Fellmann jetzt noch erzählen würde, dass Unternehmer überhaupt keine Steuern zahlen – ich glaube, er würde mich wegen wirtschaftlicher Blasphemie auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen.
Und doch ist es die nüchterne ökonomische Realität: Wie ich in meinem Beitrag "Der Mythos der Leistungsträger" detailliert belege, reichen Unternehmen ausnahmslos ALLE Kosten – einschließlich sämtlicher Steuern – an ihre Kunden weiter. Sie müssen es tun, sonst wären sie schlicht nicht überlebensfähig.
Das bedeutet: Jede Unternehmenssteuer, jede Abgabe, jede Gebühr wird letztlich vom Konsumenten bezahlt. Und wer sind diese Konsumenten? Genau – die arbeitende Bevölkerung, einschließlich jener Mindestlohnempfänger, deren Löhne Herr Fellmann noch zu hoch findet und am liebsten einfrieren möchte.
Aus welchem Jahr stammen eigentlich seine wirtschaftlichen Vorstellungen? 1860? 1870? Oder vielleicht gleich 1670, als Arbeiter noch 14 Stunden täglich schufteten und Kinderarbeit normal war?
Die bittere Ironie: Der "kleine Mann", den Herr Fellmann mit seinem ideologischen Gefasel angeblich schützen will, ist genau derjenige, der am Ende die ganze Steuerlast trägt – während er mit seinem kärglichen Mindestlohn kaum über die Runden kommt.
Solche ökonomischen Analphabeten mit ihrem Halbwissen und ihren veralteten Dogmen sind gefährlicher als jeder erklärte Gegner des freien Marktes. Denn sie untergraben mit ihren verdrehten Auffassungen die Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems, das auf faire Entlohnung und breite Kaufkraft angewiesen ist.
Weiterführende Lektüre:
- ["Die Mindestlohn-Lüge: Warum das Niedriglohn-Argument wirtschaftlich unsinnig ist"]
- ["Die wahre Quelle der Ausbeutung: Eine historische und systematische Analyse des Geldsystems"]
- ["Sozialismus für die Elite - Kapitalismus für den Rest: Die Wahrheit über unsere 'Leistungsträger'"]
- ["Der Mythos der Leistungsträger"]
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